Arz­nei­mit­tel­markt: „Rosige” Zei­ten für die Selbstmedikation?

25.02.2011 | Politik

Ende Jän­ner 2011 star­tete die Koope­ra­tion des hei­mi­schen Dro­ge­rie­mark­tes dm mit der Schwei­zer „Zur Rose-Gruppe” mit dem Ziel, rezept­freie, apo­the­ken­pflich­tige Arz­nei­mit­tel, Gesund­heits­pro­dukte sowie Homöo­pa­thika via Ver­sand mit erkleck­li­chem Preis­vor­teil an Kun­den in Öster­reich zu brin­gen.
Von Ruth Mayrhofer

Die 1993 gegrün­dete „Zur Rose“-Gruppe ist in der Schweiz mit rund 250.000 Kun­den laut Fir­men­aus­sage die füh­rende Ver­sand­apo­theke und einer der zwei bedeu­tends­ten Arzt­pra­xen-Belie­fe­rer im Sinne eines Arz­nei­mit­tel-Groß­han­dels. Sie hat ihren Haupt­sitz in Frau­en­feld (Schweiz) und unter­hält Nie­der­las­sun­gen in Halle/​Saale (Deutsch­land) und Ceská Lípa (Tsche­chi­sche Repu­blik) mit ins­ge­samt 326 Mit­ar­bei­tern. Im Geschäfts­jahr 2009 erwirt­schaf­tete die „Zur Rose-Gruppe“ einen Umsatz von rund 530 Mil­lio­nen Schwei­zer Fran­ken.

Seit 2001 ist „Zur Rose“ im Ver­sand von rezept­pflich­ti­gen und rezept­freien Arz­nei­mit­teln sowie Gesund­heits­pro­duk­ten in der Schweiz tätig. Seit 2004 – der Libe­ra­li­sie­rung des Arz­nei­mit­tel­mark­tes in Deutsch­land – bringt das Unter­neh­men seine Ver­sand­leis­tun­gen auch in Deutsch­land an die Kun­den. Vor drei Jah­ren expan­dierte es nach Öster­reich. Nun star­tete die Dro­ge­rie­markt­kette dm Dro­ge­rie Markt eine Koope­ra­tion mit der „Zur Rose“-Tochter VfG mit Sitz in Ceská Lípa. Dm über­nimmt dabei die Infor­ma­ti­ons- sprich Ver­mark­tungs­tä­tig­keit des Ange­bo­tes in Öster­reich hin­sicht­lich der Bestell­mög­lich­kei­ten von in Öster­reich ori­gi­nal zuge­las­se­nen, rezept­freien Arz­nei­mit­teln, wobei die Kunden/​Patienten – wie es bei der Pres­se­kon­fe­renz hieß – von Preis­vor­tei­len bis zu 40 Pro­zent gegen­über dem gän­gi­gen Apo­the­ken­ver­kaufs­preis pro­fi­tie­ren kön­nen. Ins­ge­samt sollte sich jeder öster­rei­chi­sche Haus­halt pro Jahr 100 Euro über die­sen Ver­sand­han­del erspa­ren kön­nen, beton­ten beide Part­ner. „Zur Rose“ küm­mert sich um die Bestell- und Lie­fer-Logis­tik und ver­spricht auch – so gewünscht – eine Bera­tung der Kun­den im Rah­men einer Hot­line durch ein „phar­ma­zeu­ti­sches Exper­ten­team“. Der Ver­sand ist übri­gens für Bestel­ler ab einer Bestell­menge von € 45,- kos­ten­frei.

Für Harald Bauer, Mit­glied der dm-Geschäfts­lei­tung, bedeu­tet diese Zusam­men­ar­beit „eine neue und rechts­kon­forme Ser­vice­leis­tung für dm-Kun­den und einen zuläs­si­gen Wett­be­werb im OTC-Bereich, der abseits der Erspar­nis für die Kun­den auch zu einer Ent­las­tung des Gesund­heits­we­sens füh­ren wird“. Den Aus­gangs­punkt der neuen Ver­sand­ko­ope­ra­tion bil­dete eine dm-Umfrage aus 2005, bei der sich immer­hin 80 Pro­zent der Befrag­ten für eine Abschwä­chung der gesetz­li­chen Rege­lun­gen in Sachen Arz­nei­mit­tel­be­zug aus­ge­spro­chen haben. Ebenso erwar­ten sich 65 Pro­zent der Umfrage-Teil­neh­mer durch sin­kende Kos­ten posi­tive Aus­wir­kun­gen auf das Gesund­heits­sys­tem.

