Zwei heiße Eisen: Interview – Vize-Präs. Günther Wawrowsky

25.01.2010 | Politik


Zwei heiße Eisen

Die langjährige Forderung nach der Einführung von Ärzte-GmbHs und der bevorstehende vertragslose Zustand mit der SVA sind für die niedergelassenen Ärzte derzeit die aktuellsten Probleme. Mit dem Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte, Günther Wawrowsky, sprach Kurt Markaritzer.

ÖÄZ: Im Nationalrat ist kürzlich das Sanierungspaket für die Krankenkassen beschlossen worden. Die damit zusammenhängende Einführung von Ärzte-GmbHs ist aber noch nicht erfolgt. Sind sie enttäuscht?
Wawrowsky: Es ist klar, dass wir uns eine rasche Lösung wünschen, denn das Thema ist lange genug auf dem Tisch. Andererseits wollen wir selbstverständlich, dass die Neugründungen auf einer gesetzlich einwandfreien Basis erfolgen. Für die Einführung der Ärztegesellschaften muss ja nicht nur das Ärztegesetz geändert werden, sondern auch das ASVG, dazu sind auch noch aktuelle Rechtsentscheidungen auf europäischer Ebene zu berücksichtigen. Hier wird also noch ein Feinschliff erfolgen müssen, ehe die entsprechenden Bestimmungen abstimmungsreif sind.

Sind Sie zuversichtlich, dass es bald Ärzte-GmbHs geben wird?
Ja, durchaus, vor allem auch deswegen, weil wir mit starker politischer Unterstützung rechnen können. Bei unserer Tagung kurz vor dem Jahreswechsel ist Gesundheitsminister Alois Stöger persönlich in die Bundeskurie gekommen und hat nachdrücklich zugesichert, dass er uns unterstützt und dass er eine Erleichterung für die Bildung von Gruppenpraxen durch die Ärzte-GmbH haben möchte. Der Minister hat von verschiedenen juristischen Detailproblemen berichtet, aber ausdrücklich betont, dass sie nichts an seiner positiven Grundhaltung ändern.

Dann sollte der Einführung von Ärztegesellschaften demnächst also nichts mehr im Wege stehen.

Vernünftige Argumente dagegen gibt es tatsächlich keine mehr. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die Wirtschaftskammer Österreich die Ärzte-GmbH strikt ablehnt. Sie wollen solche Gesellschaften nur unter ihrem Dach haben. Da geht es zweifellos um Macht und Einfluss, nicht zuletzt aber auch um Mitgliedsgebühren, welche die Herrschaften gerne kassieren würden. Da passt ihnen eine Gesellschaft, wie wir sie wollen – die nicht profitorientiert ist, sondern eine Verbesserung für die Patienten zum Ziel hat -, nicht ins Konzept. Deshalb opponiert sie gegen die Ärztegesellschaften. Ich kann im Interesse der Bevölkerung nur hoffen, dass diese Opposition letzten Endes wirkungslos bleibt.

Mit der Vertretung der Wirtschaftstreibenden hat die Standesvertretung der niedergelassenen Ärzte zuletzt ja mehrfach Probleme bekommen, Stichwort SVA.
Das stimmt. Wir mussten bekanntlich den Vertrag mit der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft per Jahresende kündigen, weil von dieser Seite aus ein bereits ausverhandeltes Ergebnis im letzten Augenblick gekippt wurde. Die SVA hat kurz vor Jahresende die Bundesschiedskommission eingeschaltet, damit verlängert sich der alte Vertrag um bis zu drei Monate, die für weitere Gespräche genützt werden sollten.

Sehen Sie diesen Verhandlungsrunden mit Zuversicht entgegen?
Ehrlich gesagt, nein! Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen hat es Mitte Dezember einmal ein informelles Gespräch gegeben und da ist es zu keinerlei Annäherung gekommen. Es bleibt dabei, dass die Vertreter der Wirtschaft ärztliche Leistungen nicht adäquat honorieren wollen – und das ist für uns nicht akzeptabel. Wir sind den Gesprächspartnern in der ursprünglich vorgesehenen Vereinbarung weit entgegen gekommen. Eine neue Gruppenpraxenregelung und Verbesserungen beim individuellen Patientenservice wären über interne Umschichtungen von den Ärztinnen und Ärzten weitgehend selbst finanziert worden. Nach intensiver Abstimmung der Fachgruppen waren die technischen Fächer bereit, zugunsten dieser Verbesserungen eine deutliche Absenkung ihrer Tarife in Kauf zu nehmen. Damit hätte die neue Vereinbarung für die SVA keine nennenswerte Mehrbelastung bedeutet.

