Osteoporose-Update: Auch Kinder betroffen

25.06.2010 | Politik

Die aktuelle Leitlinie der Initiative „Arznei & Vernunft“ enthält erstmals auch Experten-Empfehlungen zu Diagnose und Therapie der kindlichen Osteoporose.
Von Birgit Oswald

Nach Schweden und der Slowakei verzeichnet Österreich mit einer Frakturrate von 19,7 die meisten Osteoporose-Fälle in Europa. „Der österreichische Wert liegt demnach 6,2 über dem EU-Durchschnitt“, erläutert Jörg Pruckner, Obmann der Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer, bei der Präsentation der neuen Osteoporose-Leitlinie Ende Mai in Wien. Laut Pruckner ist jede achte Frau über 40 Jahren von Osteoporose betroffen, bei den über 80-Jährigen seien es bereits zwei Drittel. Selbst jeder 20. Mann über 40 leide an der Erkrankung. Hinter den Empfehlungen der Initiative „Arznei & Vernunft“ steht eine europaweit einzigartige Kooperation von Pharmig/Wirtschaftskammer, Österreichischer Ärztekammer und Apothekerkammer sowie Sozialversicherung, die gemeinsam über Prävention, Diagnose und Behandlung der Knochenbruchkrankheit informieren wollen.

Weil sogar Kinder von Osteoporose betroffen sein können, haben bei der aktuellen Leitlinie erstmals Pädiater mitgearbeitet. Dabei soll vor allem auf die spezielle Diagnose und Symptomatik, die sich stark von denen Erwachsener unterscheiden, aufmerksam gemacht werden. „Kinder dürfen nicht als kleine Erwachsene wahrgenommen werden. Ihr Stoffwechsel unterscheidet sich grundsätzlich von dem Erwachsener“, sagt Univ. Prof. Wolfgang Högler, Consultant Paediatric Endocrinologist am Birmingham Children’s Hospital. Die primäre angeborene Osteoporose, zu der etwa die Glasknochenkrankheit zählt, tritt laut dem Experten bei Kindern eher selten auf. Häufiger kommt die sekundäre Osteoporose vor, die oft als Folge von Leukämie, Krebs, Darmerkrankungen, Krankheiten der Kinder-Rheumatologie, Endokrinopathien, Anorexia nervosa, chronisch-inflammatorischen Erkrankungen, sekundären Malabsorptionssyndromen, Transplantationen, Urämie, Immobilisation, oder neuromuskulären Erkrankungen anzutreffen ist. Diese Kinder weisen oft Rückenschmerzen, häufige Bein- oder Armbrüche, sowie unerkannte Brüche der Wirbelkörper auf.

Die Besonderheiten der Therapie bei Kindern liegen in der genauen Beobachtung und Diagnose der Erkrankung, die bevorzugt von Kinder-Endokrinologen beziehungsweise erfahrenen Pädiatern in spezialisierten Zentren gestellt werden sollte. „Speziell die Knochendichtemessung bei Kindern kann ohne Erfahrung leicht zu einer Fehldiagnose führen. Auch die Behandlung des Vitamin D-Mangels unterscheidet sich von der der Erwachsenen“, ergänzt Högler. Der Vitamin D-Mangel, der bei Erwachsenen zu Muskel- und Knochenschwäche führt, kann bei Kindern zusätzlich Rachitis nach sich ziehen. „In Österreich werden Babys vorbeugend mit Vitamin D supplementiert, in Großbritannien etwa ist das nicht der Fall. Vor allem Kinder mit dunkler Hautpigmentierung oder auch Mädchen, die verschleiert sind, leiden dort häufig an Mangelerscheinungen. Manchmal sind diese Kinder so schwer beeinträchtigt, dass sie nicht mehr ohne Hilfe aufstehen können“, berichtet der Fachmann. Seinen Aussagen zufolge ist die kindliche Osteoporose aber besser heilbar als jene des Erwachsenen; vorausgesetzt die Grunderkrankung wird ausreichend behandelt.

Univ. Prof. Harald Dobnig, Präsident der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Knochens und Mineralstoffwechsels, fügt hinzu, dass die Hauptbetroffenen von Osteoporose aber immer noch über 40 Jahre alt sind. „Auch wenn die Osteoporose in geringem Maß im jüngeren und mittleren Lebensalter vorkommen kann, ist es doch das Alter und die damit einhergehende Einschränkung der Mobilität, der Muskelabbau und Veränderungen im Kalzium- und Vitamin D-Stoffwechsel, die für die steigende Inzidenz der Frakturen hauptverantwortlich sind. Diesen Patienten sollte unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen, da auch bei hohem Knochenbruchrisiko und fortgeschrittener Erkrankung der Einsatz von Osteoporosetherapeutika sehr effektiv ist“, so Dobnig. Die Leitlinien geben demnach auch Aufschluss über die Langzeitbehandlung von Patienten, die an Osteoporose leiden. Dobnig hebt auch die Bedeutung von präventiven Maßnahmen hervor. Zur Vorbeugung empfiehlt der Experte einen BMI nicht unter 20, eine kalziumreiche Kost, einen aktiven Lebensstil, den Verzicht auf Tabak und eine ausreichende Vitamin D-Zufuhr.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2010