Hormonersatztherapie: Im Wandel der Zeit

25.03.2011 | Medizin

Nach einem regelrechten Boom der Hormonersatztherapie in den 1990ern kam es in den letzten Jahren nach großen Studien zu einem massiven Rückgang der Verschreibungen. Ein vermeintlich erhöhtes Brustkrebsrisiko und das Ausbleiben von vermuteten protektiven Effekten sorgen für kritische Diskussionen.
Von Corina Petschacher

Für die Hormonersatztherapie stehen heute – im Gegensatz zu den Anfängen – verschiedene Formen der Kombinationstherapie zur Verfügung. Die Darreichungsformen reichen von transdermal mittels Pflaster, Creme oder Gel über die Einnahme einer östrogenhaltigen Pille bis hin zu Implantaten. Gestagene werden zusätzlich meist in Form von Tabletten, seltener als Zäpfchen eingenommen.

In den Anfängen der Hormonersatztherapie waren die Dosierungen der eingesetzten Hormone aus heutiger Sicht zu hoch, sodass in den letzten Jahren eine kontinuierliche Reduktion der Dosis stattgefunden hat. Damals war es die Regel, alle Frauen in den Wechseljahren mit Hormonen zu behandeln. Man dachte, dass man den Östrogenspiegel auch im Alter so hoch wie bei eher jungen Frauen halten sollte, um gesund und jung zu bleiben. Außerdem stellte man fest, dass Östrogene sehr effektiv in Bezug auf die Osteoporose-Prophylaxe sind. Unter dem Aspekt der Frauengesundheit hat sich eine generelle Therapie aller Frauen im Wechsel als nicht richtig herausgestellt, da die Dosen, die damals angewandt wurden, Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Thromboserisiko zeigten.

Heute gilt das Auftreten von Wechseljahres-Beschwerden als einzige zugelassene Indikation für eine Hormonersatztherapie. Zu den für die Wechseljahre typischen Symptomen zählen Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Herzrasen, Schlafstörungen, depressive Verstimmung sowie Scheidentrockenheit und Libidoverlust – sie sollten behandelt werden, wenn sie eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität der betroffenen Frauen darstellen. Die eingesetzten Hormone lindern oder beseitigen nachweislich klimakterische Beschwerden und beeinflussen so die Lebensqualität positiv. Zwar trägt die Hormonersatztherapie zur Osteoporosevermeidung bei, die Vorbeugung einer Osteoporose alleine ohne zusätzliche Symptome stellt aber keine Indikation zur Therapie mittels Hormonen dar.

Eindeutige Kontraindikation für eine Hormonersatztherapie stellt der Status nach einem hormonabhängigen Tumor wie dem Mammakarzinom oder Endometriumskarzinom dar. Bei einem bereits in der Vergangenheit aufgetretenen oder neu entwickelten thromboembolischen Geschehen, einer therapieresistenten Hypertonie oder einem Diabetes mellitus complicatus ist die Therapie mittels Hormonen ebenfalls kontraindiziert. Grundsätzlich gilt, vor Therapiebeginn für jede Patientin individuell die Vor- und Nachteile einer Hormonersatztherapie abzuwägen.

Zu Beginn der Therapie wird ein Hormonstatus erstellt und mit der niedrigsten Dosierung, von der man sich eine Besserung der Symptomatik erhofft, begonnen. Jedes halbe Jahr wird zur Kontrolle ein Ultraschall der Gebärmutterschleimhaut, einmal im Jahr eine Mammographie durchgeführt. Die durchschnittliche Einnahmedauer der Hormone beträgt circa fünf Jahre. Nach etwa ein bis zwei Jahren wird versucht, die Dosis zu reduzieren und die Therapie langsam auszuschleichen.

