Korrekte Aufklärung – kein Schadenersatz: Kommentar – Dr. Lukas Stärker

25.01.2010 | Politik


Korrekte Aufklärung – kein Schadenersatz

Von Lukas Stärker*
 

Eine Patientin forderte mit der Behauptung einer nicht entsprechenden Aufklärung Schadenersatz von ihrem Gynäkologen. Da die Aufklärung jedoch ordnungsgemäß erfolgt war, wies der OGH die Schadenersatzklage ab.  
 

Sachverhalt

Eine an Bluthochdruck leidende Patientin ist zum vierten Mal schwanger und suchte ihren Gynäkologen wegen Kopfschmerzen vor dem nächsten Routinetermin auf. Zu diesem Zeitpunkt wies sie Schwellungen durch Wasser im Gesicht auf, die sich gegenüber der letzten Untersuchung verstärkt hatten. Sowohl der Blutdruck (195/110) als auch die Eiweißausscheidung („+++“) im Harn wiesen wesentlich erhöhte Werte auf. Der Gynäkologe erkannte eine drohende Eklampsie und erklärte der Klägerin, dass es notwendig sei, das Landeskrankenhaus X aufzusuchen. Er stellte ihr auch eine Krankenhaus-Einweisung mit der Diagnose „drohende Eklampsie“ aus. Die Klägerin erklärte ausdrücklich, nicht ins Krankenhaus zu gehen. Der Gynäkologe erläuterte der Patientin daraufhin, dass es – aufgrund der Werte – zu Krämpfen und Blutungen kommen und auch das Kind betroffen sein könne.

Angesichts des Wunsches der Patientin, nicht ins Krankenhaus fahren zu müssen, schlug der Gynäkologe vor, zumindest relative Bettruhe einzuhalten, und, dass sie, wenn sich der Zustand verschlechtere, umgehend das Krankenhaus aufsuchen solle. Die Patientin begab sich anschließend nach Hause, ließ sich aber am Nachmittag von ihrem Gatten wieder in die Ordination des Gynäkologen bringen, da starke Kopfschmerzen und Schmerzen im Oberbauch aufgetreten waren. Sie schilderte dem Gynäkologen ihre Schmerzen. Aufgrund der Oberbauchschmerzen empfahl der Gynäkologe der Patientin nochmals, das Landeskrankenhaus aufzusuchen und wies daraufhin, dass durch eine Entbindung des Kindes die Gefahr einer drohenden Eklampsie beseitigt werden könne.

Erst in der drauffolgenden Nacht suchte die Patientin das Spital auf. Dort wurde an der in der 35. Schwangerschaftswoche befindlichen Klägerin die Diagnose eines HELLP-Syndroms gestellt. Am Morgen des nächsten Tages wurde eine Hirnmassenblutung mit Ventrikeleinbruch und begleitender subarachnoidaler Blutung sowie Mittellinienverschiebung nach links festgestellt. Nach einem Notfallkaiserschnitt wurde die Patientin in die Intensivstation einer Landesnervenklinik verlegt, wo nach der Eröffnung des Schädelknochens ein Hämatom entleert wurde. Die Patientin leidet nach wie vor an einer beinbetonten Halbseitensymptomatik mit einer Gefühlsminderung in körperfernen Abschnitten der linken unteren Extremität und einer gering ausgeprägten Gesichtsfeldeinschränkung. Spätfolgen sind aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen; aufgrund der Halbseitenschwäche kommt es zur einseitigen Belastung, sodass auch orthopädische Folgeprobleme eintreten können.

Die Patientin begehrte dann von ihrem Gynäkologen Schadenersatz insbesondere wegen Unterlassung ausreichender Aufklärung über die Notwendigkeit eines unverzüglichen Spitalsaufenthalts. Der geklagte Gynäkologe beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei ihm keine Aufklärungspflichtverletzung vorzuwerfen, der Hinweis auf die Notwendigkeit des Krankenhausaufenthalts sei ausreichend gewesen.

Urteil des OGH

Der OGH erklärte, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgte und wies die Schadenersatzklage der Patientin ab, da die vom Gynäkologen erteilte Aufklärung („Blutungen, Krämpfe, Folgen für das Kind“ bei Nichtbefolgung der Krankenhaus-Einweisung) aus der Sicht eines durchschnittlich sorgfältigen Patienten ausreichend war, um die Notwendigkeit einer raschen Spitalsbehandlung zu erkennen. Der konkrete Hinweis auf drohende Schäden, insbesondere auch für das ungeborene Kind, muss als ausreichend eindringlich angesehen werden, um einer werdenden Mutter wie der Klägerin die ernsten Folgen einer Unterlassung des Aufsuchens des Krankenhauses vor Augen zu führen. Das Verlangen, der Geklagte hätte überdies noch ausdrücklich auf eine „lebensbedrohende Situation“ hinweisen müssen, hieße daher, den konkret anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab zu überspannen. Da die Klägerin trotz anhaltender Schmerzen und des Hinweises auf eine mögliche Schädigung des ungeborenen Kindes bei ihrer zweimaligen starren Weigerung das Krankenhaus aufzusuchen blieb, konnte der geklagte Gynäkologe auch gar nicht davon ausgehen, der Hinweis auf eine lebensbedrohliche Situation könnte zu einem Sinneswandel führen.

Kommentar

Nun liegt es schwarz auf weiß vor: Der OGH (9. Senat) weist eine Schadenersatzforderung einer Patientin ab, da die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgte. Das vorliegende Urteil ist deshalb bedeutsam, da der OGH bisher zumeist feststellte, dass eine ärztliche Aufklärung mangelhaft war. Nun liegt – endlich einmal – eine ordnungsgemäße Aufklärung vor, die sich als Beispiel für ärztliches Agieren eignet:

1) Der Arzt erklärte der ihn später klagenden Patientin, dass es in diesem Fall notwendig sei, das Landeskrankenhaus X aufzusuchen.

2) Der Arzt stellte der Patientin auch eine Krankenhaus-Einweisung mit der Diagnose „drohende Eklampsie“ aus.

3) Der Arzt erläuterte der Patientin nach deren Weigerung, ein Krankenhaus aufzusuchen, dass es aufgrund der Werte zu Krämpfen und Blutungen kommen und auch das Kind betroffen sein könne.

4) Der Arzt empfahl der Patientin aufgrund der Oberbauchschmerzen nochmals, das Landeskrankenhaus aufzusuchen und

5) er wies darauf hin, dass durch eine Entbindung des Kindes die Gefahr einer drohenden Eklampsie beseitigt werden könne.

Diese umfassende Aufklärung genügt. Hier hat der behandelnde Arzt auch konkrete Gefahren für den Fall des Nichtaufsuchens des Krankenhauses aufgezeigt. Dafür, dass die Patientin nach einer derartigen Aufklärung zunächst nicht und erst später dann doch das Krankenhaus aufsuchte, kann nicht mehr der Arzt verantwortlich gemacht werden. Erfreulich ist auch die Feststellung des 9. Senats des OGH, dass nicht stets mit einer Lebensbedrohung argumentiert werden muss, um die Dringlichkeit einer Behandlung – hier im Krankenhaus beziehungsweise des nächsten notwendigen und sinnvollen Behandlungsschritts – aufzuzeigen. 


*) Dr. Lukas Stärker ist Jurist und stellvertretender Direktor der ÖÄK

 
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2010