Gewalt in der Familie – besonders Frauen sind davon betroffen – bleibt oft unerkannt. Ein kürzlich präsentierter Leitfaden des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend soll zur Sensibilisierung der Ärzte beitragen.
Österreichweit ist eine Vielzahl an Frauen täglich von häuslicher Gewalt betroffen und lebt oft mit den Tätern in einem Haushalt. Eine umfassende Broschüre zur medizinischen Versorgung von Betroffenen hat nun das Wirtschaftsministerium vorgestellt: „Gesundheitliche Versorgung gewaltbetroffener Frauen – Ein Leitfaden für Krankenhaus und medizinische Praxis“
Der 114 Seiten umfassende Leitfaden wurde allen niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Gynäkologen übermittelt, sind diese doch oft die erste und einzige Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Frauen. Die immer noch herrschende Tabuisierung des Themas Gewalt hindert viele daran, über ihre Gewalterlebnisse zu reden. Viele versuchen sogar, ihre Verletzungen mit Kleidung und Make up zu kaschieren. Ein sensibles Vorgehen des Arztes ist deshalb Ausschlag gebend für eine weitere Betreuung der Opfer. Oft bestehen die Täter darauf, die Opfer zu den Arztbesuchen zu begleiten, um den Frauen keinesfalls Gelegenheit zu geben, mit dem Arzt alleine zu sprechen. Die Partner zeigen sich oft aggressiv oder überfürsorglich und versuchen, den Frauen die Antworten vorwegzunehmen. Hat die begleitende Person selbst Verletzungen an Händen oder im Gesicht, ist vielmals von Gewalteinwirkungen gegen die Frau auszugehen.
Nicht nur im Hinblick auf medizinische Fragen sondern auch in sozialen oder familiären Problemsituationen können Ärzte die bedeutenden Weichen für eine gewaltfreie Zukunft stellen. Eine vertraute Atmosphäre zu schaffen und den richtigen Gesprächseinstieg zu finden, ist folglich ein sensibles Unterfangen. Deshalb soll der Leitfaden zur Unterstützung der Ärzte im Umgang mit Gewaltopfern dienen und die Aufmerksamkeit auf typische Symptome und Warnsignale lenken. Hellhörigkeit ist etwa dann geboten, wenn die Patientin eingeschüchtert und ängstlich wirkt, den Blickkontakt vermeidet und Verletzungen herunterspielt. Vielmals passen Art und Lage der Verletzungen nicht mit den Umständen oder Zeitpunkt der Entstehung überein. Das Verschleppen der Arzttermine oder das besonders häufige Erscheinen in der Ordination können ebenso auf Gewaltdelikte hindeuten. Neben derartigen Warnsignalen enthält der Leitfaden auch rechtliche Hinweise sowie Informationen über die richtige Dokumentation. Diese ist oft ein wichtiger Schritt, um die Gewalttaten zu beweisen und die betroffenen Frauen nachhaltig zu schützen. Darüber hinaus enthält die Broschüre auch nützliche Kontaktinformationen und Adressen.
Interview – Familienstaatssekretärin Christine Marek Das „Unsägliche“ aussprechen Gewalttaten müssen sensibel angesprochen werden. Wie der vorliegende Leitfaden Ärztinnen und Ärzte im Umgang mit Betroffenen unterstützen kann, erklärt Familienstaatssekretärin Christine Marek im Gespräch mit Birgit Oswald. ÖÄZ: Wie kann man Frauen ermutigen, über Gewalterlebnisse zu sprechen? Welche präventiven und therapeutischen Hilfsangebote gibt es konkret für Opfer? Was soll mit diesem Leitfaden erreicht werden und welche Punkte sind besonders zu betonen? |
Tipp Der Leitfaden ist unter http://www.bmwfj.gv.at abrufbar. |
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2010