Die Pra­xis für Konsumenten

In der Pra­xis soll das alles so ablau­fen: In den dm-Filia­len lie­gen Pro­spekte über die Bestell-Arz­nei­mit­tel auf. Da die Mit­ar­bei­ter der dm-Filia­len nicht befugt sind, eine Arz­nei­mit­tel-Bera­tung durch­zu­füh­ren, erfolgt die Bestel­lung der Arz­nei­mit­tel per E‑Mail, Fax oder tele­fo­nisch über eine Bestell-Hot­line, de facto ein Call Cen­ter, das in Deutsch­land bezie­hungs­weise in der Tsche­chi­schen Repu­blik ange­sie­delt ist. Sollte eine ein­ge­hen­dere Bera­tung der Kun­den not­wen­dig sein oder bei­spiels­weise bestellte Arz­nei­mit­tel im Sinne von Inter­ak­tio­nen nicht ‚zusam­men pas­sen‘, kom­men die bereits erwähn­ten ‚phar­ma­zeu­ti­schen
Exper­ten‘ zum Zug. Die Qua­li­fi­ka­tion die­ser Mit­ar­bei­ter soll – so Wal­ter
Ober­hänsli, Prä­si­dent des Ver­wal­tungs­ra­tes und CEO der „Zur Rose“-Gruppe – abso­lut jener in Öster­reich ent­spre­chen. Es bleibt abzu­war­ten, ob und wie die öster­rei­chi­schen Kon­su­men­ten die­ses Ange­bot anneh­men werden.

Die Öster­rei­chi­sche Apo­the­ker­kam­mer ist zwar der Ansicht, dass Arz­nei­mit­tel grund­sätz­lich nur mit per­sön­li­cher Bera­tungs­mög­lich­keit durch Ärzte oder Apo­the­ker abge­ge­ben wer­den soll­ten; sie sieht diese neue Koope­ra­tion den­noch „gelas­sen“, wie eine Spre­che­rin der Apo­the­ker­kam­mer betont. Die Devise: Die Ent­wick­lun­gen müss­ten zunächst abge­war­tet und beob­ach­tet werden.

Die IGEPHA, der Inter­es­sens­ver­band der Her­stel­ler von rezept­freien Arz­nei­mit­teln, unter­stützt den Ver­sand­han­del mit Arz­nei­mit­teln nicht. Sie ist – wie IGE­PHA-Geschäfts­füh­re­rin Chris­tina Nage­ler aus­führt – der Mei­nung, dass Arz­nei­mit­tel nur über die Apo­theke ver­trie­ben wer­den sol­len, um Qua­li­tät und Com­pli­ance sicherzustellen.

„Sowohl Arz­nei­mit­tel als auch die fach­kom­pe­tente Bera­tung sind wert­voll und von­ein­an­der nicht zu tren­nen. Diese Tat­sa­che darf in der Wahr­neh­mung der Kon­su­men­ten nicht durch Preis­nach­lässe und Rabatte ver­rin­gert wer­den. Arz­nei­mit­tel sind keine Kon­sum­gü­ter. Die Arz­nei­mit­tel­ab­gabe bedarf der seriö­sen Bera­tung durch aus­ge­bil­dete Phar­ma­zeu­ten, da nur diese den ver­nünf­ti­gen und siche­ren Umgang mit Arz­nei­mit­teln gewährleisten.“

Vor­gang „gewöh­nungs­be­dürf­tig“

Otto Pjeta, Lei­ter des Refe­rats für Medi­ka­men­ten­an­ge­le­gen­hei­ten in der ÖÄK, kom­men­tiert das neue Ange­bot so: „Im Apo­the­ken­sek­tor gibt es der­zeit eine Unzahl von Koope­ra­tionen und unter­schied­li­che Besitz­ver­hält­nisse, die auf Grund der Markt­kon­zen­tra­tion wie etwa Apo­the­ken­ket­ten uns eher Sorge machen. Der OTC-Markt mit sei­nen gesetz­li­chen Spiel­re­geln ist Rea­li­tät und Ange­bot. Bei Ein­hal­tung der Rah­men­be­din­gun­gen sind preis­güns­tige OTC-Medi­ka­mente für die Bevöl­ke­rung vor­teil­haft. Wie der Ärz­te­kam­mer von diver­sen Kon­su­men­ten­er­he­bun­gen der Arbei­ter­kam­mer bekannt ist, gibt es keine Qua­li­tät der Bera­tung in den Apo­the­ken, was die Behör­den und Gesetz­ge­ber bis­her nicht gestört hat. Das Ver­kaufs­an­ge­bot in Dro­ge­rie­märk­ten führt daher zu kei­ner Ver­schlech­te­rung, son­dern nur zu Preis­vor­tei­len für die Bevöl­ke­rung.” Beden­ken für die Ärz­te­kam­mer gäbe es jedoch, wenn unter Umge­hung der öster­rei­chi­schen Geset­zes­vor­schrif­ten rezept­pflich­tige Medi­ka­mente ange­bo­ten wür­den. Pjeta‘s Fazit: „Ich glaube ähn­lich der IGEPHA, dass dies nicht der bevor­zugte Markt­platz ist, der geschil­derte Vor­gang ist gewöh­nungs­be­dürf­tig.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2011