The­ra­pie Aktiv: Dia­be­tes im Griff

25.11.2010 | Politik


Pro­gno­sen zufolge wird 2050 jeder fünfte über 45-jäh­rige Öster­rei­cher an Dia­be­tes lei­den. Das Dise­ase Manage­ment Pro­gramm „The­ra­pie Aktiv” soll die­ser Ent­wick­lung ent­ge­gen­wir­ken und eine best­mög­li­che Ver­sor­gung der bereits Betrof­fe­nen garan­tie­ren.

Von Bir­git Oswald

Zur Zeit sind öster­reich­weit rund 600.000 Men­schen von Dia­be­tes betrof­fen, nur 420.000 wis­sen von ihrer Erkran­kung, wie Exper­ten im Rah­men eines Pres­se­ge­sprächs im Novem­ber in Wien erklär­ten. Um die­ser Ent­wick­lung ent­ge­gen­zu­wir­ken ent­stand in einer Koope­ra­tion der ÖÄK mit der Öster­rei­chi­schen Sozi­al­ver­si­che­rung, dem Gesund­heits­mi­nis­te­rium, der Öster­rei­chi­schen Dia­be­tes­ge­sell­schaft und ande­ren Dia­be­tes-Fach­ge­sell­schaf­ten das Dise­ase Manage­ment Pro­gramm (DMP) „The­ra­pie Aktiv“, wel­ches ers­ten Unter­su­chun­gen zufolge posi­tive Effekte zeigt.

Vor allem dem unge­sun­den Lebens­stil sei es zuzu­schrei­ben, dass bereits 90 Pro­zent der Dia­be­tes-Betrof­fe­nen an „Alters­dia­be­tes” lei­den, dar­un­ter immer mehr Kin­der, erklärte der Kuri­en­ob­mann der nie­der­ge­las­se­nen Ärzte, Gün­ther Waw­row­sky. „Allein durch die Ände­rung unse­rer Lebens­ge­wohn­hei­ten ist aber eine Sen­kung der Dia­be­tes­in­zi­denz um 50 Pro­zent zu erwar­ten“, so Waw­row­sky. Den­noch las­sen Pro­gno­sen nichts Gutes erah­nen: Bereits 2050 wird jeder fünfte über 45-jäh­rige Öster­rei­cher an Dia­be­tes lei­den. „Die Zah­len sind erschre­ckend. Kein Gesund­heits­sys­tem kann eine der­ar­tige Belas­tung stem­men, nicht zu reden vom mensch­li­chen Leid“, so der Kuri­en­ob­mann wei­ter. Das DMP würde gesamt gese­hen zu nied­ri­ge­ren Gesamt­kos­ten bei­tra­gen. Durch die erhöhte Betreu­ungs­in­ten­si­tät stei­gen zwar im nie­der­ge­las­se­nen Bereich die Kos­ten; aller­dings wird der sta­tio­näre Bereich erheb­lich ent­las­tet, wie der Vor­sit­zende des Ver­bands­vor­stan­des im Haupt­ver­band der öster­rei­chi­schen Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger, Hans-Jörg Schel­ling, betonte.

Prak­ti­sche Umsetzung

Wie „The­ra­pie Aktiv“ in der Pra­xis funk­tio­niert, erläu­terte Jörg Pruck­ner, Obmann der Bun­des­sek­tion All­ge­mein­me­di­zin und stell­ver­tre­ten­der Obmann der Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte. Das DMP hat sich unter ande­rem zum Ziel gesetzt, Betrof­fene aktiv in die Betreu­ung zu inte­grie­ren. „Der Dia­be­ti­ker trägt sich bei sei­nem Arzt, der eine spe­zi­elle Schu­lung absol­viert hat, in das DMP ein. Gemein­sam wer­den dann Behand­lungs­ziele ver­ein­bart. Die betref­fen einer­seits medi­zi­ni­sche Kom­po­nen­ten wie etwa den HbA1c-Wert, den Cho­le­ste­rin-Spie­gel oder den Blut­druck, aber auch Lebens­sti­län­de­run­gen“, so Pruck­ner. Der Pati­ent hat zu den regel­mä­ßi­gen ärzt­li­chen Unter­su­chun­gen immer sei­nen Dia­be­tes-Pass, in dem die wich­tigs­ten Daten erfasst wer­den, mit­zu­brin­gen. „Ich habe die Erfah­rung gemacht, dass Dia­be­ti­ker ohne das DMP ledig­lich ein­mal im hal­ben Jahr zur Kon­trolle kom­men, sonst holen sie sich nur ihre Rezepte ab“, schil­derte Pruck­ner, der selbst 25 Dia­be­ti­ker im Rah­men des Pro­gramms betreut. Die regel­mä­ßi­gen Unter­su­chun­gen seien Aus­schlag gebend, um Spät­fol­gen zu vermeiden.

Aus dem Pro­gramm lässt sich laut Schel­ling bereits ein posi­ti­ves Resü­mee zie­hen, vor allem auch des­halb, weil die indi­vi­du­el­len Lebens­um­stände der Betrof­fe­nen beach­tet wer­den: „87 Pro­zent der Teil­neh­mer gaben in einer Befra­gung an, ihren Lebens­stil seit der Teil­nahme ver­än­dert zu haben. 91 Pro­zent ernäh­ren sich gesün­der, 74 Pro­zent machen mehr Bewe­gung, 24 Pro­zent rau­chen weni­ger bis gar nicht mehr.“ Erste Eva­lua­tio­nen in Salz­burg und der Stei­er­mark zei­gen, dass sich bei DMP-Teil­neh­mern alle medi­zi­nisch rele­van­ten Para­me­ter sta­tis­tisch signi­fi­kant posi­tiv ver­än­dert haben, die Wahr­schein­lich­keit für Spät­schä­den redu­zierte sich ebenso, wie Gert Klima, ärzt­li­cher Lei­ter der stei­er­mär­ki­schen Gebiets­kran­ken­kasse, hinzufügte.

Aktu­ell neh­men rund 21.000 Betrof­fene öster­reich­weit an einem DMP teil. Die Zahl könnte aber laut Pruck­ner bei wei­tem höher sein, wäre etwa der Arzt­be­such bei den klei­nen Kas­sen nicht zu bezah­len. Um Pati­en­ten zur Teil­nahme zu moti­vie­ren, schlägt Pruck­ner etwa einen Anreiz für die Teil­nahme vor. Sicher­lich wäre es gut, wenn zusätz­li­che qua­li­fi­zierte Mit­ar­bei­ter in Ordi­na­tio­nen tätig wer­den, so Pruck­ner, denn „mit unse­rem Ein­zel­kämp­fer­tum wer­den wir den Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft nicht gewach­sen sein“.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2010