SVA: Gipfel ohne Ergebnis

25.05.2010 | Politik


Keine Annäherung gab es bei einem ersten Gipfelgespräch der Spitzenvertreter von ÖÄK und SVA. Knackpunkt dabei: Die Vertreter der SVA rücken nicht von ihrem Ziel ab, die SVA-Tarife an das Niveau der Tarife der GKK anzunähern.

Von Agnes M. Mühlgassner

In einem offenen Brief an Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl – in seiner Funktion als Obmann der SVA – forderten die ÖÄK-Spitzen Präsident Walter Dorner und Niedergelassenen-Kurienobmann Günther Wawrowsky auf, nun endlich wirkliche Verhandlungen aufzunehmen. Im Brief hieß es wörtlich: „Kommen Sie persönlich an den Verhandlungstisch und setzen Sie Ihr ganzes Gewicht als Obmann der SVA für eine Lösung ein“.

Das Gipfelgespräch am 19. Mai, an dem neben Dorner, Wawrowsky und Leitl auch Martin Gleitsmann teilnahm, brachte die Verhandlungspartner jedoch nicht näher zusammen, wie Günther Wawrowsky erklärte: „Wir sind weiterhin sehr weit voneinander entfernt“. Der ÖÄK-Präsident bezeichnete den Abstand der Positionen der beiden Verhandlungspartner gar als „Schluchten“. Dorner weiter: „Wir sind uns über weite Strecken nicht näher gekommen. Die Vorschläge, die man uns von Seiten der SVA gemacht hat, kann man sicher nicht in zwei Minuten abhandeln. Das wird sich vor dem 1. Juni einfach nicht mehr ausgehen.“ Die Vertreter der SVA präsentierten bei diesem Gespräch ein völlig neues Papier mit dem Argument, den SVA-Versicherten eine „fortschrittliche, moderne und flexible Versorgung“ gewährleisten zu wollen. Dieser neue Vorschlag hätte bis Jahresende konkretisiert und ausgearbeitet werden sollen; bis dahin hätte – so die Vorstellungen von Leitl und Gleitsmann – ein Moratorium gelten sollen. Das heißt: Abrechnung zu den gleichen Tarifen wie bisher. Hier drängt sich unweigerlich die Frage auf: Geht sich das noch aus bis Ende Mai und: Wie geht es überhaupt weiter? Günther Wawrowsky ist skeptisch, ebenso auch Walter Dorner: „Wunder gibt es nur in Lourdes“. Vereinbart wurde jedoch ein neues Spitzengespräch in der gleichen Zusammensetzung, und zwar für den 25. Mai.

Bekanntlich haben die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte vier Jahre lang ein Honorarmoratorium in Kauf genommen und somit zur Kostendämpfung bei der SVA im Ausmaß von rund 38 Millionen Euro beigetragen. „Deswegen kommt ein weiteres Moratorium für uns nicht in Frage“, bekräftigte Wawrowsky. Und Dorner wiederum räumte mit der Mär von den überhöhten SVA-Tarifen auf: „Die Kopfquote der ärztlichen Hilfeleistung pro Jahr betrug im Jahr 2008 bei der Wiener GKK 505 Euro, bei der SVA 502 Euro.“ Auch ist der Anteil der ärztlichen Honorare an den Gesamtausgaben der SVA von 85 Prozent im Jahr 1997 auf 62 Prozent im Jahr 2008 stark abgesunken. Ärztliche Honorare sind also offenkundig bei weitem nicht die stärksten Kostentreiber der SVA.

Wie der Kurienobmann der Niedergelassenen gegenüber der ÖÄZ erklärte, sei die SVA beim Gipfelgespräch „keinen Millimeter“ von ihrem Plan abgerückt, im Rahmen eines mehrjährigen „Finanzpfades“ die Tarife der SVA an jene der GKK nahezu anzugleichen. Das hieße in Niederösterreich zum Beispiel 7,70 Euro für die Ordination! Für Wawrowsky „undenkbar“. Ganz grundsätzlich handelt es sich hier um „einschneidende Dinge, bei denen wir nicht mitgehen können“, wie der Kurienobmann erklärte. „Wir wollen für unsere ärztliche Leistung ein respektables Honorar bekommen, nicht mehr und nicht weniger“.

Wawrowsky rät indessen den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, sich darauf einzustellen, dass ab 1. Juni die vertragsfreie Zeit gilt. Die Honorarordnung und detaillierte Informationen über die vertragsfreie Zeit gibt es in der Sonderausgabe der ÖÄZ vom 18. Dezember 2009. Sie steht als Download unter www.sva-vertragsfreie-zeit.at zur Verfügung.

