Phar­ma­for­schung in Öster­reich: „Fast ein Entwicklungsland”

25.04.2010 | Politik

In Europa kom­men 3,5 Pro­zent jeg­li­cher Pro­dukt­leis­tung von der Phar­ma­in­dus­trie. 117.000 Men­schen arbei­ten euro­pa­weit in der ent­spre­chen­den For­schung, 2,5 Mil­lio­nen Arbeits­plätze hän­gen direkt oder indi­rekt von ihr ab. Und den­noch wird sie zumeist noch immer scheel ange­se­hen.
Von Ruth Mayr­ho­fer

Inno­va­tio­nen – also das Ergeb­nis von Phar­ma­for­schung – wer­den noch viel zu oft als Kos­ten­trei­ber gese­hen“, kri­ti­sierte Chris­toph Sau­er­mann, bis Anfang April 2010 Prä­si­dent des FOPI (Ver­ban­des der for­schen­den Phar­ma­in­dus­trie) kürz­lich bei einer Ver­an­stal­tung in Wien. Viel zu wenig würde dar­über gere­det, wel­chen hohen Wert neue Arz­nei­mit­tel für die Pati­en­ten, aber auch für die Volks­wirt­schaft hät­ten. Auch die Grund­vor­aus­set­zun­gen, um Inno­va­tio­nen zu för­dern, seien in Europa nur unzu­läng­lich gege­ben, also: zuver­läs­sige Rah­men­be­din­gun­gen, eine faire Hono­rie­rung und ein sta­bi­ler und siche­rer Markt, der es erlaubt, Mit­tel in die For­schung zurück flie­ßen zu las­sen. „In Europa leben wir in einem gesell­schaft­lich restrik­ti­ven Umfeld. Im Gegen­satz zu den USA muss man sich hier recht­fer­ti­gen, wenn Inno­va­tio­nen gelin­gen“, ärgert sich Sauermann.

Wie in vie­len ande­ren Fäl­len auch, dreht sich genauso bei der For­schung viel um Geld. Das in Wien ange­sie­delte For­schungs­in­sti­tut IMBA etwa erhält – seit Jah­ren unver­än­dert – 7,1 Mil­lio­nen Euro pro Jahr an Bud­get. Im Gegen­satz dazu wird an der Zür­cher ETH jähr­lich eine Mil­li­arde Euro für Grund­la­gen­for­schung zur Ver­fü­gung gestellt. „Da kön­nen wir in Öster­reich nicht mit­hal­ten“, stellt Univ. Prof. Josef Pen­nin­ger, Direk­tor des IMBA, fest. „Auch wir müs­sen inves­tie­ren, um wett­be­werbs­fä­hig blei­ben zu kön­nen!“ Mit zwei oder drei Mil­lio­nen Euro pro Jahr, so Pen­nin­ger, könnte sich in Öster­reich ein moder­nes Stamm­zel­len-Zen­trum ent­wi­ckeln, doch ohne Geld? „Hier wer­den große Chan­cen ver­ge­ben“, bedau­ert der Wis­sen­schaf­ter. „Im inter­na­tio­na­len Ver­gleich ist Öster­reich in Sachen For­schung fast ein Ent­wick­lungs­land“. Im Gegen­satz dazu habe Sin­ga­pur „Mil­li­ar­den in die Hand genom­men“, um in For­schung und Ent­wick­lung zu inves­tie­ren; als Folge davon hät­ten eine ganze Reihe von Phar­ma­un­ter­neh­men ihre For­schung dort­hin aus­ge­la­gert. Und auch China ruht nicht, wenn es darum geht, For­schung ins Land zu bekom­men: So erwar­tet Pen­nin­ger, dass es schon bald das füh­rende Land sein wird, wenn es um die Erfor­schung von Human­se­quen­zen geht.

„Wir wol­len in Öster­reich einen For­schungs- & Ent­wick­lungs-Clus­ter“, wünscht sich Niko­laus Zach­erl von der Arbeits­ge­mein­schaft Aus­trian Bio­tech Indus­try (ABI). Mit dem gesetz­li­chen Rah­men – dem Gen­tech­nik­ge­setz – ließe sich wohl leben, die Gen­tech­nik sei gesell­schaft­lich akzep­tiert, wenn es auch im Rah­men der prä­na­ta­len Dia­gnos­tik bezie­hungs­weise der Stamm­zel­len­for­schung noch immer häu­fig unre­flek­tierte Dis­kus­sio­nen gäbe. „Die Stamm­zel­len­for­schung ist ja nicht ver­bo­ten“, erklärt Zach­erl, „aber jeder, der sie tut, ris­kiert Dis­kri­mi­nie­run­gen“. Daher müsse hier, so Zach­erl, sei­tens der öffent­li­chen Hand gemein­sam mit der Gesell­schaft ein posi­ti­ver Rah­men geschaf­fen wer­den, damit Pharma-Inno­va­tio­nen auch auf die­sen Gebie­ten statt­fin­den kön­nen und in dem „in Frei­heit und ohne Dik­tat“ For­schung statt­fin­den kann. Um die Attrak­ti­vi­tät des Stand­or­tes Öster­reich zu erhö­hen, seien sowohl höhere direkte und indi­rekte For­schungs­för­de­run­gen als auch eine zuneh­mende Bere­chen­bar­keit der Rah­men­be­din­gun­gen des Mark­tes aus­schlag­ge­bend. Um mög­lichst viele Kom­pe­ten­zen in Öster­reich zu ver­ei­nen und wirk­lich inno­va­tive For­schung zu betrei­ben, ist die Zusam­men­ar­beit zwi­schen ange­wand­ter For­schung und Grund­la­gen­for­schung wesent­lich. „Nur im gemein­sa­men Dia­log zwi­schen Poli­tik und Indus­trie kön­nen die Vor­aus­set­zun­gen und die Rea­li­sie­rung von Inno­va­tio­nen geschaf­fen und Wett­be­werbs­de­fi­zite aus­ge­gli­chen werden“. 

Neuer FOPI-Vor­stand


Mit 1. April 2010 wurde Simone Thom­sen, Geschäfts­füh­re­rin von Eli Lilly Öster­reich, zur Prä­si­den­tin des FOPI bestellt.
Sie folgt damit Chris­toph Sau­er­mann von Wyeth nach. Die 41jährige, gebür­tige Deut­sche, ist Betriebs­wir­tin und Japa­no­lo­gin. 1997 erfolgte ihr Ein­stieg in die Phar­ma­in­dus­trie bei Fre­se­nius in Deutsch­land, wo sie für das Mar­ke­ting in Ost­asien zustän­dig war. Seit April 2009 beklei­det Thom­sen in Wien die Posi­tion der Geschäfts­füh­re­rin der Eli Lilly Öster­reich Ges.m.b.H. Als neuer Vize­prä­si­dent fun­giert Ingo Rai­mon, Geschäfts­füh­rer von Abbott Öster­reich.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 8 /​25.04.2010