Arzt/Ärztin in Wien: Stärker Burnout-gefährdet

15.08.2011 | Politik

Die Wiener Ärztinnen und Ärzte sind in einem stärkeren Ausmaß Burnout-gefährdet als die Ärzte im übrigen Österreich – das ergab eine Detail-Auswertung der Österreich-weit durchgeführten, repräsentativen Befragung.
Von Agnes M. Mühlgassner

Mehr als 6.000 Ärzte haben sich bei der im Zeitraum von November 2010 bis Feber 2011 durchgeführten online-Evaluierung zum Thema Burnout beteiligt; mehr als 1.200 Wiener Ärztinnen und Ärzte haben daran teilgenommen: Sie sind in einem besonderen Ausmaß gefährdet, wie eine Detailauswertung der Studie, die im Rahmen eines Hintergrundgesprächs präsentiert wurde, ergab.

Das Ergebnis: 59,2 Prozent der Wiener Ärztinnen und Ärzte, die an der Befragung teilgenommen haben, befinden sich in den Phasen 1, 2 oder 3 für ein Burnout; in den übrigen Bundesländern sind es 52,4 Prozent. „Die Werte sind generell um rund 15 Prozent höher als im österreichischen Durchschnitt“, betont der Kurienobmann der Angestellten Ärzte der Wiener Ärztekammer, Univ. Prof. Thomas Szekeres. Die Ursachen für diese Entwicklung sieht er einerseits im Großstadtfaktor und dass komplexe Fälle in einer überdurchschnittlich hohen Anzahl behandelt werden; andererseits gehen die Wiener häufiger zum Arzt als Patienten in anderen Bundesländern.

„Nur vier von zehn Wiener Ärzten können sagen: mir geht es gut“, führte der wissenschaftliche Leiter der Studie, Univ. Prof. Dr. Peter Hofmann von der Universitätsklinik für Psychiatrie der Medizinischen Universität Graz, dazu im Detail aus. Und weiter: „Die angestellten Wiener Ärzte haben tatsächlich ein dramatisches Problem: Zwei Drittel haben Probleme oder sind hochgradig gefährdet. Turnusärzte sind am meisten betroffen“. Generell ist die Burnout-Gefährdung im Standard-Krankenhaus größer als im Schwerpunkt-Krankenhaus. Bei den niedergelassenen Ärzten ist rund die Hälfte Burnout-gefährdet. Im Vergleich mit anderen Berufsgruppen ist das Risiko für Ärzte wesentlich höher: Bei den Richtern etwa sind 21,5 Prozent gefährdet, bei den Lehrern an Wiener Pflichtschulen 33,5 Prozent.

Univ. Doz. Robert Hawliczek, Primarärztereferent in der Wiener Ärztekammer, ortet zwei Ursachen für diese alarmierende Entwicklung: „Störfaktor Nummer 1 ist die überbordende Administration. Und Störfaktor 2 ist der Zeitdruck: Die Arbeit im Spital wird immer mehr zur Fließband-Arbeit“. Hawliczek sieht nur einen einzigen Ausweg: „Wir Ärzte müssen wieder ans Patientenbett – und weg von der Administration“. Dass die Maßnahmen des Wiener Krankenanstaltenverbundes genau in die gegenteilige Richtung gehen, kann er nicht nachvollziehen: „Hier wird beim Personal gekürzt – beispielsweise wurden 30 Turnusarzt-Stellen gestrichen. Oder aber Leitungspositionen werden bis zu einem Jahr später nachbesetzt“. Die Folgen: Es kommt zu einer „extremen Verdichtung“ (Hawliczek) der Arbeit, nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht. Und gespart wird in Wien auch im AKH. Nicht nur, dass es seit Anfang des Jahres einen Aufnahmestopp gibt: So sollen mit 1. Jänner 2012 weitere 20 bis 25 Diensträder eingespart werden.

Angesichts dieser Ergebnisse fordert der Kurienobmann der angestellten Ärzte in Wien eine „umsichtige Reform in den Spitälern“ mit dem Hauptaugenmerk auf die im Spital tätigen Menschen – und nicht auf die Ökonomie. Konkret sind dies Arbeitszeitmodelle, die es ermöglichen, dass Ärzte auch weniger arbeiten können, Betreuungseinrichtungen für Kinder, eine Änderung der derzeitigen Führungsstrukturen und die flächendeckende Einsetzung von Administrations-Assistenten.

In der mangelnden Versorgung im niedergelassenen Bereich („es gibt zu wenig niedergelassene Ärzte, die Patienten weichen in die Ambulanzen aus“) sieht Szekeres mit einen Grund für die Überlastung der Spitalsärzte; es müsse daher insgesamt wieder eine „vernünftige Balance“ zwischen niedergelassenem und Spitalsbereich hergestellt werden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2011