Standpunkt Vize-Präs. Harald Mayer: Demographischer Spitalsärzte-Crash

25.01.2010 | Standpunkt

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In der westlichen Welt bahnt sich schon seit längerem eine dramatische Entwicklung bei der Bevölkerungsstruktur an: Der Anteil der Jüngeren nimmt nahezu bedenklich rapide ab, während der Anteil der Älteren – nicht zuletzt aufgrund der steigenden Lebenserwartung – stetig zunimmt. Experten der verschiedensten Fachrichtungen werden nicht müde, auf diesen Umstand hinzuweisen.

Kaum Beachtung hingegen wird jedoch einem Umstand geschenkt, der sich innerhalb der Spitalsärzteschaft abspielt, und den wir von Seiten der Bundeskurie Angestellte Ärzte jetzt an die Spitze unserer Agenda gestellt haben: nämlich die demographische Struktur der Spitalsärzte. Rund ein Viertel der 16.400 Spitalsärztinnen und Spitalsärzte, die heute tätig sind, ist zwischen 40 und 50 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren gehen rund 3.000 Spitalsärzte in Pension. Anhand dieser Zahlen sieht man, was hier auf uns zukommt – speziell in der Inneren Medizin, der Chirurgie und der Anästhesie sind die Lücken prognostizierbar und schon jetzt absehbar. Wie soll der Spitalsbetrieb unter solchen Prämissen aufrecht erhalten werden? Denn schon jetzt fehlen in Österreichs Spitälern etwa 1.500 bis 2.000 Ärzte.

Es ist nur dem Engagement der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte zu verdanken, dass der Betrieb jetzt noch aufrecht erhalten werden kann. Denn in immer kürzerer Zeit müssen immer mehr Leistungen erbracht werden. Der Dauerstress, dem wir während der Nachtdienste ausgesetzt sind, fordert seinen Tribut – wie erst kürzlich auch in einer Studie der Medizinischen Universität Innsbruck nachgewiesen werden konnte. Die hohen Frequenzen in den Ambulanzen, aber auch der enorme Dokumentations- und Administrationsaufwand hat viele Kollegen an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit gebracht.

Die Bundeskurie Angestellte Ärzte wird sich im Jahr 2010 verstärkt mit der Arbeitssituation und auch mit künftigen Perspektiven von Spitalsärzten befassen und hier Alternativen aufzeigen. Wir müssen die Arbeitskraft unserer Kollegen erhalten. Es geht aber auch darum, die Erfahrung von älteren Ärzten zu nutzen – einerseits für die Ausbildung von jungen Kollegen, aber auch damit eine qualitativ hochstehende Patientenversorgung gesichert ist.

Der Beruf Spitalsarzt muss wieder attraktiv werden. Deswegen ist es mehr als überfällig, zeitgemäße Modelle der Personalorganisation und Personalentwicklung rasch umzusetzen und damit den steigenden Anforderungen, die laufend an Spitalsärzte gestellt werden, Rechnung zu tragen, und zwar für die verschiedenen Lebensabschnitte. Auch der ständig steigende Frauenanteil muss hier berücksichtigt werden.

In 18 Jahren ist es soweit, dann wird der dramatische Gipfel der Pensionierungswelle bei Spitalsärzten erreicht. Die Politik ist aufgerufen, das Denken in Wahlperioden hintan zu stellen und jetzt gegenzusteuern. Der demographische Wandel innerhalb der Gesellschaft ist nicht mehr aufzuhalten – gegen den drohenden demographischen Crash bei Spitalsärzten hingegen kann und muss man etwas tun.


Harald Mayer

2. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2010