Tiefe Hirnstimulation bei M. Parkinson: Tremor verringert

15.08.2011 | Medizin



Während die Akinese bei M. Parkinson durch die tiefe Hirnstimulation nur im selben Ausmaß wie durch L-Dopa beeinflusst wird, kann hingegen beim Tremor eine deutliche Besserung erzielt werden. Weiters kann die Medikation um 50 Prozent verringert werden.

Der Dopaminmangel bei M. Parkinson bringt eine fehlerhafte Aktivität von Nervenzellen in tief gelegenen Hirnarealen mit sich. Bei den betroffenen Hirnarealen handelt es sich um die Basalganglien und den Thalamus. „Durch die kontinuierliche elektrische Stimulation des Nucleus subthalamicus, des Globus pallidus internus oder des Thalamus kann die Aktivität dieser Hirnareale modifiziert werden“, erklärt dazu Ao. Univ. Prof. Walter Pirker von der Universitätsklinik für Neurologie am Wiener AKH. Die Kardinalsymptome Rigor, Akinese und Tremor können gut beeinflusst werden. Die Akinese ist durch die tiefe Hirnstimulation jedoch nur im selben Ausmaß wie durch L-Dopa zu beeinflussen. Die Ausmaße des Tremors hingegen können durch die tiefe Hirnstimulation – im Vergleich zu den medikamentös erreichbaren Verbesserungen – deutlich gebessert werden. Weiters werden aber auch Fluktuationen und Dyskinesien durch die tiefe Hirnstimulation positiv beeinflusst. Im Idealfall können diese sogar gänzlich verschwinden. Auch ermöglicht der Eingriff in der Regel eine Reduktion der dopaminergen Parkinson-Medikation um circa 50 Prozent.

Die für die tiefe Hirnstimulation notwendigen Impulse werden von einem implantierten Impulsgeber („Schrittmacher“) erzeugt. Dieser Neurostimulator wird meist unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut implantiert. Der Schrittmacher wiederum ist durch ein unter der Haut liegendes Kabel mit sehr dünnen Elektroden verbunden, deren Pole stereotaktisch in die Basalganglien implantiert werden. Im Zuge dieses Eingriffs ist es üblich, dass jeweils eine Elektrode in eine Gehirnhälfte eingesetzt wird, wobei eine Elektrode jeweils vier elektrische Pole an ihrer Spitze hat. Der Neurostimulator wird vom Arzt über Funkübertragung von außen programmiert. Um das optimale Maß der Einstellung zu erreichen, sind postoperativ mehrere Sitzungen nötig.

Patientenauswahl

Das typische Parkinson-Zittern sowie motorische Wirkfluktuationen und Dyskinesien sind laut Pirker die „am erfolgreichsten“ zu behandelnden Beeinträchtigungen des Krankheitsbildes. Dem Eingriff ist aber vorausgesetzt, dass der Patient auf die medikamentöse Parkinson-Therapie im Vorfeld bereits ausgezeichnet angesprochen hat, da die Stimulation nur auf dopaminerge Therapie (mit Ausnahme des therapieresistenten Parkinson-Zitterns) prinzipiell ansprechende Symptome positiv wirken kann. Gründe, die eindeutig gegen die Auswahl eines Patienten sprechen, sind: das Vorliegen einer atypischen Parkinson-Erkrankung mit fehlendem Ansprechen auf die L-Dopa-Therapie, Demenz, eine schwere Hirnatrophie und schwere psychiatrische und internistische Erkrankungen. Zur Zeit wird die tiefe Hirnstimulation vor allem bei länger erkrankten Parkinson-Patienten durchgeführt. Es sind aber gegenwärtig Studien im Gange, welche sich mit der Frage beschäftigen, ob der Eingriff bereits in einem früheren Stadium der Krankheit vorgenommen werden soll. Letztendlich entscheidet ein interdisziplinäres Team unter der Leitung von Neurologen und Neurochirurgen darüber, ob der Eingriff für den konkreten Patienten geeignet ist.

Ablauf der Operation

Damit der Effekt der tiefen Hirnstimulation bereits während der Operation beurteilt werden kann, werden dem Patienten am Operationstag keine Parkinson-Medikamente verabreicht (Operation im „OFF“-Zustand). Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Operation stellt die genaue präoperative Berechnung des Zielpunktes, an dem die Elektroden eingebracht werden, anhand von hochauflösenden MRT-Aufnahmen des Gehirns dar. Thomas Foki, ebenfalls Universitätsklinik für Neurologie am AKH Wien, führt dazu aus, dass der Nucleus subthalamicus den häufigsten Zielpunkt darstellt. Während der Elektrodenimplantation bleibt der Patient ansprechbar und wach. Dies ist notwendig, um die Ausprägung der motorischen Symptome durch eine Teststimulation beobachten zu können. Unter lokaler Betäubung werden nach dem Setzen von zwei Bohrlöchern die Elektroden über einen Mikrometerantrieb mit höchster Genauigkeit an den Zielpunkt gebracht, ohne dabei Hirngewebe zu zerstören. Sodann werden von „Mikroelektroden“ elektrische Impulse des Gehirns abgeleitet, die Information über die Lage der Elektroden liefern. Sobald der Zielpunkt definiert ist, beginnt die Teststimulation an den aussichtsreichen Arealen durch die sogenannte Makroelektrode. Durch die Stimulation kommt es schlagartig zu einer Abnahme des Rigors und oft auch zur raschen Besserung der Akinese und des Tremors. Eine deutliche Besserung des Rigors, aber auch das Auftreten von überschüssigen Bewegungen in Abwesenheit anderer Nebenwirkungen, zeigen eine gute Lage der Elektrode an. Nachdem zufriedenstellende intraoperative Ergebnisse erreicht wurden, wird in jede Hirnhälfte eine endgültige Elektrode implantiert; in einem nächsten Schritt erfolgt die Implantation des Neurostimulators und der Verbindungskabel unter Vollnarkose.

Um eine bestmögliche Programmierung des Neurostimulators zu erreichen, sind in den folgenden Wochen oft mehrere ambulante Kontrollen mit weiteren Anpassungen der Stimulation und der Medikation erforderlich. Eine stabile Einstellung sei aber meist innerhalb von drei Monaten zu erreichen, merkt Foki an. Gewisse Risiken, die mit dem chirurgischen Eingriff verbunden sein können, sind nicht gänzlich ausgeschlossen. Technische Probleme im Hinblick auf den Neurostimulator sind in der Regel zu lösen; gewisse Nebenwirkungen können durch die Änderungen der Stimulationsparameter beseitigt werden.
PW

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2011