Kom­men­tar – Dr. Karl­heinz Kux: Ärzte GmbH: Und was nun?

10.11.2010 | Politik

Die Ärzte GmbH ist nun end­lich Gesetz gewor­den und bis zur Regie­rungs­spitze wer­den höchste Erwar­tun­gen zur Ver­bes­se­rung der ambu­lan­ten kas­sen­ärzt­li­chen Gesund­heits­ver­sor­gung, ja sogar zur Spi­tals­am­bu­lanz­ent­las­tung, geäußert.

Über­se­hen oder nicht gese­hen wird dabei Fol­gen­des:
1. Ein recht auf­wen­di­ges Grün­den und Betrei­ben einer GmbH (Gesell­schafts­ver­trag, Fir­men­buch­ver­fah­ren, Bilan­zie­rung, Buch­füh­rungs­pflicht etc.) ver­langt schon das GmbH-Gesetz und dass

  • das aktu­elle Steu­er­recht durch den Gewinn­frei­be­trag von 13 Pro­zent den frü­he­ren even­tu­el­len Steu­er­vor­teil einer GmbH jeden­falls für Ärzte prak­tisch beseitigt,
  • zusätz­lich berufs­recht­li­che Ein­schrän­kun­gen im Ärz­te­ge­setz wie z.B. Anstel­lungs­ver­bot für Ärzte, Anstel­lungs­ein­schrän­kun­gen für Gesund­heits­be­rufe, keine Grün­dungs­frei­heit für Wahl­ärzte etc. bestehen,
  • im ASVG kas­sen­recht­li­che Hono­rie­rungs­ein­schrän­kun­gen vor­ge­ge­ben wurden.

Dies alles wer­den die Akti­vi­tä­ten und Mög­lich­kei­ten für Ärzte GmbHs nach der „gesetz­li­chen Papier­form“ arg beeinträchtigen.

2. Eine „Selbst­ver­wirk­li­chung und Selbst­ver­meh­rung der Ärzte GmbH“ kann so
nicht statt­fin­den, die Ernst gemein­ten (?) poli­ti­schen Erwar­tun­gen kön­nen so
nicht erfüllt wer­den, es sei denn

  • die Kran­ken­kas­sen und der Haupt­ver­band geben ihre restrik­tive Hal­tung gegen­über Grup­pen­pra­xen aus über­gro­ßer Vor­sicht und Folg­sam­keit wegen des finanz­po­li­ti­schen Regie­rungs­dik­ta­tes (Stich­wort: ver­si­che­rungs­fremde Leis­tun­gen!) auf und sind zu einer auf­ge­schlos­se­nen und dyna­mi­schen Hono­rar- und Stel­len­plan­po­li­tik für Grup­pen­pra­xen bereit. Denn: Den Ver­sor­gungs­auf­trag für die Ver­si­cher­ten haben die Kas­sen und nicht die Ärzteschaft!
  • der Haupt­ver­band geht end­lich mit der ÖÄK eine stra­te­gi­sche Part­ner­schaft für die nächste Art 15a-Ver­ein­ba­rung („zur Orga­ni­sa­tion und Finan­zie­rung des öffent­li­chen Gesund­heits­we­sens“) ein, um
     – die ambu­lante all­ge­meine und fach­ärzt­li­che Ver­sor­gung im Kas­sen­sys­tem nicht nur abzu­si­chern son­dern vor allem aus­zu­bauen, zu des­sen Zweck
     – Ver­trags- und Hono­rar­mo­delle zur Spi­tals­am­bu­lanz­ent­las­tung zu ent­wi­ckeln und ein­zu­set­zen
     – gemein­sam mit der ÖÄK ein Kon­zept zur Finan­zie­rung des öffent­li­chen Gesund­heits­we­sens zu erstel­len und in die nächs­ten Art 15a-Ver­hand­lun­gen einzubringen.

Für das alles braucht man Zeit, Mut und Krea­ti­vi­tät. Aber nur so wird ein Über­le­ben des Kas­sen­sys­tems im Sinne der Wei­ter­ent­wick­lung ins­be­son­dere der fach­ärzt­li­chen Ver­sor­gung mög­lich sein.

3. Bei der Finan­zie­rung aus einer Hand oder aus einem Topf wer­den die Ver­tre­ter der Sozia­len Kran­ken­ver­si­che­run­gen in gemein­sa­men, pari­tä­tisch besetz­ten Ent­schei­dungs­gre­mien mit den Ver­tre­tern des Bun­des und der Län­der immer die poli­tisch Schwä­che­ren sein und in der rea­len Aus­wir­kung dem zwin­gen­den Finanz­be­darf über­di­men­sio­na­ler Spi­tä­ler nach­ge­ben müs­sen, dies zu Las­ten der nie­der­ge­las­se­nen Kas­sen­ärz­te­schaft! Jede andere Ein­schät­zung wäre unver­zeih­lich, illu­sio­när und unrealistisch!

4. Die Soziale Kran­ken­ver­si­che­rung müsste daher das von der ÖÄK ent­wi­ckelte Finan­zie­rungs­kon­zept aus zwei Töp­fen, nämlich

  • ambu­lante Ver­sor­gung zur Gänze aus Bei­trä­gen der Sozia­len Kran­ken­ver­si­che­rung und
  • sta­tio­näre Ver­sor­gung zur Gänze aus Steu­er­mit­teln im Sinne der pati­en­ten­ori­en­tier­ten ambu­lan­ten Ver­sor­gung als das rich­tige Sys­tem erken­nen und poli­tisch vertreten.

5. Alles andere, ein Topf, eine Hand, höhere LKF-Punk­te­werte oder ein­fach nur sehr viel mehr Geld von den Kran­ken­kas­sen für die Spi­tals­am­bu­lan­zen füh­ren bei der nächs­ten Art 15a-Ver­ein­ba­rung zu einem irrever­si­blen Pro­zess ins­be­son­dere in Rich­tung fach­ärzt­li­che Ver­sor­gung durch Spi­tals­am­bu­lan­zen und damit zu einem Aus­lau­fen des nie­der­ge­las­se­nen Fach­arz­tes im ambu­lan­ten Kas­sen­sys­tem!

6. Nur durch eine Part­ner­schaft zwi­schen Ärz­te­schaft und Sozia­ler Kran­ken­ver­si­che­rung kann die Selbst­ver­wal­tung bei­der Berei­che jene Bedeu­tung, die ihr gebührt, behal­ten und jene Stel­lung ein­neh­men, wie es auch für das zukünf­tige Gesund­heits­we­sen not­wen­dig ist.

*) Dr. Karl­heinz Kux ist Kam­mer­amts­di­rek­tor der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 21 /​10.11.2010