Masterplan Gesundheit: Alles in eine Hand?

15.12.2010 | Politik

Planung, Steuerung, Finanzierung und Qualitätssicherung sollen im Gesundheitswesen künftig beim Bund angesiedelt sein – geht es nach den Vorstellungen von Hans Jörg Schelling. Dem von ihm präsentierten „Masterplan Gesundheit“ soll 2011 eine Nationale Gesundheitskonferenz folgen.
Von Agnes M. Mühlgassner

„Die Situation ist so dramatisch, dass etwas geschehen muss“, erklärte der Vorsitzende des Verbandsvorstandes, Hans Jörg Schelling, bei der Präsentation des Masterplans Gesundheit Mitte November in Wien. Sein Vorschlag: „Planung, Steuerung, Finanzierung und Qualitätssicherung sollten Bundeskompetenz werden. Die operative Führung soll auf Länderebene bleiben.“ Parallel dazu soll ein „unabhängiges Controlling zur Überprüfung dieser Standards“ eingeführt werden. Auch der bundesweite Rahmen soll ein anderer werden: Demnach soll künftig in Versorgungsregionen gedacht und geplant werden; (Bundes-)Ländergrenzen sollen dabei keine Rolle mehr spielen. Wer soll steuern? Der Hauptverband könnte das sein – meint Schelling. Es könnte aber auch die Bundes-Gesundheitsagentur oder die Bundes-Gesundheitskommission sein.

Reformbedarf sieht Schelling – nach dem Kassensanierungspaket – auch im Spitalsbereich. Während sich die Kosten für die Finanzierung im niedergelassenen Bereich ziemlich nahe am BIP (Bruttoinlandsprodukt) bewegen, registriere man bei den Krankenhäusern eine durchschnittliche Steigerung von rund 4,5 Prozent im Jahr. Schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro pro Jahr betrage die jährliche Abgangsdeckung für die Spitäler. Wenn hier nichts geschehe, sei für den Zeitraum von 2011 bis 2010 mit zusätzlich 5,7 Milliarden Euro an Kosten für den Spitalsbereich zu rechnen. Das will Schelling verhindern: „Für die Spitäler soll im Rahmen des nächsten Finanzausgleichs bis 2020 ein mittelfristiger Kostenentwicklungspfad vereinbart werden, der sich an der BIP-Entwicklung orientiert.“ Anstelle der derzeit geltenden 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern sollten die Kompetenzen zum Bund übergehen; dafür ist eine Verfassungsänderung erforderlich.

Zukunft der Spitäler

Die Mittel für die Spitäler sollen künftig zentral gebündelt und nach einheitlichen Kriterien vergeben werden. Schließungen von Spitälern seien nicht vorgesehen; jedoch die Umwandlung von Akutbetten in Pflege- und Rehabilitationsbetten sowie insgesamt eine Weiterentwicklung der Standorte „vom traditionellen Spital hin zum regionalen Gesundheitszentrum“. Generell gelte es aber, das in Österreich im internationalen Vergleich bestehende Überangebot an Akutbetten abzubauen. Die Spitzenversorgung soll künftig nur noch in Schwerpunktkrankenhäusern erfolgen.

Folgendes Procedere stellt sich Schelling vor: Im Rahmen der ersten „Nationalen Gesundheitskonferenz“ im ersten Quartal 2011 sollen Bund, Länder und Sozialversicherung Eckpfeiler und einen Zeitplan zur Umsetzung der Reform erarbeiten. Bis Herbst 2011 sollen diese Reformschritte inklusive eines zehnjährigen Konsolidierungsplans erarbeitet und beschlossen werden. Diese wiederum sollen in den nächsten Finanzausgleich 2013 einfließen.

Die im Spitalsbereich eingesparten Mittel sollen dann für den Ausbau von integrierten Versorgungsmodellen, eine Qualitätsoffensive sowie für die Gesundheitsförderung und die Prävention verwendet werden. Insgesamt strebt Schelling, der davon überzeugt ist, dass es „ohne Eigenverantwortung der Versicherten nicht gehen wird“, einen Wechsel von der Reparaturmedizin hin zur Stärkung der Prävention und der Gesundheitsförderung an. So sollen unter anderem nationale Gesundheitsziele definiert werden; strukturierte Programme sollen verstärkt bei der Betreuung von chronisch Kranken zum Einsatz kommen. Zusätzlich zum Disease Management Programm (DMP) Diabetes sind für zehn weitere Krankheiten strukturierte Betreuungsprogramme zu entwickeln.

Die Reaktionen waren unterschiedlich: Für ÖÄK-Präsident Walter Dorner ist der Masterplan „fast so schlecht wie die Pisa-Studie“. Der Plan werde dominiert von einem Konzerndenken, das auf den einzelnen keine Rücksicht nehme. Erfreut über die Vorschläge zeigte sich Gesundheitsminister Alois Stöger (S), reagierte jedoch zurückhaltend bezüglich einer Teilnahme an der „Nationalen Gesundheitskonferenz“. Der institutionelle Rahmen für die Diskussion einer Gesundheitsreform sei bereits vorhanden: die Bundesgesundheitskommission.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2010