Gesund­heits­re­form: „Mas­ter­plan” mit Unschärfen

10.03.2010 | Politik


Mit einem „Mas­ter­plan“, von dem der­zeit nur vage Umrisse bekannt sind, will der Haupt­ver­band der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger für eine umfas­sende Reform des Gesund­heits­we­sens und eine dau­er­hafte Sanie­rung der Kran­ken­kas­sen sor­gen, um deren finan­zi­elle Situa­tion es etli­che Unklar­hei­ten gibt.

Von Kurt Mar­ka­rit­zer

Fest steht, dass die jah­re­lang von schwe­ren Defi­zi­ten geplag­ten kran­ken Kas­sen im Vor­jahr einen Über­schuss von 146,9 Mil­lio­nen Euro erzielt haben, wobei es zwi­schen den ein­zel­nen Insti­tu­tio­nen enorme Unter­schiede gab. Die chro­nisch finanz­schwa­chen Gebiets­kran­ken­kas­sen muss­ten auch 2009 ein leich­tes Minus von 9,6 Mil­lio­nen hin­neh­men. Dass die Gesamt­bi­lanz den­noch posi­tiv aus­fiel, ist auf die berufs­stän­di­schen Kas­sen zurück­zu­füh­ren, also auf die bäu­er­li­che Sozi­al­ver­si­che­rung, die Beam­ten- Ver­si­che­rung, jene der Eisen­bah­ner und die der Selbst­stän­di­gen. Am bes­ten schnit­ten im Ver­gleich die öffent­lich Bediens­te­ten mit einem Plus von 66,3 Mil­lio­nen ab. 

Schon im heu­ri­gen Jahr wird wie­der alles anders sein, wenn die Pro­gno­sen ein­tref­fen. Dem­nach ist 2010 mit einem Abgang in der Höhe von rund 45 Mil­lio­nen zu rech­nen. In die­sem Betrag sind bereits 100 Steu­er­mil­lio­nen berück­sich­tigt, die als Struk­tur­mit­tel an die Sozi­al­ver­si­che­rung flie­ßen sol­len, wenn sie die mit der Regie­rung ver­ein­bar­ten Spar­po­ten­ziale erfüllt. Mit dem vor­her­ge­sag­ten Defi­zit befin­den sich die Kran­ken­ver­si­che­rungs­trä­ger nach Ansicht des Vor­stands­vor­sit­zen­den im Haupt­ver­band der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger, Hans Jörg Schel­ling, „exakt auf dem vor­ge­ge­be­nen Kon­so­li­die­rungs­pfad“. Eine Detail­ana­lyse zeigt aller­dings, dass der Sek­tor der Kran­ken­kas­sen dif­fe­ren­ziert zu betrach­ten ist, die Unter­schiede zwi­schen den ein­zel­nen Insti­tu­ten sind enorm. 

So hat im Vor­jahr gerade die seit Jah­ren als vor­bild­lich gewür­digte ober­ös­ter­rei­chi­sche Gebiets­kran­ken­kasse mit 20,8 Mil­lio­nen das größte Minus aller Län­der­kas­sen ein­ge­fah­ren. Sie wird nach den Pro­gno­sen auch heuer nega­ti­ver Spit­zen­rei­ter sein, wobei das Defi­zit sogar auf 44,5 Mil­lio­nen anstei­gen dürfte. Gleich­falls auf ein dras­ti­sches Minus müs­sen sich im heu­ri­gen Jahr die Wie­ner Gebiets­kran­ken­kasse (- 31,3 Mil­lio­nen), die nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Gebiets­kran­ken­kasse (- 23,9 Mil­lio­nen), sowie die Gebiets­kran­ken­kas­sen in der Stei­er­mark (- 12,4 Mil­lio­nen) und Salz­burg (- 10,9 Mil­lio­nen) ein­stel­len. Die GKK in Vor­arl­berg kommt mit einem Abgang von 3,1 Mil­lio­nen Euro glimpf­li­cher davon; die Kas­sen in Kärn­ten (+ 8,9 Mil­lio­nen), Tirol (+ 8,2 Mil­lio­nen) und dem Bur­gen­land (+ 6,8 Mil­lio­nen) sol­len dage­gen schwarze Zah­len schrei­ben. Zusam­men­ge­nom­men müs­sen alle Gebiets­kran­ken­kas­sen mit einem Minus von 102,2 Mil­lio­nen Euro rechnen. 

Die berufs­stän­di­schen Kas­sen wer­den auch heuer Gewinne machen – mit einer Aus­nahme: Die SVA muss nach der aktu­el­len Pro­gnose ein Minus von 3,8 Mil­lio­nen Euro in Kauf neh­men. Posi­tiv abschnei­den wer­den dage­gen die Beam­ten (+ 35,7 Mil­lio­nen), die Bau­ern (+ 19,2 Mil­lio­nen) sowie die Eisen­bah­ner (+ 6,9 Millionen). 

Ange­sichts die­ser beacht­li­chen Unter­schiede im Kran­ken­kas­sen-Sek­tor wären klare Kon­zepte zu einem nach­hal­ti­gen Abbau der Defi­zite erfor­der­lich, die aber offen­sicht­lich erst erar­bei­tet wer­den müs­sen. Haupt­ver­bands-Chef Schel­ling kün­digt in dem Zusam­men­hang einen „Mas­ter­plan“ an, nach dem eine umfas­sende Gesund­heits­re­form unter Ein­be­zie­hung der Spi­tä­ler erfol­gen soll. Andern­falls sei eine nach­hal­tige Sanie­rung der Kran­ken­kas­sen nicht mög­lich. Kern die­ses Kon­zepts soll eine zen­trale Stelle für Pla­nung und Steue­rung inklu­sive Qua­li­täts­si­che­rung und Aus­bil­dung sein, mit der dann auch eine gemein­same Finan­zie­rung aus einem Topf mög­lich wäre. 

Zur Erar­bei­tung des Gesamt­kon­zepts sol­len Exper­ten von außen ein­ge­la­den und inter­na­tio­nale Modelle begut­ach­tet wer­den. Was kon­kret vor­ge­se­hen ist, lässt sich der­zeit nicht abschät­zen, mehr öffent­li­ches Geld soll aber nicht ins Gesund­heits­sys­tem gepumpt wer­den, meinte Schel­ling: „Das wäre falsch.“ Vage deu­tete der Haupt­ver­bands-Chef die Mög­lich­keit an, dass die Berei­che Pflege und Gesund­heit zusam­men­ge­führt wer­den könn­ten – zu prä­zi­se­ren Aus­sa­gen war er nicht zu bewe­gen. Auf Ersu­chen der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­zei­tung um ein Inter­view hieß es von Sei­ten des Haupt­ver­ban­des nur lako­nisch: „Ver­bands­vor­sit­zen­der Dr. Schel­ling will zum Thema Mas­ter­plan und Kas­sen­fi­nan­zen der­zeit kein Inter­view geben.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 5 /​10.03.2010