Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Visionen sehen anders aus

15.12.2010 | Standpunkt

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Es gibt viele Dinge im Leben, die nach eindeutig festgelegten Kriterien geplant und auch gefertigt werden können: So ist es in der Industrie. Ganz anders verhält es sich jedoch bei einem Menschen, in besonderer Weise bei seiner Gesundheit – eine höchst individuelle und auch sehr persönliche Angelegenheit. Dass dieser in erster Linie an ökonomischen Überlegungen ausgerichtete Reformvorschlag des Hauptverbandes ein hoffnungsloses Unterfangen ist, muss an dieser Stelle wohl nicht weiter ausgeführt werden.

Es gibt vier große Bereiche, die im österreichischen Gesundheitswesen eine wichtige Position einnehmen: erstens der Bund, der für die Gesetzgebung zuständig ist; zweitens die Länder mit der Spitalsverwaltung und drittens die soziale Krankenversicherung, die sich im Hauptverband wiederfindet – sowie letztendlich wir alle als Leistungserbringer und die ÖÄK als wesentlichster Vertragspartner.

Warum ausgerechnet dieses „Diskussionspapier“ sich anmaßt, über allem zu stehen, kann von Ärztinnen und Ärzten und den anderen Gesundheitsdienstleistern nicht nachvollzogen werden – ganz besonders deswegen, da es ja vom Hauptverband präsentiert wurde, der ja seit mehr als zwei Jahren eine neue und grundlegende Vertragspartnerschaft auch mit der ÖÄK eingegangen ist.

Warum dieses Papier von Geld, Geld und wiederum nur Geld dominiert ist, kann ich beim besten Willen und gründlichster Nachforschung nicht nachvollziehen. Noch dazu, wo sich hier doch zahlreiche „alte Hüte“ darin wiederfinden.

Ich wünsche mir nicht, dass aufgrund einer solchen Aktion vielleicht irgendjemand auf die Idee kommt, dass wir den Hauptverband und auch die Sozialpartnerschaft, die sich ja sehr bewährt hat, nicht mehr brauchen.

Die „Schmankerl“ aus diesem Papier fasse ich kurz zusammen: Planungsgrundsätze sind verpflichtend zu befolgen. Die Gesundheitsdienstleister müssen verpflichtend an ELGA teilnehmen. Für spezielle kassenärztliche Leistungen sind verpflichtende Ausbildungen und Fortbildungen vorzusehen. Leitlinen – vor allem im Bereich von chronischen Erkrankungen – sind verbindlich anzuwenden und bei Nichtanwendung zu sanktionieren. Das Bezahlungssystem muss Qualitäts- und Ergebnis-orientierte Anreize vorsehen. E-Rezept und E-Medikation sind rasch einzuführen und von den Gesundheitsberufen verpflichtend anzuwenden. Die Ausbildung von Ärzten soll durch verpflichtende Weiterbildung modernisiert werden. Die Lehrpraxen sind durch die Sozialversicherung zu zertifizieren; sie erhält ein Mitspracherecht bei den Ausbildungsinhalten usw. usf.

Wenn man uns und alle anderen Betroffenen partnerschaftlich in die Entwicklung einbezieht, kann vielleicht doch noch ein echtes Reformpapier erarbeitet werden.

Walter Dorner
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2010