Interview – Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg: Optimierungsbedarf gegeben

10.06.2010 | Politik

Tirols Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg erläutert seine Sicht zu den Arbeitsbedingungen in Tiroler Spitälern, den schwelenden Ausbildungs-Defiziten, dem drohenden Ärztemangel und den anhaltenden Klagen um die Poolregelung. Das Gespräch führte Ruth Mayrhofer.


ÖÄZ: Nach wie vor erscheint die Arbeitssituation der Spitalsärzte in Tirol verbesserungswürdig. Welche Schritte werden Sie konkret setzen, um darauf positiv einzuwirken?

Tilg: Die öffentlichen Krankenhäuser in Tirol sind redlich bemüht, die Vorgaben des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Es kommt hier jedoch immer wieder zu Problemen. Insbesondere nachträgliche Diensttausche der Ärzte untereinander bringen eine ursprünglich arbeitszeitgesetzkonform durchgeführte Dienstplanung oft wieder durcheinander. Aus meiner Sicht wäre eine österreichweite Evaluierung der Handhabung beziehungsweise der Auswirkungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes sinnvoll, um darauf aufbauend allfällige Nachjustierungen vornehmen zu können. Freilich ist dabei der EU-rechtliche Rahmen zu beachten. Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass es zunehmend weniger Ausbildungsstellen gibt. Es entsteht dadurch die Gefahr eines Ärztemangels, insbesondere im niedergelassenen Bereich. Schon jetzt können einige Stellen im niedergelassenen Vertragsbereich nicht nachbesetzt werden. Das Land Tirol wird hier im Rahmen seiner Möglichkeiten in enger Kooperation mit den Trägern der Krankenanstalten darauf hinwirken, rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Bezogen auf das Landeskrankenhaus – Universitätskliniken – Innsbruck ist es vordringlich wichtig, die finanziellen Rahmenbedingungen, insbesondere betreffend den Klinischen Mehraufwand, außer Streit zu stellen und nachhaltig zu sichern. Diese ungeklärte Situation wirkt sich derzeit problematisierend auf die angestellten Ärzte aus.

Noch sind in Tirols Spitälern Planstellen unbesetzt. Wann ist aus Ihrer Sicht mit einer „Vollbesetzung“ zu rechnen, um nicht nur eine optimale Patientenversorgung sicherzustellen, sondern gleichzeitig, damit die Arbeitszeiten der Spitalsärzte sich im gesetzlichen Rahmen bewegen?

Im Bereich der Landeskrankenanstalten sind mir keine Probleme im Zusammenhang mit freien Planposten bekannt. Frei werdende Stellen werden in der Regel – um den Versorgungsauftrag zu gewährleisten – rasch nachbesetzt. Probleme hat es in der Vergangenheit allerdings mit den Stellen der Medizinischen Universität gegeben. Das hat sich in der letzten Zeit jedoch etwas gebessert. Um den Rahmen für die Arbeitszeiten der Spitalsärzte besser einhalten zu können, wird im Bereich der TILAK seit kurzem ein neuer Weg gegangen, der auch bereits erste Erfolge zeigt und der bereits zu einem deutlichen Rückgang bei den Arbeitszeitverletzungen geführt hat. Die Situation bei den bundesbediensteten Ärzten hängt nicht zuletzt auch mit der bereits angeführten Frage des klinischen Mehraufwandes zusammen.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich in diesem Zusammenhang konfrontiert?
Die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen ist in erster Linie eine Herausforderung für die Rechtsträger der Krankenanstalten, nicht zuletzt deshalb, weil der Umfang der Personalausstattung natürlich auch finanzielle Aspekte hat. Dazu kommt, dass man nicht vergessen darf, dass das Erreichen der Ausbildungsziele in der Ärzteausbildung mit einer zunehmenden Anzahl von Ärzten bei annährend gleichbleibenden Fallzahlen in bestimmten Fächern immer schwieriger wird, was sich speziell in den chirurgischen Fächern abzeichnet, wo es oft jetzt schon nicht leicht ist, in der vorgegebenen Zeit den für die Facharztausbildung vorgeschriebenen OP-Katalog zu absolvieren beziehungsweise die erforderliche Anzahl bestimmter Operationen nachzuweisen.

Wie könnte man Ihren Vorstellungen nach die Ärzte in den Krankenanstalten administrativ entlasten, um eine verbesserte Versorgung der Patienten zu gewährleisten? 
Der zunehmend administrative Aufwand hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass die Ärzte ihre Tätigkeiten aus juristischen Gründen immer genauer dokumentieren müssen, zumal die Inanspruchnahme der Gerichte durch Patienten – einem internationalen Trend folgend – auch in Österreich stark zugenommen hat. Abhilfe könnte dem möglicherweise mit dem Einsatz einer eigenen Berufsgruppe, nämlich medizinischen Dokumentationsassistenten, geschaffen werden. Derartige Stellen müssten – nach Klärung der berufsrechtlichen Voraussetzungen – jedoch aus budgetären Gründen nicht zusätzlich, sondern in einem gewissen Abtausch mit den Arztstellen geschaffen werden, um die Finanzierbarkeit zu gewährleisten. Überlegungen dazu gibt es schon länger, bislang scheiterte eine flächendeckende Umsetzung aber noch an der Bereitschaft zum Stellenabtausch.

Nach wie vor gibt es am LKH Innsbruck Querelen wegen der Aufteilung der Privatgelder, also der Aufteilung zwischen Primarii und nachgeordneten Ärzten. Eine vernünftige Regelung dafür wurde schon mehrfach auch von der Ärztekammer urgiert. Wann darf man mit einer Entscheidung rechnen?
In diesem Zusammenhang muss man zunächst betonen, dass es sich bei den Privatgeldern – der gesetzlichen Regelung zufolge – um zivilrechtliche Forderungen der Primarärzte handelt. Den Forderungen der nachgeordneten Ärzte wurde mit der letzten Gesetzesnovelle durch die adaptierten Regelungen hinsichtlich der Poolanteile versucht entgegenzukommen. Trotzdem muss gesehen werden, dass die Regelungen über Arzthonorare im Spannungsfeld der Interessen von Patienten, Primarärzten, nachgeordneten Ärzten, Ärztekammern, Privatversicherungen beziehungsweise Trägern von Krankenanstalten getroffen werden müssen. Es zeigt sich hier deutlich, dass wohl nur sehr schwer jemals eine Regelung getroffen werden kann, die den Ansprüchen all dieser Interessensgruppierungen gerecht wird und die vor allem auch die Gepflogenheiten der Vergangenheit nicht abrupt sondern in einer adäquaten Übergangsfrist so ändert, dass damit auch ein zumutbarer Eingriff in die Rechte von jenen Personen erreicht werden kann, bei denen es im Zuge von Neuregelungen zu Verschlechterungen kommt. Ich muss jedoch festhalten, dass die Vorgaben der einschlägigen Novelle des Krankenanstaltengesetzes im Rahmen des Landeskrankenhauses Innsbruck nach mühsamen Diskussionen und Verhandlungen umgesetzt werden konnte. Die Handhabung der Poolregelungen erfolgt jedoch bei den einzelnen Kliniken unterschiedlich. Hier besteht durchaus bei einzelnen Organisationseinheiten Optimierungsbedarf.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2010