Interview – Landesrätin Karin Scheele: „Patienten optimal versorgen!“

10.09.2010 | Politik

Gesundheitslandesrätin Karin Scheele spricht im Interview mit Ruth Mayrhofer Klartext aus niederösterreichischer Sicht: zur Debatte der Effizienzerhöhung in den Spitälern, zur Situation der weiblichen Ärzte in Krankenanstalten, und dazu, was sie sich von den Ärzten in Niederösterreich erwartet.

ÖÄZ: Die Vorschläge von Finanz-Staatssekretär Andreas Schieder hinsichtlich einer Effizienzerhöhung in den Spitälern aufgrund des Expertenberichtes von WIFO, IHS und Rechnungshof haben vor einigen Wochen für doch größere Aufregung gesorgt. Landeshauptmann Erwin Pröll hat sämtlichen Vorschlägen eine klare Absage erteilt. Wie sieht Ihr Standpunkt dazu aus?
Scheele: Die Schließung einzelner Spitäler in Niederösterreich lehne ich ab, genauso wie die derzeitige politisch motivierte Scheindebatte. Mein Ziel ist die qualitativ bestmögliche medizinische Versorgung der Bevölkerung. Das Erreichen von Mindestfallzahlen und die Etablierung fachlicher Spezialisierungen in den Krankenhäusern ist unbestreitbar der richtige Weg. Genau dieser Weg wurde bereits in der Vergangenheit von den zuständigen sozialdemokratischen Krankenhausreferenten in Niederösterreich frühzeitig eingeleitet. Ob mit der Einteilung des Bundeslandes in Versorgungsregionen, mit dem Zusammenführen mehrerer Häuser zu einem Klinikum, aber auch mit einer soliden Fächeraufteilung, hier denke ich insbesondere an Korneuburg und Stockerau, und nicht zuletzt mit der Umstrukturierung der Akutkrankenanstalten Allentsteig und Eggenburg in Häuser der Sonderversorgung.

In der medialen Debatte gerieten im Zuge des Schieder-Vorstoßes in Ihrem Bundesland die Krankenhäuser Mödling und Baden (in beiden Standorten Neubauten trotz lediglich zwölf Kilometer Distanz) und Wiener Neustadt und Neunkirchen (Distanz: 15 Kilometer) ins Kreuzfeuer der Kritik. Mit welchen Argumenten können Sie all diese Standorte „verteidigen“? Oder haben Sie dazu ganz andere Gedanken?
Es geht in der Gesundheitspolitik vor allem um die Sicherstellung von Erreichbarkeiten innerhalb fachspezifischer Isochronen zur optimalen Versorgung der niederösterreichischen Bevölkerung. Ich würde mir aber dringend wünschen, dass die stationäre mit der niedergelassenen Versorgung verstärkt koordiniert wird. Die Krankenanstalten Mödling und Baden sind bereits zu einem Klinikum zusammengeführt, die Entscheidung für beide Standorte ist in Niederösterreich gefallen. Was ich mir erwarte, ist eine vernünftige Fächeraufteilung, damit Synergien genutzt werden können. Der Standort Wiener Neustadt übernimmt für den Süden Schwerpunktfunktion, der Standort Neunkirchen deckt dazu ergänzend die Grundversorgung vor allem der südlichen Gebirgsregion ab. Auch hier ist eine Koordination in der medizinischen Versorgung unserer Bevölkerung der entscheidende Punkt.

In den vom Land Niederösterreich als Träger geführten Spitälern gibt es keinen einzigen weiblichen Ärztlichen Leiter, und auch die Primarärztinnen sind mit aktuell 18 eher dünn gesät. Weswegen erscheint auch in Niederösterreich die „gläserne Decke“ für weibliche Ärzte so undurchdringlich?
Diese Situation ist für mich ärgerlich und steht auch nicht im Einklang mit der derzeitigen Feminisierung der Medizin. In diesem Sinne würde ich mir mehr Ärztinnen in Führungspositionen wünschen. Dies ist allerdings kein Problem von Niederösterreich alleine und keinesfalls eines, das nur den Gesundheitsbereich betrifft.

Fakt ist, dass es in Zukunft immer mehr Ärztinnen auch in den Spitälern geben wird. Speziell für Frauen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein großes Thema. Das können Sie als berufstätige Mutter ja selbst sicher bestens nachempfinden. Gibt es von Ihrer Seite her Ansätze, um speziell Ärztinnen das Berufsleben im Krankenhaus künftig ein wenig zu erleichtern?
Eines ist für mich und auch alle Experten klar: Der Schlüssel zur Herstellung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie und generell zur Bewältigung von latent drohenden Arbeitsbelastungen liegt in der Umsetzung moderner partizipativer Arbeitszeitmodelle. Wenn wir weiterhin dem Anspruch gerecht werden wollen, die bestmögliche Versorgung in Niederösterreich anzubieten, besteht meiner Ansicht nach mittelfristig dazu auch keine Alternative.

Sie haben vergangenes Jahr eine Frage wegen Ihrer damals erst sehr kurzen Amtszeit als Gesundheitslandesrätin weitestgehend unbeantwortet gelassen. Daher darf ich Sie heute nochmals stellen: Was erwartet sich die niederösterreichische Gesundheitspolitik konkret von der niederösterreichischen Ärzteschaft?
Ich wünsche mir eine zukunftsorientierte, nachhaltige Dialogfähigkeit und Transparenz in der fachlichen Argumentation. Die radikal geänderte Erkrankungskulisse des 21. Jahrhunderts erfordert für Niederösterreich neue integrative Versorgungsformen für chronische und multimorbide Patienten. Wir brauchen nachhaltige gute gemeinsame Projekte, die zur Regelversorgung werden müssen. Wir brauchen ein Klima, das einen sachlichen Dialog zwischen den Disziplinen, den Berufsgruppen und den Trägerorganisationen mit der Politik auch weiterhin ermöglicht und vielleicht dort und da sogar noch verbessert.

Zur Person

Mag. Karin Scheele

Geboren 1968 in Baden bei Wien, eine Tochter
1997 Abschluss Studium der Handelswissenschaften
an der WU Wien
1987 – 1990 Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter
1990 – 1994 Entwicklungspolitische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Entwicklung und Koordination internationaler Projekte im Landessekretariat der Sozialistischen Jugend Niederösterreichs
1996 – 1998 Sozialistische Jugend-Internationale (IUSY)
1998 – 1999 Referentin im Internationalen Sekretariat der SPÖ
1999 – 2008 Mitglied des Europäischen Parlaments
2007 – 2008 Leiterin der SPÖ-Delegation im Europäischen Parlament
seit 2008 Niederösterreichische Landesrätin für Gesundheit, Soziales und Jugendwohlfahrt

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2010