Klarstellung: Beitrag Barrierefreiheit (22/2010)

15.12.2010 | Politik

Ordinationen fallen nach Rechtsansicht der Österreichischen Ärztekammer nicht unter das Behindertengleichstellungsgesetz.
Von Rita Offenberger*

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGBl. I Nr.82/2005 idF BGBl. I Nr. 62/2010 – BGStG) soll die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen beseitigen oder verhindern und ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gewährleisten wie auch eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. Es gilt für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung sowie für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses, soweit es jeweils um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes gegeben ist.

Daraus folgt, dass nicht unreflektiert davon auszugehen ist, dass ärztliche Ordinationen und Gruppenpraxen in den Geltungsbereich des BGStG fallen: Medizinische Behandlung, die aufgrund eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages zwischen der niedergelassenen Ärztin bzw. dem Arzt und den Patienten erfolgen, stellen eben gerade keine Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, dar. Diese Argumentation trifft nicht nur auf die medizinische Behandlung außerhalb des Kassenvertragssystems, sondern auch auf die kassenvertragliche medizinische Behandlung zu, die ja erst durch den Abschluss eines Einzelvertrages auf Grundlage von zwischen der Krankenversicherung und den Ärztekammern geschlossenen Gesamtverträgen im Regime des sozialen Krankenversicherungssystems erfolgen kann (und nicht aus der unmittelbaren Regelungskompetenz des Bundes). Auch im Kassenvertragssystem bedarf es darüber hinaus eines im beiderseitigen Einvernehmen geschlossenen, privatrechtlichen Behandlungsvertrages zwischen dem Arzt und dem sein Recht auf freie Arztwahl ausübenden „Kassen“patient. Die regelmäßig gleichförmig erbrachte Dienstleistung ohne Ansehen der Individualität des Konsumenten, wie sie für Verbrauchergeschäfte typisch ist, trifft auf das Behandlungsverhältnis – vgl. Anamnese, Behandlungsangebote in einem DMP – in oder außerhalb eines DMPs, je nach Wahl des Patienten – ganz und gar nicht zu. Die Schlussfolgerung und Rechtsansicht der ÖÄK: Das BStG ist daher auf ärztliche Ordinationen nicht anwendbar.

Die Gesamtvertragspartner (Ärzteschaft und Sozialversicherung) sehen daher für die Invertragnahme von Werbern um Kassenverträge nunmehr schon weitreichende Kriterien zur Verpflichtung des Bemühens um barrierefreie Ordinationen vor. Außerdem ist in der Qualitätssicherungsverordnung für die Übernahme oder Neueröffnung von allen Ordinationen ebenfalls eine Bestimmung zur verpflichteten Konsultation von Behindertenverbänden mit dem Ziel der Unterstützung für die Schaffung barrierefreier Ordinationen normiert.

Das Barreierefreiheitsregister der ÖQMed informiert online unter http://www.arztbarrierefrei.at/ über das jeweils konkrete Angebot ärztlicher Ordinationen und Gruppenpraxen, die bemüht sind, barrierefreie Gesundheitsleistungen zu erbringen. Ein Nutzerbeirat unterstützt die Bemühungen zur Verbesserung dieses Informations- und Behandlungsangebots.

*) Mag. Rita Offenberger ist Juristin in der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2010