E-Health: „ELGA ist auf dem Weg!“

25.10.2010 | Politik


An E-Health führt kein Weg mehr vorbei. ELGA ist dabei das Leitprojekt des umfassenden Medizin-Informationssystems, an dem seit geraumer Zeit eifrig gearbeitet wird. Über Chancen und Risiken von E-Health, über Finanzierungs- und Sicherheitsfragen, und darüber, was sich im Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten wird ändern müssen, diskutierten Experten kürzlich bei einer Veranstaltung in Wien*.

Von Ruth Mayrhofer

E-Health in all ihren Facetten in Verwaltung, Diagnostik, Therapie und Informationsmanagement ist ein subsidiärer Teil des Medizinsystems, der alle – inklusive Patienten – angeht, ein öffentliches Interesse darstellt, aber kein Medizin-Ersatz sein kann“. So definierte Sektionschef Clemens Auer vom Gesundheitsministerium jene Veränderungen, die in Sachen E-Health und damit ELGA als Teil- und Leitprojekt davon schon in allernächster Zeit auf Österreich und alle Österreicher zukommen werden. Das Gesundheitsministerium wolle und müsse das Projekt pushen und die Koordination vorantreiben sowie den Nutzen der neuen Informationstechnologien per se und jenen für alle Anwender und Patienten in den Vordergrund rücken.

Paradigmenwechsel in Sicht?

Der Kernpunkt der derzeit im Gange befindlichen Koordinationsbemühungen des BMG sei – auch im EU-Kontext – die Herstellung der Interoperabilität von bestehenden und zukünftigen Systemen. Dazu zählen technische Standards genauso wie der zeitlich und örtlich unabhängige Zugang zu strukturierter Information, klare Zugangsberechtigungen und ebenso klare Rechtsgrundlagen. Auf Seite der Patienten sei der Zugang zu Informationen ein klares Patientenrecht, stellte Auer fest. Daher müsste sich das Paradigma, dass Ärzte allein ihre Patienten vertreten, ändern: Die Patienten können mit den Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie ihre Interessen selbst wahrnehmen. Daher sei für sie der Zugang zu ihren medizinischen Daten unverzichtbar. ELGA GmbH-Geschäftsführerin Susanne Herbek stößt ins gleiche Horn: Sie betont, dass sich die Rolle und das Kommunikationsverhalten der Ärzte, aber auch aller anderen GDAs, im Sinne von „informierten Patienten“ zukunftsorientiert ändern müsse, vor allem auch deswegen, weil schon heute in Österreich die Hälfte der Menschen (Patienten) zwischen 45 und 75 Jahren – das sind in Summe immerhin 1,34 Millionen – das Internet als „Silver Surfer“ regelmäßig nutzen würden.

Informations-„Fahrplan“ steht

Der „Fahrplan“ von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen ist von den ELGA-Systempartnern Bund, Sozialversicherung und den Ländern bestimmt: Bis Ende 2010 sollen in Sachen ELGA diverse Einzelanwendungen (wie zum Beispiel E-Medikation) pilotiert werden. Auch der Gesundheitsdienstleisterindex (GDA-Index) soll bis dahin „stehen“. Außerdem wird der Entwurf zur Novelle zum Gesundheitstelematikgesetz in Begutachtung gehen. Ebenso für 2011 vorgesehen ist unter anderem die Entwicklung eines E-Impfpasses. Bis Ende 2011 soll in Folge die zentrale Infrastruktur der ELGA fertig gestellt sein. Ein eigenes ELGA-Portal soll ELGA darüber hinaus für alle Patienten zugänglich machen.

Politisch sei eine „irreversible Errichtungsentscheidung“ für ELGA getroffen worden, erklärte Clemens Auer: „ELGA kommt nicht nur, sie ist auf dem Weg!“ Die gedeihliche Zusammenarbeit mit allen betroffenen Partnern sei jedoch dabei ein eminent wichtiges Kriterium. Auer weiter: „Einsam geht’s nicht. Aber: einsam wird man ELGA auch nicht verhindern können.“

Wünsche und Bedenken

Was die Ärzteschaft betrifft, so ist Robert Hawliczek, Kurienobmann-Stellvertreter der Kurie Angestellte Ärzte der Wiener Ärztekammer sowie Primarärztereferent der ÖÄK, „guter Dinge“, dass insgesamt der Nutzen von E-Health-Anwendungen für die Ärzteschaft ein großer sein wird, wenn auch ihm bewusst sei, dass „das System genutzt, aber auch missbraucht werden“ kann. Insbesondere beträfe dies den Datenschutz von Gesundheitsdaten. Außerdem müsse es seiner Meinung nach auch eine „ELGA-freie Zone“ für die Patienten geben, weil es letztlich auch um die Wahrung von Bürger- und Patientenrechten gehe.

Die Sorgen von Franz Schramm von der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) zielen vor allem darauf ab, dass die Ärzte in der täglichen Praxis „mit unstrukturierten Daten zugemüllt“ und die Möglichkeiten der Technik insgesamt überschätzt werden könnten. Als Beispiel zu Letzterem führt der niedergelassene Allgemeinmediziner die E-Medikation an: „Zwei Drittel der unerwünschten Arzneimittelwirkungen resultieren aus falscher Einnahme oder Non-Compliance oder zuwenig Flüssigkeitszufuhr und nicht aus Arzneimittel-Interaktionen. Das heißt, dass im System nur ein Drittel der Probleme dargestellt wird“. Daher plädiert der Arzt dafür, dass für die Lösung der zwei Drittel dieses Problems dann sinnvollerweise doppelt so viel Geld für die Primärversorgung ausgegeben werden sollte als für diesen Bereich der E-Medikation.

Die Ärztin Susanna Michalek von der Initiative ELGA konzediert, dass sich im Jahr 2010 zwar „die Kommunikation aller Beteiligten in Sachen E-Health um 100 Prozent verbessert“ hätte, doch müssten letztlich alle E-Health-Anwendungen „so schnell gehen, dass es kein Hindernis gibt, mit den Patienten zu arbeiten.“


* „E-Health aus der Sicht von Ärzten, Apothekern und anderer GDAs und Health Literacy“, Con•ect Informunity, 29.9.2010

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2010