EHEC: Hochgradig ansteckend

10.06.2011 | Medizin

Hoch ansteckend, Antibiotika-resistent und lebensgefährlich – EHEC (Entero-hämorrhagische E. coli) zeichnen für mehr als 1.600 Infizierte und bereits 21 bestätigte Todesfälle allein in Deutschland verantwortlich – und die Zahlen steigen stetig. In Österreich wurden bislang nur „importierte“ Krankheitsfälle registriert.
Von Marion Huber

Ausgehend von Nord-Deutschland breitet sich EHEC in ganz Deutschland aus. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe (6. Juni) war laut einem Sprecher des niedersächsischen Gesundheitsministeriums „der Scheitelpunkt noch nicht erreicht“. Frauen sind insgesamt häufiger betroffen. Nach den ersten Erkrankungen in Deutschland wurden Krankheitsfälle auch in anderen europäischen Staaten, darunter Schweden, Dänemark und Frankreich, verzeichnet; aus Schweden wurde das erste Todesopfer außerhalb Deutschlands, ebenfalls eine Frau, gemeldet. Die meisten EHEC-Fälle im Ausland betreffen offenbar Reisende, die aus Deutschland in ihre Heimatländer zurückkehren. Bis dato wurden insgesamt 71 EHEC-Infektionen sowie 31 Fälle von HUS (Hämolytisch-urämisches Syndrom) aus elf europäischen Ländern außer Deutschland gemeldet. Eine gehäufte Anzahl von Infektionen wurde in Schweden sowie in Dänemark verzeichnet.

Die Infektionsquelle der Epidemie war zunächst noch unklar. EHEC-Bakterien, die vor allem im Kot von Wiederkäuern vorkommen, sind sowohl durch direkten Kontakt mit Tieren, von Mensch zu Mensch als auch durch den Verzehr von Obst und Gemüse übertragbar. Nachdem deutsche Forscher zunächst Salatgurken aus Spanien als Träger des Erregers identifiziert hatten, ergab eine Laboruntersuchung schließlich, dass der EHEC-Erreger auf den Gurken nicht mit dem Ausbruchstamm, der die Epidemie in Deutschland ausgelöst hat, übereinstimmt. Auch der Verdacht, dass möglicherweise Sprossen die Infektionsquelle sind, hat sich nicht bestätigt. Die Quelle der Infektion ist demnach noch nicht identifiziert.

Verluste für die Landwirtschaft

Spanien indessen hat aufgrund der deutschen Vorgehensweise in diesem Fall nun in Erwägung gezogen, bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen die Berichte über die Kontaminierung spanischer Gurken einzulegen: Deutschland hätte mit seiner Vorgangsweise, zuerst an die Presse zu gehen und erst dann die Instanzen der EU zu benachrichtigen, gegen EU-Regeln verstoßen. Außerdem fordert Spanien von der EU Entschädigungen für alle europäischen Landwirte, die wegen der EHEC-Epidemie Verluste erleiden. Russland wiederum hat einen Import-Stopp für Gemüse aus allen EU-Ländern verhängt.

Auch 33 österreichische Biohändler hatten von zwei deutschen Großhändlern Gemüse der betroffenen spanischen Unternehmen bezogen. Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) startete daraufhin eine Rückrufaktion. Die Konsumenten wurden aufgefordert, spanische Gurken, Tomaten und Melanzani aus den betroffenen Geschäften keinesfalls zu verzehren, sondern sofort zu vernichten. Gesundheitsminister Alois Stöger zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass die Gefahr des EHEC-Erregers in Österreich durch umfassende Kontrollen gebannt werden kann.

Im Unklaren war man bei der Epidemie in Deutschland anfangs auch bezüglich des Erreger-Typs. Denn: Obwohl EHEC-Erkrankungen jedes Jahr immer wieder auftreten, wurde die aktuelle Epidemie durch eine seltene, veränderte Variante des Erregers ausgelöst. Experten der Universität Münster gelang es schließlich, den Keim zu identifizieren: Es handelt sich um einen EHEC-Keim der Serogruppe O104. Das große Problem an diesem Ausbruchstamm: Ihm fehlt ein bestimmtes Gen, das in 95 Prozent der EHEC-Keime vorkommt.

Der Erreger gehört zu den Shiga-Toxin-bildenden E. coli (STEC). Insgesamt gibt es rund 250 verschiedene E. coli O Serogruppen, die Shiga-Toxin bilden; als klinisch bedeutendstes Serovar gilt E. coli O157:H7. Der STEC-Erreger ist hochgradig infektiös: Bereits weniger als 100 Keime reichen für eine Infektion aus. Die Inkubationszeit kann zwischen drei bis acht Tagen liegen. STEC-Infektionen manifestieren sich durch akute Gastroenteritis, oft begleitet von leichtem Fieber. Bei schwerem Krankheitsverlauf kann es sogar zu einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) kommen. Im Kampf gegen diese schwere Komplikation könnte offenbar ein neues Medikament, Eculizumab, Erfolg versprechend sein.