WHI-Studie: Hormone und Brustkrebs

Für Aufsehen um die Hormonersatztherapie sorgte erstmals im Jahr 2002 die Veröffentlichung der Ergebnisse einer prospektiven Langzeitstudie in den USA, der Women’s Health Initiative (WHI). Die Studie, die mehr als 161.000 Frauen zwischen 50 und 79 Jahren involvierte, beschäftigte sich mit Strategien zur Prävention von Herzerkrankungen, Brust- und Kolorektalkarzinom sowie von Frakturen bei postmenopausalen Frauen. Die Ergebnisse dieser Studie führten zum Beginn einer kontroversiellen Diskussion über die Hormonersatztherapie, die bis heute anhält. So bescheinigten die Studienergebnisse der Hormonersatztherapie eine massive Erhöhung der Brustkrebsfälle und des Herzinfarktrisikos in der Therapiegruppe, was zu einem frühzeitigen Abbruch der Studie nach bereits fünf von ursprünglich geplanten acht Jahren führte.

Diese Interpretation der Studiendaten wird jedoch von vielen Wissenschaftlern und Gynäkologen in Frage gestellt. Der Teil der Studie, der sich mit den Auswirkungen einer Hormonersatztherapie auf die genannten Untersuchungsgegenstände beschäftigte, beinhaltete zwei Studienarme: Einerseits die Gruppe der Frauen mit noch intakter Gebärmutter, die durchgehend eine Östrogen-Gestagen-Therapie beziehungsweise ein Placebo erhielten; andererseits diejenigen Frauen, denen die Gebärmutter bereits entfernt wurde, die nur Östrogene bekamen. Univ. Prof. Ludwig Wildt vom Department Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck hält eine kritische Auseinandersetzung mit den Daten, die die Studie hervorbrachte, für „notwendig“. Zur genaueren Interpretation der Studienergebnisse müssten einige Dinge, die in der Öffentlichkeit nicht genügend diskutiert worden seien, berücksichtigt werden. So seien alle Patientinnen, die zu Beginn der Studie katalogisiert wurden, während der gesamten Studiendauer mit verfolgt worden, auch wenn sie schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr teilnahmen.

Auch das Alter der teilnehmenden Frauen läge deutlich über dem Durchschnitt derjenigen, die normalerweise eine Hormonersatztherapie erhielten. Nur ein Drittel der Patientinnen wäre in einem Alter gewesen, in dem sie von einer HRT profitiert hätten. Zwar handle es sich bei der WHI-Studie um die größte ihrer Art; allerdings sei behauptet worden, dass sich die Studie mit der HRT bei gesunden postmenopausalen Frauen beschäftige; gesund seien allerdings die wenigsten der Teilnehmerinnen gewesen. So litt beispielsweise ein erheblicher Teil der involvierten Frauen an Hypertonie, Übergewicht und anderen internistischen Problemen. Es sei auch berücksichtigt worden, ob klimakterische Beschwerden vorlagen oder nicht.

Es komme auch ganz darauf an, wie man die Ergebnisse der Studie was das Thema Risikoerhöhung des Mammakarzinoms unter HRT betrifft, interpretiere. „Die Ergebnisse beider Studien sahen komplett unterschiedlich aus. Beim ersten Arm, der das meiste Aufsehen erregt hat, ist eine an der Grenze der Signifikanz oder knapp darüber liegende Erhöhung des Risikos, an einem Mammakarzinom zu erkranken, festgestellt worden. Über die genauen Zahlen streiten sich die Statistiker. Es ist keinesfalls so, dass mit diesen Ergebnissen eindeutig erwiesen worden ist, dass das Risiko für ein Mammakarzinom so deutlich ansteigt, wie es in der Öffentlichkeit immer dargestellt wird. Wenn man vorsichtig ist, kann man sagen, es besteht ein leicht erhöhtes Risiko“, erklärt Wildt. Dieses sei aber nicht vergleichbar mit der Risikoerhöhung, die man beispielsweise durch Übergewicht oder übermäßigen Alkoholkonsum oder zu wenig Bewegung habe. Adipositas verdoppelt bis verdreifacht das Risiko; unter einer Hormonersatztherapie hat man eine 1,2-fache Risiko-Erhöhung. Wildt weiter: „Dass die Patienten im zweiten Arm der Studie, die eine Östrogenmonotherapie erhalten haben, ein niedrigeres Brustkrebsrisiko hatten als die Allgemeinheit, ist bei der ganzen Diskussion um die Kombinationstherapie und deren Folgen völlig unter den Tisch gefallen. Unter der Monotherapie wiederum besteht ein um 20 bis 30 Prozent reduziertes Risiko.“

Erhöhtes Risiko durch Langzeittherapie?