Warum, glauben Sie, ist die Regelung dann doch gescheitert?
Es liegt auf der Hand, dass der Widerstand mit den Wirtschaftskammerwahlen Ende Februar, Anfang März dieses Jahres zusammenhängt. Vor diesen Wahlen wollten die Machthaber in der Kammer keine Veränderung und nicht einmal bescheidene Erhöhungen des Entgelts für ärztliche Leistungen in Kauf nehmen. Das ist das Groteske an der Situation: Auf der einen Seite will die SVA Tarife wie die Gebietskrankenkasse bezahlen, auf der anderen Seite will sie unbedingt ein eigenes Unternehmen mit protzigen Tintenburgen sein. Da sollte man grundsätzlich diskutieren, ob die SVA nicht gleich in einer Gebietskrankenkasse aufgehen soll. Den Versicherten wird das ziemlich gleichgültig sein, die haben ja jetzt auch nichts mitzureden – das besorgen die Funktionäre. Und denen sagen wir mit allem Nachdruck: Wenn Sie glauben, dass ärztliche Leistungen nichts wert sind, dann ist es vernünftiger, wenn wir über die Kasse nur noch Basisleistungen erbringen und für zusätzliche Therapien Honorarnoten stellen oder dafür erhöhte Selbstbehalte eingeführt werden. Ob das im Interesse der Gewerbetreibenden sein kann, müssen die Herrschaften selbst entscheiden. Im Übrigen hätte ich mir von Vertretern der Wirtschaft erwartet, dass sie die wirtschaftliche Bedeutung der niedergelassenen Ärzte erkennen und in ihrem Verhalten berücksichtigen. Die 7.500 Ordinationen in Österreich mit ihren weit über 30.000 Angestellten und 100 Millionen Patientenkontakten sind ja auch ein bedeutsamer ökonomischer Faktor, dem man nicht die Existenzgrundlagen entziehen darf.

Für die Versicherten hat ein vertragsloser Zustand Nachteile.
Mit Sicherheit. Die Patienten werden ihre Arztrechnung voraussichtlich ab April selbst bezahlen müssen, weil zur Zeit nichts auf eine Einigung hindeutet. Da es sich um Privattarife handelt, würden die Patienten weniger als 80 Prozent von der Kasse zurückerhalten. Außerdem könnte die Refundierung länger dauern, da der Verwaltungsaufwand einer Kasse im Falle eines vertragslosen Zustandes hoch ist. Immerhin müssen alle eingehenden Rechnungen bearbeitet werden, ehe Zahlungen an die Patienten erfolgen können.

Könnte es auch Konflikte mit anderen Kassen geben?

Ich würde noch nicht von Konflikten sprechen, aber von Problemen, die sich abzeichnen. Im Zusammenhang mit der finanziellen Sanierung der Krankenkassen haben sich die Kassen selbst große Lasten auferlegt und da könnten sich aus unserer Sicht bald Schwierigkeiten ergeben. Denn das Konzept der Kostendämpfung, dass man sich auf Seiten der Sozialversicherung vorgenommen hat, ist in diesem Ausmaß und in dieser Höhe wohl nicht durchzuhalten. Und wenn daran gedacht ist, die Einsparungen zu Lasten der Ärzteschaft vorzunehmen, dann wäre die nächste Konfrontation absehbar.

Nochmals zurück zur SVA. Sie sind doch ein erfahrener Verhandler. Ist es da nicht möglich, doch zu einem gemeinsamen Weg zu finden?
Lassen Sie mich dazu etwas ganz offen sagen: Ich bin persönlich sehr betroffen, dass die Gespräche gescheitert sind. Wissen Sie, wir sind ein Jahr lang zusammen gesessen, haben mühsam in zähen Gesprächen einen Kompromiss ausgehandelt, der nur wenig Mehrkosten für die SVA gebracht hätte – und dann wird sogar das abgelehnt. Da frage ich mich dann, mit wem ich eigentlich verhandelt habe und wie das in Zukunft funktionieren soll, wenn vereinbarte Verhandlungsergebnisse auf einmal nicht mehr gelten. Mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Sozialversicherung ist jedenfalls deutlich gesunken.

Stichwort Ärzte-GmbH

Die Ärzte-GmbH ist eine neue Organisationsform im niedergelassenen Bereich. Sie erleichtert die Zusammenarbeit mehrerer Ärzte in einer Praxis. Sie ist eine Ärztegemeinschaft in Form einer GmbH, die gegenüber den bisherigen Organisationsformen der Offenen Gesellschaft Vorteile insbesondere im Bereich der Haftung für die beteiligten Ärzte bietet.


Stichwort SVA

Rund 7.200 niedergelassene SVA-Vertragsärztinnen und -ärzte sorgen für die Betreuung der Patienten der Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft (SVA). 3,6 Millionen Mal im Jahr holen sich SVA-Patienten Rat und Hilfe bei ihrem niedergelassenen Hausarzt oder Facharzt. Weil die SVA die Verhandlungen scheitern ließ, ist diese Form der Versorgung gefährdet.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2010