Ärzt­li­che Fort­bil­dung: Indi­vi­dua­li­tät zählt!

25.05.2010 | Politik

Es gibt keine beste Lern­me­thode – dies erklärte die Bil­dungs­exper­tin Janet Grant von der Open Uni­ver­sity in Mil­ton Keynes im Rah­men ihres Vor­trags anläss­lich einer Enquete der „öster­rei­chi­schen aka­de­mie der ärzte“. Wir­kungs­vol­les Ler­nen solle viel­mehr auf die spe­zi­fi­schen Bedürf­nisse der Ärzte abge­stimmt sein.
Von Bir­git Oswald

Im Rah­men ihres Vor­trags unter dem Motto „Kom­pe­tenz im Mit­tel­punkt – die Wir­kung ärzt­li­cher Fort­bil­dung“ teilt Janet Grant vom Cen­ter for Edu­ca­tion in Medi­cine der Open Uni­ver­sity in Mil­ton Keynes den Fort­bil­dungs­pro­zess in drei Akte ein. Die ärzt­li­che Grund­aus­bil­dung defi­niert die Fort­bil­dungs­exper­tin als ers­ten, die medi­zi­ni­sche Aus- und Wei­ter­bil­dung als zwei­ten Akt. Grants Vor­trag fokus­siert schließ­lich den drit­ten Akt, der die Fort­bil­dung und fach­li­che Wei­ter­ent­wick­lung umfasst. In die­sem Pro­zes­s­teil stellt das berufs­im­ma­nente Ler­nen die Beson­der­heit dar. „Das Ler­nen ver­schiebt sich hier­bei von der uni­ver­si­tä­ren Theo­rie in die Pra­xis und beginnt durch das Sam­meln ers­ter prak­ti­scher Erfah­run­gen unter Beauf­sich­ti­gung. In die­sem Pro­zess kann die gelernte Theo­rie pra­xis­ori­en­tiert betrach­tet und ärzt­li­che Fer­tig­kei­ten erwor­ben wer­den,“ sagt Grant. Trotz der in die­ser Phase noch exis­ten­ten Ein­schrän­kung der ärzt­li­chen Ver­ant­wor­tung sieht sie das Sam­meln der prak­ti­schen Fer­tig­kei­ten als Grund­fak­tor, aus dem wirk­sa­mes Con­ti­nuing Pro­fes­sio­nal Deve­lo­p­ment (CPD) ent­steht. Die ärzt­li­chen Hand­lun­gen ent­wi­ckeln sich indes­sen von der Neben­rolle mit begrenz­ter Ver­ant­wor­tung schritt­weise zur Haupt­rolle mit vol­ler Verantwortung.

Um die Fort­bil­dungs­qua­li­tät zu erhö­hen, müs­sen laut Grant Ärzte in ihrem indi­vi­du­el­len Ler­nen unter­stützt wer­den. „Es gibt keine beste Lern­me­thode. Ärzte ler­nen bereits heute auf ver­schie­dene Weise wir­kungs­voll. Effek­ti­ves Ler­nen kann ent­we­der bedarfs­be­zo­gen oder für die all­ge­meine beruf­li­che Ent­wick­lung des Arz­tes dien­lich sein“, so Grant. Vor­ge­fer­tigte Sys­teme seien dabei kon­tra­pro­duk­tiv, da sie zwar mess- und sicht­bar sind, den sub­jek­ti­ven Lern­be­dürf­nis­sen aber nicht gerecht wer­den könn­ten. „Wir­kungs­vol­les Ler­nen soll auf die spe­zi­fi­schen Bedürf­nisse der Ärzte abge­stimmt sein und sich auf ihre all­ge­meine beruf­li­che Wei­ter­ent­wick­lung aus­wir­ken“, erklärt Grant. Die­ses indi­vi­du­elle Ler­nen stehe nicht nur im Inter­esse von ein­zel­nen Fort­bil­dungs­wil­li­gen, son­dern wirke sich auch zu Guns­ten der All­ge­mein­heit aus. Con­ti­nuing Pro­fes­sio­nal Deve­lo­p­ment müsse sich dem­nach auch der ärzt­li­chen Pra­xis und den Bedürf­nis­sen der Gesell­schaft anpas­sen. Die Exper­tin spricht ein Pro­blem im ärzt­li­chen Fort­bil­dungs­pro­zess an, das es zu beden­ken gilt: das feh­lende Zeit- und Geld­bud­get der Medi­zi­ner. Sie plä­diert des­halb auch dafür, for­ma­li­sier­tes Ler­nen zu ermög­li­chen und infor­melle Lern­leis­tun­gen anzuerkennen.

Grant betont die Wich­tig­keit der ärzt­li­chen Fort­bil­dung, um die Qua­li­tät im medi­zi­ni­schen All­tag zu sichern und zu stei­gern; weist aber gleich­zei­tig dar­auf hin, dass eine schlechte Leis­tung dadurch nicht ver­hin­dert wer­den könne. „Es ist falsch, dass Ärzte den Bedarf ihrer CPD-Leis­tun­gen igno­rie­ren,“ akzen­tu­iert Grant. Im Gegen­teil: „Der Beruf Arzt erfor­dert lebens­lan­ges Ler­nen, das nach dem Medi­zin­stu­dium nicht been­det ist. Ärzte müs­sen ihre prak­ti­schen Fer­tig­kei­ten stän­dig trai­nie­ren und opti­mie­ren, um am neu­es­ten medi­zi­ni­schen For­schungs­stand behan­deln zu kön­nen,“ so die Exper­tin wei­ter. Grant sieht in die­sem prak­ti­schen Trai­ning auch eine gute Mög­lich­keit für Ärzte, den Nut­zen des Con­ti­nuing Pro­fes­sio­nal Deve­lo­p­ment zu demonstrieren.

Abschlie­ßend schlägt Grant drei Punkte vor, die not­wen­dig sind, um ein wir­kungs­vol­les Con­ti­nuing Pro­fes­sio­nal Deve­lo­p­ment zu errei­chen. „Der Fort­bil­dung muss eine Bedarfs­er­he­bung vor­aus gehen, danach kann bedarfs­be­zo­gen gelernt und die Lern­in­halte anschlie­ßend durch Fol­low-up Akti­vi­tä­ten ver­stärkt wer­den“, so Grant. Sie betont, dass die Qua­li­tät der Fort­bil­dung nicht am Out­come gemes­sen wer­den kann: „Zwi­schen Ler­nen und Out­come einen kau­sa­len Zusam­men­hang her­zu­stel­len, ist prak­tisch unmög­lich. Zwi­schen den bei­den Fak­to­ren sind zu viele ris­kante Varia­blen vor­han­den“, so Grant. Die Exper­tin fol­gert dar­aus, dass die ein­zige Mög­lich­keit, wir­kungs­vol­les Con­ti­nuing Pro­fes­sio­nal Deve­lo­p­ment zu schaf­fen, darin besteht, den Pro­zess an sich zu unterstützen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2010