Weiteren Studienergebnissen zufolge steigt bei Daueranwendung eines kombinierten Östrogen-Gestagenpräparates über einen längeren Zeitraum als fünf Jahre mit jedem weiteren Jahr die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken.

Haben im Jahr 2000 noch rund 30 Prozent der weiblichen US-amerikanischen Bevölkerung über 50 Jahre Hormone eingenommen, ist diese Zahl nach Veröffentlichung der Studienergebnisse im Jahr 2002 auf 15 Prozent gesunken. Zur gleichen Zeit kam es zu einem deutlichen Abfall der diagnostizierten Brustkrebsfälle. Ob diese beiden Dinge kausal in einem Zusammenhang stehen, wird seither ebenfalls diskutiert. Laut Univ. Prof. Christian Dadak von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wien fand jedoch der Abfall der Brustkrebsfälle nach Beendigung der HRT zu schnell statt, um mit der verminderten Hormoneinnahme begründet zu werden. Der Abfall der diagnostizierten Brustkrebsfälle könne auch mit einer Verminderung der Mammographien einhergegangen sein, da Patientinnen unter HRT öfter mammographiert würden als solche ohne Therapie. „Insgesamt erhöht sich das Krebsrisiko im Alter sowieso. Eine hochdosierte Kombinationstherapie aus Östrogen und Gestagen birgt höchst wahrscheinlich schon ein erhöhtes Risiko, Brustkrebs zu entwickeln, wenn diese länger als fünf Jahre angewandt wird. Das Risiko ist meiner Meinung nach allerdings erst nach fünf Jahren erhöht. Was außerdem spannend ist, ist dass zum Beispiel in Ländern wie China die Zahl der Mammakarzinome ungefähr gleich hoch ist wie bei uns, obwohl dort die Hormonersatztherapie nicht üblich ist.“

Die Daten von verschiedenen internationalen Studien zur Mortalität bei Mammakarzinom unter einer Hormonersatztherapie fielen unterschiedlich aus. So wird von manchen Studien ein Abfallen der Mortalität unter HRT beschrieben, von anderen ein Anstieg. Ein Anstieg der Mortalität unter HRT müsse allerdings nicht unbedingt ursächlich mit der Therapie selbst zusammenhängen, so Wildt. Es sei vielmehr denkbar, dass Patienten unter einer HRT viel häufiger beim Arzt sind und engmaschiger kontrolliert werden, sodass das Mammakarzinom eher erkannt und in früheren Stadien schon therapiert werden kann. Wildt sieht keinen Zusammenhang im Rückgang der Mammakarzinom-Diagnosen und der rückläufigen Zahl an Patientinnen, die eine HRT bekommen, „zumindest nicht für Europa. Zu sagen, die Zahlen sinken bereits drei Jahre nachdem die Patienten mit der HRT aufgehört haben, kann so nicht stimmen. Ein Mammakarzinom entwickelt sich ja nicht innerhalb von Monaten, sondern von zehn Jahren. Deshalb kann das Absetzen der HRT nicht die Ursache für das Sinken der Mammakarzinomfälle sein“, schließt er sich der Meinung von Dadak an.

Ein ganz anderes Thema stelle jedoch die Langzeittherapie mit Hormonen bei jungen Frauen, die eine fehlende Ovarialfunktion aufgrund einer angeborenen Störung oder einer Chemotheraphie haben, dar. Hier sei eine langanhaltende Hormontherapie zumindest bis zu einem Alter, in dem die Wechseljahre auch unter normalen Bedingungen beginnen würden, von entscheidender Bedeutung für die Gesundheit der Frau. Diese dürfe nicht aus der Angst vor Risiken einer Langzeittherapie heraus abgesetzt werden, erklärt Wildt.

