Standpunkt – Vize-Präs. Artur Wechselberger: Datenschutz verlangt höchste Sensibilität

25.03.2010 | Standpunkt

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Das jüngst ergangene Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hat dem Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen vor diffusen Staatsinteressen Priorität eingeräumt, ohne allerdings die EU-Richtlinie – Grundlage für das in Deutschland seit 2008 geltende Gesetz – in Frage zu stellen.

Österreich, in der Umsetzung dieser Richtlinie 2006/24/EG noch säumig, diskutiert derzeit die Beschränkung auf eine Mindestumsetzung, um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Privatsphäre und dem öffentlichen Interesse an Ordnung und Sicherheit zu wahren. Die Speicherung darf, so der Entwurf, ausschließlich zum Zweck der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten erfolgen. Der gespeicherte Inhalt soll sich auf die Daten der Telefonpartner, die besuchten Websites oder die E-Mail-Adressaten beschränken und nach sechs Monaten gelöscht werden.

So hofft man, das Dilemma zwischen Einhaltung der Menschenrechte und der EU-Forderung nach Überwachungsmaßnahmen lösen zu können. Nach dem Urteil in Deutschland müssen dort alle auf Vorrat gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht werden.

Beides, die Entscheidung der Karlsruher Richter wie auch die schon lange dauernde Diskussion um die Umsetzung der EU-Richtlinie in Österreich, zeigen die tiefgreifende Problematik im Einsatz von technisch Möglichem gegenüber dem Schutz der Rechte des Individuums auf.

Fragen der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz über gespeicherte Daten und des Schutzes der Bürger vor willkürlicher und missbräuchlicher Verwendung dieser Daten, müssen auch im Gesundheitsbereich höchste Priorität haben. Die hier angehäuften und zukünftig im Rahmen der elektronischen Gesundheitsdatenakte ELGA auch landesweit und über das europäische E-Health-Projekt epSOS (European Patients Smart Open Services) international verfüg- und verknüpfbaren, hochsensiblen Patientendaten erfordern besonderen Schutz.

Wie steht es aber wirklich mit dieser Priorität für den Datenschutz? Es greift sicherlich zu kurz, nur fortschrittverliebten Technikern und Elektronikexperten mangelhafte Sensibilität gegenüber dem Datenschutz zu unterstellen. Auch politische Entscheidungsträger und hochrangige Bürokraten sind nicht davor gefeit, den Datenschutz ihrem Wunsch nach Innovationen hintanzustellen. Ich erinnere mich noch gut an Aussagen, die den in Fragen des Datenschutzes ängstlichen Österreichern einen Paradigmenwechsel hin zu einem unkritischeren Umgang mit personenbezogenen Daten empfahlen. Selbst in Einrichtungen des Gesundheitswesens ist der Umgang mit dem Berechtigungsregelwerk oft sehr salopp. Davon zeugen nicht zuletzt die Zugriffshäufigkeiten auf die Krankenakten prominenter Patienten.

Auch in der Konzeption von E-Medikation, dem ersten ELGA-Projekt, ist der Datenschutz ein Thema. Unbestritten ist dabei die Grundvoraussetzung der dezidierten Zustimmung der Patienten in der Pilotphase. Dieser Freiheit zur Teilnahme oder Nichtteilnahme soll im erwarteten ELGA-Gesetz eine Opting out-Regelung Rechnung tragen. Uneinheitlicher sind die Meinungen schon zur Dauer der Speicherung der Medikationsdaten. Diskutiert wird die Frage, ob diese nach einer gewissen Zeit tatsächlich endgültig gelöscht oder nur nicht mehr angezeigt werden. Auch die Verwendung der Daten über die Patientenbehandlung hinaus ist ein Thema. Von der rein statistischen Auswertung als Grundlage gesundheitspolitischer Entscheidungen bis zur Befriedigung ökonomischer Interessen reicht hier die Phantasie. Genauso phantasievoll wie die Frage, ob man die Daten derer, die aus dem System herausoptieren, nicht trotzdem – allerdings unsichtbar – speichern könnte. Auf Vorrat eben.


Artur Wechselberger

1. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2010