Hygiene essentiell

Welche Maßnahmen sind nun vom Arzt bei Verdacht auf eine EHEC-Infektion zu setzen? „Bei einem begründeten Verdacht, das heißt Durchfall und Übelkeit, zunehmende krampfartige Bauchschmerzen und auch Blut im Stuhl, sollte ein Stuhl zur mikrobiologischen Untersuchung inklusive Toxin-Nachweis eingeschickt werden“, rät Univ. Prof. Florian Thalhammer von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin am AKH Wien. Durch eine Blutabnahme könnten außerdem eine Anämie, eine Thrombopenie beziehungsweise Fragmentozyten nachgewiesen und eine eingeschränkte Nierenfunktion diagnostiziert werden. Thalhammer weiter: „Da die Gabe von Antibiotika kontraindiziert ist – sie würde zu einer vermehrten Toxin-Freisetzung und einer aggravierten Toxinwirkung führen – beschränkt sich die Therapie auf ein symptomatisches Vorgehen.“ Optimales Flüssigkeits- und Elektrolytmanagement stehen dabei im Vordergrund; im Einzelfall kann die Gabe von Erythrozyten- oder Thrombozytenkonserven, bei manchen Patienten auch eine Dialyse, notwendig werden. Thalhammer mahnt besonders, die Hygienevorgaben genauestens einzuhalten: „Die Patienten müssen auch aus Krankenhaus-hygienischer Sicht zur Vermeidung der Mensch-zu-Mensch-Infektion auf die Notwendigkeit des Händewaschens hingewiesen werden.“ Denn die Infektiosität bestehe, solange EHEC-Bakterien im Stuhl nachgewiesen werden können, also von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen. Auch das Waschen von Obst und Gemüse sowie das Durchgaren von faschiertem Rindfleisch erachtet Thalhammer als „essentiell“.

Die „derzeit ausbruchsartig“ in Deutschland auftretenden Erkrankungsfälle bereiten jedenfalls auch den österreichischen Überwachungsbehörden Sorgen, wie es dazu in einer Stellungnahme aus dem Gesundheitsministerium heißt. Die Situation werde aufmerksam beobachtet, obwohl der deutsche Bakterienstamm in Österreich noch nie nachgewiesen wurde. Ende Mai wurden schließlich auch hierzulande zwei Krankheitsfälle diagnostiziert. Aber: Die beiden deutschen Radurlauber, die in Oberösterreich positiv auf den Erreger getestet wurden, dürften sich bereits in Deutschland infiziert haben. Auch Thalhammer beruhigt diesbezüglich: „In Österreich wurden bisher keine autochthonen EHEC-Fälle beschrieben. Die hierzulande gemeldeten Fälle haben sich nachweislich in Deutschland angesteckt. Dass es zum Auftreten weiterer importierter Fälle kommt, kann man aufgrund der großen Mobilität der heutigen Zeit aber nicht ausschließen.“

Details über EHEC

EHEC-Keime sind eine seltene, lebensgefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli und hoch ansteckend. Die Inkubationszeit kann zwischen drei und acht Tagen liegen. EHEC-Infektionen können symptomlos verlaufen, aber auch zu blutigen Durchfällen und in fünf bis zehn Prozent der Fälle zum hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) führen.

Die Bakterien kommen normalerweise im Darm von Wiederkäuern vor und sind durch direkten Kontakt mit Tieren, durch Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln und von Mensch zu Mensch übertragbar. Durch gründliche Hygiene (Händewaschen, Reinigung von Gemüse etc.) und Abkochen von Lebensmitteln kann eine Ansteckung verhindert werden.

Die aktuelle EHEC-Epidemie wird durch einen Keim der Serogruppe O104 ausgelöst, der durch ein fehlendes Gen gegen Penicillin und gewisse Antibiotika resistent ist.

Aktuelle Informationen gibt es auf der Homepage des Gesundheitsministeriums unter
www.bmg.gv.at

Anzeigepflicht

Gemäß Epidemiegesetz unterliegen Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle bei EHEC-Infektionen der Anzeigepflicht.

Tipp:

„Giftiger Samstag“ zum Thema „E. coli und EHEC
Datum: 2. Juli 2011
Ort: Technisches Museum Wien, Mariahilfer Straße 212, 1140 Wien
Weitere Informationen:
www.infektiologie.co.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2011