Leser­brief

10.03.2010 | Politik

Zur Stu­die „Wert­schöp­fungs­ef­fekt des öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sens“, über die wir in der ÖÄZ 3 vom 10. Feber aus­führ­lich berich­tet haben, sind fol­gende Reak­tio­nen bei uns ein­ge­langt.

Als auf­merk­sa­mer Leser der „Öster­rei­chi­schen Ärz­te­zei­tung“ möchte ich meine Gra­tu­la­tion zur über­aus guten und inter­es­san­ten Ent­wick­lung die­ses Blat­tes zu einer inhalts­rei­chen Zei­tung, die nicht nur für Ärzte wich­tige Aus­sa­gen und Berichte bringt, aussprechen. 

Die zitierte Stu­die, die beim 2. Lin­zer Gesund­heits­po­li­ti­schen Gespräch prä­sen­tiert wurde, beschäf­tigt sich mit einem nicht unin­ter­es­san­ten Thema. Die wohl nicht all­ge­mein bekannte Tat­sa­che, dass für Ein­rich­tun­gen und Geräte im Jahr 2006 zu 673 Mil­lio­nen Euro aus öffent­li­cher und zu 622 Mil­lio­nen Euro aus pri­va­ter Hand stamm­ten, bedeu­tet: netto 622 Mil­lio­nen Euro echt erar­bei­te­tes Geld. Im Bereich der in der Stu­die hoch­ge­prie­se­nen Schaf­fung von Arbeits­plät­zen wird die­ses Ver­hält­nis von öffent­lich und pri­vat finan­zier­ten Posi­tiva nicht stimmen. 

Die bei­den ange­führ­ten Daten unter­schei­den sich aber wesent­lich: Einer­seits wer­den Arbeits­plätze aus pri­va­ten Unter­neh­men und direkt, die ande­ren über Steu­ern indi­rekt erwirt­schaf­te­ten Gel­dern finan­ziert. Gerade das sehen wir heute in einer wirt­schaft­li­chen und finan­zi­el­len Kri­sen­zeit. Aber der Gesund­heits­sek­tor muss wahr­schein­lich immer stär­ker und ver­mehrt aus öffent­li­chen Gel­dern erhal­ten und betrie­ben wer­den. Mög­li­cher­weise wür­den heute die Stu­di­en­ergeb­nisse ein etwas ande­res Bild erge­ben als 2005/​06.

Rich­tig ist, dass bei mehr Arbeits­plät­zen auch ver­mehrt Lohn­steuer und andere Abga­ben inklu­sive Bei­träge zu Ver­si­che­run­gen zu rech­nen sind. Aus demo­gra­phi­scher Sicht aber scheint die Not­wen­dig­keit von mehr Arbeits­kräf­ten in der medi­zi­nisch-pfle­ge­ri­schen Ver­sor­gung gege­ben. Bezahlt wer­den muss dies aller­dings wie­der aus Mit­teln, die von pri­va­ten Quel­len direkt oder indi­rekt über Steu­ern und diverse Abga­ben stam­men. Ein Wirt­schafts­wachs­tum bei der der­zei­ti­gen Arbeits­lo­sig­keit von nahezu zehn Pro­zent wird es noch einige Zeit nicht geben. Damit wird auch die Argu­men­ta­tion „Arbeits­plätze“, die große Beschäf­ti­gungs­ef­fekte auf­tun bei öffent­li­chen Insti­tu­tio­nen frag­wür­dig. Bei pri­va­ten, bei Ärz­te­ge­mein­schaf­ten, tech­nisch dia­gnos­ti­schen Ein­hei­ten könnte man eher dar­über reden. In einer tie­fer gehen­den Stu­die wäre eine Berech­nung der durch Qua­li­tät und Effek­ti­vi­tät sich erge­ben­den Ver­bes­se­rung der Gesund­heit der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung interessant. 

Im nächs­ten Bei­trag („Syn­er­gien end­lich nut­zen“) wird der ober­ös­ter­rei­chi­sche Arbei­ter­kam­mer­prä­si­dent Johann Kal­li­auer zitiert, der fest­stellt, dass rein aus­ga­ben­sei­tig der Wan­del im Gesund­heits­we­sen nicht bewäl­tigt wer­den kann. Diese Aus­sage wird von Prä­si­dent Dor­ner im nächs­ten Arti­kel ergänzt, die lapi­dar lau­tet: „So funk­tio­niert das nicht“. Mit Recht betont er, dass der Anstieg der Volks­krank­hei­ten bedacht wer­den muss. Zugleich wird sich die Zahl der Pen­sio­nis­ten von rund 2,2 Mil­lio­nen auf 2,7 Mil­lio­nen im Jahr 2040 erhö­hen. All das bewirkt den Rück­gang der Steu­ern, wird aber auch die Unmög­lich­keit der Auf­recht­erhal­tung des Bei­trags­sys­tems der Kran­ken­ver­si­che­rung aufzeigen. 

Zur Bewäl­ti­gung der zukünf­ti­gen Situa­tion gehört aller­dings auch ein star­ker Aus­bau des extra­mu­ra­len Berei­ches und die Schaf­fung von Ärz­te­zen­tren, wei­ters mehr Moti­va­tion der Bevöl­ke­rung zur Prä­ven­tiv­me­di­zin sowie der Abbau von über­flüs­si­gen Spi­tals­bet­ten, was aller­dings ohne Stär­kung der Peri­phe­rie nicht gelin­gen kann. 

Die Situa­tion muss ins­ge­samt eher tie­fer durch­dacht wer­den als fröh­lich der vehe­ment ver­tre­tene Suk­kus einer gesund­heits­po­li­ti­schen Tagung bezie­hungs­weise der dar­ge­stell­ten Stu­die, dass mit Beschäf­ti­gungs­ef­fekt und höhe­ren Zah­len von Voll­zeit­be­schäf­tig­ten in der Gesund­heits- (= Krank­heits-) Ver­sor­gung Qua­li­tät oder Effek­ti­vi­tät der ärzt­li­chen Tätig­keit dar­ge­stellt wer­den könnte. Hier könnte man nahe an einem Irr­tum des Sin­nes der Medi­zin vor­bei­ge­schrammt sein. 

Univ. Prof. DDr. hc. Josef Dézsy
Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft für Gesund­heits­öko­no­mie

Bei die­ser von der ÖÄK in Auf­trag und vom IHS durch­ge­führ­ten Stu­die ist es in ers­ter Linie darum gegan­gen, abge­ho­ben von der sonst domi­nie­ren­den Kos­ten­dis­kus­sion und vor dem Hin­ter­grund der oft zitier­ten „Gesund­heits­ge­sell­schaft“ die posi­ti­ven Effekte des gesam­ten Gesund­heits­we­sens und seine Bedeu­tung für die Volks­wirt­schaft dar­zu­stel­len. Damit war eine unmit­tel­bare Aus­sage über die Qua­li­tät oder Effek­ti­vi­tät der ärzt­li­chen Tätig­keit (oder der ande­rer Gesund­heits­be­rufe) weder bei der Beauf­tra­gung der Stu­die beab­sich­tigt noch wurde bei der Prä­sen­ta­tion ver­sucht, sie her­zu­stel­len. Dass diese und wei­tere Aspekte eine tie­fer­ge­hende Betrach­tung erfor­dern, liegt auf der Hand und wird Teil künf­ti­ger Akti­vi­tä­ten der ÖÄK sein, über die zum gege­be­nen Zeit­punkt berich­tet wer­den wird.
Anm. der Redaktion 

Die Redak­tion behält sich Kür­zun­gen von Leser­brie­fen vor. 


© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2010