Kom­men­tar – Dr. Gert Wie­gele: Haus­arzt: Gemein­sam ist bes­ser als einsam

25.04.2010 | Politik

Die Dis­kus­si­ons­wo­gen zum Thema Haus­arzt in der Bun­des­ku­rie Nie­der­ge­las­sene Ärzte sind in den letz­ten Wochen eher hoch­ge­gan­gen und haben für einen kräf­ti­gen Mei­nungs­aus­tausch gesorgt.

Tat­sa­che ist, dass der Begriff Haus­arzt den meis­ten Öster­rei­chern wohl­be­kannt ist, dass fast alle Poli­ti­ker und Stan­des­po­li­ti­ker ihn des Öfte­ren in den Mund neh­men, dass so gut wie alle Gesund­heits­öko­no­men mei­nen, ein haus­ärzt­lich struk­tu­rier­tes inte­grier­tes Gesund­heits­sys­tem auf Basis von Mana­ged Care wäre sinn­voll. Tat­sa­che ist auch, dass der Haus­arzt als gern gebrauch­ter Begriff in Regie­rungs­er­klä­run­gen vor­kommt – so auch im Grund­satz­pa­pier der ÖÄK – und dass die haus­ärzt­lich täti­gen nie­der­ge­las­se­nen Ärzte und Ärztnnen allent­hal­ben für ihre ver­ant­wor­tungs­volle Tätig­keit gelobt wer­den, für diese Leis­tun­gen aber schlecht bezie­hungs­weise oft gar nicht hono­riert wer­den. Tat­sa­che ist aber auch, dass eine echte Insti­tu­tio­na­li­sie­rung eines Haus­arz­tes im öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sen nicht geschieht und auch anschei­nend nicht wirk­lich vor­ge­se­hen ist.

Schon die kuri­en­in­terne Dis­kus­sion zeigt die unter­schied­li­chen Zugänge zum Thema und das bloße Ansin­nen, Dia­gnose- und The­ra­pie­wege der Pati­en­ten im nie­der­ge­las­se­nen Bereich bes­ser zu koor­di­nie­ren, stößt auf enor­men Wider­stand, denn hin­ter jeder Ecke glaubt man, einen Gate­kee­per zu erspä­hen. Es ist auch eine Tat­sa­che, dass der inter­kol­le­giale Infor­ma­ti­ons­fluss bezie­hungs­weise Infor­ma­ti­ons­aus­tausch seit der Ein­füh­rung der E‑Card lei­det und sich eher ver­schlech­tert – warum auch immer.

Ich bin fest davon über­zeugt, dass nur eine inten­sive, sich ver­net­zende Koope­ra­tion von Fach­ärz­ten und All­ge­mein­me­di­zi­nern es dem nie­der­ge­las­se­nen Bereich ermög­licht, sich zu bewei­sen, die vor­han­de­nen Mög­lich­kei­ten bes­ser zu nut­zen und den Spi­tals­be­reich zu ent­las­ten. Denn die Türen der Kran­ken­häu­ser ste­hen weit offen, immer neue Ambu­lan­zen neh­men ihre Tätig­keit auf, neue Kran­ken­häu­ser wer­den schö­ner und grö­ßer gebaut und die Ten­denz, fach­ärzt­li­che Leis­tun­gen dort­hin zu ver­la­gern, ist nach wie vor sehr groß und nimmt eher zu, wobei die Spi­tals­ärzte dort bereits ohne­hin schon unter der enor­men Über­las­tung leiden.

Als furcht­bare Vision sehe ich eine weit­ge­hend fach­arzt­freie Nie­der­las­sung und dann die aus­ge­dünn­ten All­ge­mein­me­di­zi­ner (siehe dyna­mi­scher Stel­len­plan und die geplante Alters­gren­zen­re­ge­lung im ASVG), die güns­tigst die nied­ri­gen medi­zi­ni­schen Dienste leis­ten, mög­li­cher­weise unter Lei­tung eines Nurse Prac­ti­tio­ner. Da wer­den uns unsere ärzt­li­chen Nach­fah­ren schon fra­gen, was wir Alt­vor­de­ren da ver­bockt haben.

Außer wir besin­nen uns end­lich unse­rer gemein­sa­men Stärke, bauen berech­tigte und/​oder unbe­rech­tigte Urängste ab, der eine und der andere ver­zich­tet auf ein paar schein­bare Pri­vi­le­gien und Vor­teile, und sehen end­lich der Tat­sa­che ins Auge, dass gemein­sam bes­ser ist als einsam. 

*) Dr. Gert Wie­gele ist stell­ver­tre­ten­der Obmann der Bun­des­ku­rie nie­der­ge­las­sene Ärzte

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 8 /​25.04.2010