Drei spezielle Formulare für die vertragsfreie Zeit sind demnächst online erhältlich; die Links dafür werden Ärzten über den aktuellen Newsletter sowie über die Landesärztekammern übermittelt. Formular eins stellt die Honorarnote für den vertragslosen Zustand dar und enthält gleichzeitig – als Service für den Patienten – den Antrag auf Kostenrückerstattung. Das zweite Formular dient der Ausstellung von Privatrezepten – ebenfalls mit einem Antrag auf Kostenrückerstattung. Mit dem „Mehrzweckformular“ ist sowohl eine Überweisung, Einweisung, als auch ein Krankentransport möglich; ebenso eine augenärztliche Verordnung.

Weiters gibt es auf der Homepage www.sva-vertragsfreie-zeit.at ein Informationsblatt für Patienten zum Download mit allen relevanten Informationen zur vertragsfreien Zeit und diversen Hilfestellungen.

Vor Lockversuchen der SVA, Einzelverträge mit der SVA abzuschließen, kann ÖÄK-Rechtsexperte Johannes Zahrl nur warnen: „Wer sich auf ein solches Angebot einlässt, sollte wissen, dass man sich damit voll und ganz der Willkür der SVA ausliefert“. Wawrowsky ergänzt: „Man verlässt mit einem solchen Verhalten den solidarischen Schutzbereich der gesamten Ärzteschaft“. Noch dazu habe die SVA einen Versorgungsauftrag; diesen mit „einzelnen Ärzten“ abdecken zu wollen, sei kurzsichtig.

In der vertragsfreien Zeit müssen die Patienten beim Arztbesuch zahlen – und bekommen dann 80 Prozent des Kassentarifes für die entsprechende medizinische Leistung rückerstattet. Es ist offensichtlich, dass dies einen enormen administrativen Mehraufwand für die SVA bedeutet – sucht sie ja bereits seit einigen Wochen in regionalen Zeitungen per Inserat weitere Mitarbeiter für die Administration. Die Kosten, die daraus zusätzlich für die Verwaltung resultieren, liegen jährlich bei rund 7,2 Millionen Euro. „Das ist wesentlich teurer, als würde man sich zu unseren Konditionen einigen“, so Wawrowsky.

Schon im Vorfeld des Gipfels hatte Gesundheitsminister Alois Stöger die beiden Verhandlungspartner gemahnt, noch vor dem 1. Juni zu einer Lösung zu kommen. Über die Austria Presse Agentur (APA) richtete er beiden Parteien aus: „Die Sozialpartnerschaft hat den Mai zu nutzen“. Der Minister kündigte auch an, sich selbst einschalten zu wollen, wenn es im Mai zu keiner Lösung kommen sollte. Inhaltlich würde er sich nicht einmengen, so Stöger. Er könne sich jedoch viele Schritte vorstellen. Einer davon könnte auch sein, beide Seiten zu sich ins Ministerium zu zitieren.

„Wir wollen für unsere ärztliche Leistung ein respektables Honorar“
Günther Wawrowsky

„Wir sind uns über weite Strecken nicht näher gekommen“
Walter Dorner

„Einzelverträge im vertragslosen Zustand sind rechtswidrig“
Johannes Zahrl

 

 

Einzelvertrag in der vertragsfreien Zeit?

Von den drei Möglichkeiten der Abrechnung in der vertragsfreien Zeit – Einzelvertrag, Abrechnung wie bisher und Zession – rät ÖÄK-Jurist Johannes Zahrl dringend ab.
Variante 1) Abrechnungsvereinbarung: Auf der Homepage der SVA ist diese Vereinbarung für Ärzte verfügbar; der Vertrag wird unterschrieben an die SVA retourniert. Dabei handelt es sich um einen umfangreichen Vertrag mit zahlreichen Pflichten für den Arzt. Dazu die Beurteilung des Rechtsexperten Johannes Zahrl, stellvertretender Kammeramtsdirektor der ÖÄK: „Diese Vereinbarung ist rechtswidrig, denn Einzelverträge im vertragslosen Zustand sind rechtswidrig.“

Variante 2) Die Ärzte sollen Abrechnungen wie bisher an die SVA übermitteln. Die Beurteilung von Johannes Zahrl: „Dabei begeben sich die Ärzte in die völlige Willkür der SVA. Diese kann jederzeit einseitig die Honorare absenken oder auch den Vertrag kündigen.“ Auf der Homepage der SVA findet sich eine entsprechende Honorarordnung; dabei handelt es sich um die alten Tarife, die um vier Prozent angehoben wurden. „Pikanterweise hat der SVA-Vorstand genau dieses Angebot im September abgelehnt, was letztlich zur jetzigen Situation geführt hat.“

Variante 3) Zession = Forderungsabtretung: Der Patient händigt dem Arzt eine schriftliche Zessionserklärung aus, mit der der Patient die Erstattungsansprüche an den Arzt abtritt. „Diese Variante wird an der Bürokratie scheitern“, davon ist der Jurist Zahrl überzeugt. 

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2010