Mehr Herzinfarkte unter HRT?

Andere aus der WHI-Studie hervorgegangene Daten bescheinigten der Hormonersatztherapie sogar ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, obwohl bei Studienbeginn vom Gegenteil ausgegangen wurde, wollte man doch eigentlich den protektiven Effekt einer HRT für kardiovaskuläre Ereignisse nachweisen. „Je jünger die Patientinnen bei Therapiebeginn sind, umso eher profitieren sie kardiovaskulär davon, je älter umso weniger“, so Dadak. Da der Anteil der älteren Patienten in der WHI-Studie relativ hoch war, fielen auch die Ergebnisse dementsprechend aus. Dadak weiter: „Man weiß heute, dass Patientinnen, bei denen man mit einer HRT innerhalb der ersten fünf Jahre nach Beschwerdebeginn anfängt, einen kardiovaskulären Nutzen aus der Therapie ziehen, ältere Patienten jedoch nicht.“

In der Vergangenheit kam es vor allem in den USA, aber auch in Europa zur Vermarktung der HRT unter Lifestyle-Aspekten. In den 1990ern war es durch das Aufkommen der Knochendichtemessung üblich, Frauen vermehrt auf ihr Osteoporoserisiko zu untersuchen. Ein Abfall der Knochendichte in den Wechseljahren wurde oft auch ohne Vorhandensein von Beschwerden mit einer Hormonersatztherapie behandelt. Auch die Erhaltung von Jugendlichkeit und Gesundheit wurde mit einer HRT assoziiert, sie wurde als „Jungbrunnen“ beworben. Damals wusste man noch nichts über die Risiken, die eine HRT ohne gerechtfertigte Indikation mit sich bringen kann. „Die Behandlung mit Hormonen ist keine Lifestyletherapie, wie jede medizinische Behandlung braucht sie eine Indikation. Diese Indikation ist nicht einfach das Alter oder das Ausbleiben der Regelblutung, davon ist man längst abgegangen. Früher wurde es in vielen Ländern als Kunstfehler angesehen, Frauen keine HRT zu verschreiben. Aber das war nicht überall so. Frauen nicht zu behandeln, die unter den Symptomen der Wechseljahre leiden, wäre allerdings falsch. Wenn wirklich Östrogenmangel besteht, soll therapiert werden. Zur Osteoporoseprophylaxe allerdings gibt es auch andere Mittel, wie Calcium und Vitamin D-Präparate“, erklärt Wildt.

Man solle aber auch nicht aus Angst vo Risiken Frauen an klimakterischen Beschwerden leiden lassen. Es gebe derzeit keine besser wirkenden Präparate für die Behandlung von Wechseljahrbeschwerden. Nicht-medikamentöse Therapien in Form von Phytopharmaka hätten keine nachgewiesene Wirkung auf die Hitzewallungen und böten keine Osteoporoseprophylaxe. Versuche mit Biofeedback oder Akupunktur könnten eventuell hilfreich sein.

HRT – die Anfänge

Erste Versuche, der physiologischen Senkung des Östrogenspiegels bei Frauen in den Wechseljahren entgegenzuwirken, stammen aus den 1920er Jahren. Der Einsatz der eigentlichen Hormonersatztherapie, kurz HRT (Hormone Replacement Therapy), begann jedoch erst in den 1960ern – etwa zeitgleich mit der Entwicklung der Antibabypille. Extrakte aus Stutenharn, die ein Gemisch von Östrogenen enthielten, wurden zur damals üblichen Monotherapie eingesetzt. Der reine Einsatz von Östrogenen führte jedoch dazu, dass es zu einer Erhöhung des Risikos, ein Endometriumkarzinom zu entwickeln, kam. Daher wird seit Ende der 1970er Jahre eine Östrogenmonotherapie nur noch bei Patientinnen angewandt, deren Gebärmutter bereits entfernt wurde. Stattdessen wurde die sequentielle HRT, eine Kombination aus Östrogenen und Gestagenen, zum Schutz des Endometriums eingeführt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2011