Unkla­rer Bauch­schmerz im Kin­des­al­ter: DD Lymphadenitis

25.09.2011 | Medizin

Die Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis ist eine häu­fige Ursa­che für akute und rezi­di­vie­rende Bauch­schmer­zen im Kin­des­al­ter, deren kli­ni­sche Sym­ptome oft nur schwer von einer aku­ten Appen­di­zi­tis zu unter­schei­den sind.
Von Irene Mle­kusch

Plötz­lich auf­tre­tende kolik­ar­tige Schmer­zen im rech­ten Unter­bauch, die ent­spre­chend der Darm­pe­ris­tal­tik und Kör­per­be­we­gung wan­dern, sind typisch für die Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis. Zusätz­lich kön­nen Fie­ber, Erbre­chen, Durch­fall und eine posi­tive Ana­mnese in Bezug auf eine respi­ra­to­ri­sche oder gas­tro­in­testi­nale Infek­tion vor­lie­gen. „Exakte Häu­fig­kei­ten sind schwer zu erhe­ben“, sagt Univ. Prof. Eli­sa­beth Stei­chen-Gers­dorf von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Kin­der- und Jugend­heil­kunde der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät in Inns­bruck und merkt an, dass die Dia­gnose einer Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis häu­fig in der Abklä­rung eines aku­ten Abdo­mens gestellt wird. Univ. Doz. Win­fried Reb­handl von der Kli­ni­schen Abtei­lung für Kin­der­chir­ur­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Wien sieht in der Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis eine sehr häu­fige Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnose zur Appen­di­zi­tis. Reb­handl dazu: „An der Abtei­lung für Kin­der­chir­ur­gie wird mehr Dia­gno­se­auf­wand betrie­ben, da man bemüht ist, nur bei einem ein­deu­ti­gen Befund oder einem hoch­gra­di­gen Ver­dacht zu ope­rie­ren. Die Anzahl der rich­tig ope­rier­ten Kin­der liegt daher über 90 Prozent.“

Die Exper­ten sind sich darin einig, dass es nicht mög­lich ist, die Dia­gnose durch die kli­ni­sche Unter­su­chung allein zu stel­len. „Die Appen­di­zi­tis wird nach dem Drei-Säu­len-Modell dia­gnos­ti­ziert“, erklärt Reb­handl. Die typi­sche Ver­laufs-Sym­pto­ma­tik spielt dabei ebenso eine Rolle wie die erhöh­ten Ent­zün­dungs­werte sowie die direk­ten und indi­rek­ten Zei­chen für eine Appen­di­zi­tis im Ultra­schall. „Sind zwei der drei genann­ten Berei­che posi­tiv, ist die Dia­gnose der Appen­di­zi­tis sehr wahr­schein­lich.“ Stei­chen-Gers­dorf bestä­tigt, dass auch Blut­bild und CRP allein wie­derum keine Dif­fe­ren­zie­rung mög­lich machen. Vor allem der Ultra­schall ist durch seine Non-Inva­si­vi­tät die bevor­zugte Dia­gnos­tik und ermög­licht es, in der Lage zwi­schen Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis und Appen­di­zi­tis zu dif­fe­ren­zie­ren. Mit hoch­auf­lö­sen­den Schall­köp­fen im Bereich von 10 bis 17-MHz las­sen sich meist mehr als drei iso­lierte, reak­tiv ent­zünd­lich ver­än­derte Lymph­kno­ten im Mesen­te­rium dar­stel­len. Diese Lymph­kno­ten fin­den sich vor­wie­gend peri­um­bi­li­kal und kön­nen einen Durch­mes­ser von bis zu zwei Zen­ti­me­tern auf­wei­sen. Auch bei Kin­dern mit einer Appen­di­zi­tis las­sen sich bei bis zu 40 Pro­zent Lymph­kno­ten­ver­grö­ße­run­gen fin­den; ins­ge­samt sind diese aber von gerin­ge­rer Anzahl und Größe als bei der Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis. Reb­handl macht dar­auf auf­merk­sam, dass spe­zi­ell der Ultra­schall­be­fund sehr vom jewei­li­gen Unter­su­cher abhängt; vor allem Darm­gas­über­la­ge­run­gen stel­len ein Pro­blem bei der Beur­tei­lung dar.

Die Ursa­che für das Auf­tre­ten einer Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis ist im Detail noch unklar. „Die Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis ist oft Begleit­re­ak­tion von vira­len Sys­tem­er­kran­kun­gen wie Ade­no­vi­rus, EBV, CMV oder Rota­vi­rus-Infek­tion“, so Stei­chen-Gers­dorf. Reb­handl ergänzt die Auf­zäh­lung durch Yer­si­nia ente­ro­co­li­tica, bemerkt aller­dings, dass dies­be­züg­lich in den meis­ten Fäl­len keine wei­tere Abklä­rung erfolgt. Will man jedoch Gewiss­heit, kann eine sero­lo­gi­schen Titer­un­ter­su­chung Auf­schluss geben. Die Behand­lung erfolgt weit­ge­hend sym­pto­ma­tisch; die Gabe von Anti­bio­tika ist nur bei schwe­ren Ver­laufs­for­men mit dro­hen­der Sep­sis not­wen­dig. Wei­tere Patho­gene, die im Zusam­men­hang mit einer Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis ste­hen kön­nen, sind Yer­si­nia pseu­do­tu­ber­cu­lo­sis, Sal­mo­nella enterit­i­dis, Cam­py­lo­bac­ter jejuni und Strep­to­coc­cus viridans.

Kom­pli­ka­tion: Invagination

Oft ist die Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis selbst­li­mi­tie­rend und ver­schwin­det nach eini­ger Zeit ohne eine Behand­lung. Begleit­sym­ptome wie Fie­ber, Durch­fall oder Erbre­chen wer­den rein sym­pto­ma­tisch behan­delt. Stei­chen-Gers­dorf warnt vor der mög­li­chen Kom­pli­ka­tion einer Inva­gi­na­tion, die beson­ders bei Kin­dern von zwei bis sechs Jah­ren im Ein­zel­fall auf­tre­ten kann. „Diese ist zwar sehr schmerz­haft und mit­un­ter rezi­di­vie­rend, kann in den meis­ten Fäl­len aber erfolg­reich durch eine sali­ni­sche Repo­si­tion gelöst wer­den“, so die Exper­tin. Reb­handl ergänzt: „Eine ileo­coe­cale Inva­gi­na­tion kann defi­ni­tiv im Ultra­schall fest­ge­stellt wer­den und muss vom Kin­der­chir­ur­gen sofort mit­tels hydro­sta­ti­scher Deva­gi­na­tion und – falls diese frus­tran ver­läuft – ope­riert wer­den. Reine Dünn­darm-Inva­gi­na­tio­nen sind meist Zufalls­be­funde und lösen sich übli­cher­weise von selbst.“

Die Lympha­deni­tis mesen­te­ria­lis sollte im Kin­des­al­ter trotz­dem nicht baga­tel­li­siert wer­den. Eine sorg­fäl­tige Abklä­rung inklu­sive Ultra­schall des Abdo­mens sollte in jedem Fall erfol­gen, um Dif­fe­ren­ti­al­dia­gno­sen wie Appen­di­zi­tis, akute Gas­tri­tis, renale Erkran­kun­gen und bei Mäd­chen auch Ova­ri­al­er­kran­kun­gen aus­schlie­ßen zu kön­nen. Stei­chen-Gers­dorf warnt auch vor dem abdo­mi­nel­len Non Hodgkin-Lym­phom.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2011