Bundesqualitäts-Leitlinie Coloskopie: Wozu?

10.04.2011 | Politik

Die Vorgangsweise des Hauptverbandes, eine Bundesqualitäts-Leitlinie für die Vorsorge-Coloskopie einzuführen, ohne dabei jedoch die ÖÄK einzubinden, verursacht heftige Kritik. Noch dazu, wo sich die Frage stellt, ob eine solche überhaupt notwendig ist.
Von Marion Huber

„Die Coloskopie ist das letzte Gebiet, für das man eine Bundesqualitäts-Leitlinie braucht“, äußert Günther Wawrowsky, Kurienobmann der Niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, seinen Unmut über die derzeitige Diskussion um die Anerkennung der Leitlinien qualitätsgesicherte Coloskopie der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) als Bundesqualitäts-Leitlinie.

Zur Vorgeschichte: Zusammen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger wollte die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie ein Qualitätszertifikat für die Coloskopie einführen. Nachdem dieser Weg nicht erfolgreich war, versucht der Hauptverband der Sozialversicherungsträger nun, die Vorgaben der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie über den Weg einer Bundesqualitäts-Leitlinie durchzusetzen – mit Vertretern der ÖÄK wurden diesbezüglich jedoch keine Gespräche geführt, was nun Anlass für massive Kritik ist.

Grundsätzlich unterscheidet man bei Leitlinien zwischen medizinischen Leitlinien, die wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Handlungsempfehlungen darstellen, und den weit darüber hinausgehenden Bundesqualitäts-Leitlinien. Diese sollen die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, effizienten, effektiven und patientenorientierten Gesundheitsversorung unterstützen. Sie haben einen breiten integrativen und systemischen Hintergrund. ÖÄK-Vizepräsident Artur Wechselberger konkretisiert: „Die Leitlinien qualitätsgesicherte Coloskopie sind klassische medizinische Leitlinien und können daher auch nur einen Teil innerhalb einer Bundesqualitäts-Leitlinie abdecken.“ Darüber hinaus fehlten den vorliegenden Leitlinien wesentliche Inhalte einer Bundesqualitäts-Leitlinie – abgesehen von der Frage, ob eine solche für die Coloskopie überhaupt notwendig ist.

Die Gespräche, österreichweit eine einheitliche Lösung für die Vorsorge-Coloskopie zu finden, gibt es zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der ÖÄK bereits seit mehreren Jahren. Wawrowsky dazu: „Im Zuge der Verhandlungen hat man schließlich erkennen müssen, dass gewisse Lösungen nicht möglich sind. Das liegt unter anderem an der Struktur der unterschiedlichen Honorarordnungen in den Bundesländern.“ Denn so ist etwa die Honorierung einer Coloskopie bei bestehenden Beschwerden sehr wohl erfasst; nicht aber im Sinn einer Vorsorgeuntersuchung. „Hier ist man nicht nach wirtschaftlichen und ökonomischen Kriterien gegangen – also danach wie viel Zeit und Aufwand das benötigt und wie viel es demnach kosten muss. Man wollte einen Mischtarif haben, sonst hätten die Sozialversicherungen nie zugestimmt“, schildert Wawrowsky den Ablauf. Für einen Mischtarif hätte die ÖÄK jedoch nie ihre Zustimmung erteilt, denn „eine fixierte, überprüfbare Qualität braucht eine entsprechende Honorierung. Die hat es aber nicht gegeben, weil die Länder nicht in der Lage waren, das umzusetzen“, erklärt der Kurienobmann.

Angesichts der Häufigkeit des Colonkarzinoms und der Bedeutung der Früherkennung ergriff die ÖÄK neuerlich die Initiative, indem sie sowohl länderweise als auch mit den bundesweiten Trägern Verhandlungen aufnahm. Was mit dem Hauptverband nicht möglich war, konnte mit der BVA (Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter), der VAEB (Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau) und der SVA (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) sehr wohl erreicht werden: Es wurde bundesweit eine Vereinbarung über den Tarif der Vorsorge-Coloskopie getroffen. „So gesehen gibt es die Vorsorge-Coloskopie also schon seit Jahren“, merkt Wawrowsky an. Und deswegen sei sie – bei allem Respekt vor den Untersuchern und Patienten – in Österreich nichts Außergewöhnliches. „Es gibt sie, es ist bisher nichts passiert und es wird auch weiterhin nichts passieren“, zeigt sich der Internist überzeugt.

Qualität muss adäquat honoriert werden

Genau hier setzt jedoch die Kritik der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie an: Deren Vertreter sind der Ansicht, die Qualität der Vorsorge-Coloskopie müsse messbar gemacht werden. Sind hohe Qualitätsstandards bei einer Coloskopie denn nicht im Sinn der ÖÄK? „Ja sicher“, unterstreicht Wawrowsky. Aber: „Die Untersuchung nehmen nur speziell ausgebildete Fachkräfte vor. Sie ist technisch und personell hochaufwändig und als Untersucher braucht man einen großen Erfahrungsschatz. Es spricht absolut nichts gegen hohe Qualitätsstandards, aber dafür ist auch eine adäquate Honorierung vonnöten.“

Ob diese Qualitätsstandards allerdings Bundesqualitäts-Leitlinien sein müssen, ist mehr als fraglich. Den Bedarf daran sehen weder Wawrowsky noch Wechselberger gegeben, der überdies meint: „Wenn man die Definition der Bundesqualitäts-Leitlinien richtig interpretiert, dann sind für die Coloskopie medizinische Leitlinien absolut ausreichend.“

Für den Bundeskurienobmann ist die Vorgangsweise der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie „äußerst fragwürdig“ – kooperiert sie doch „mit jemandem, der keine entsprechende Finanzierung garantiert und der die Österreichische Ärztekammer – wohl wissend, dass es ohne sie nicht geht, weil sie letztlich die Honorare aushandelt – nicht einmal in irgendeiner Form einbindet.“ Er, Wawrowsky, erwarte sich von einer wissenschaftlichen Gesellschaft mehr Weitblick.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2011