120. Ärztekammertag: Im Zeichen des Jubiläums

25.01.2010 | Politik


Im Zeichen des Jubiläums

Die 120. Vollversammlung der ÖÄK im Dezember 2009 in Wien stand ganz im Zeichen des 60-jährigen Jubiläums der Wiedererrichtung der Standesvertretung.
Von Agnes M. Mühlgassner   

Der Einladung zum Festakt anlässlich 60 Jahre Wiedererrichtung der ÖÄK am 18. Dezember 2009 in einem Wiener Hotel folgten zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens: die Minister Stöger (Gesundheit) und Hundstorfer (Soziales), der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer, Staatssekretär Josef Ostermayer, Hubert Hrabcik (Generaldirektor für öffentliche Gesundheit), Robert Schlögel (Sektionschef im Gesundheitsministerium), die Gesundheitssprecher der Parlamentsparteien: Sabine Oberhauser (S), Erwin Rasinger (V), Andreas Karlsböck (F), Wolfgang Spadiut (BZÖ) sowie Kurt Grünewald (Grüne). Die Spitze des Hauptverbandes war vollständig vertreten mit Josef Kandlhofer (Generaldirektor), Hans-Jörg Schelling (Verbandsvorsitzender) sowie den Stellvertretern Christoph Klein, Josef Probst und Volker Schörghofer. Ebenso anwesend waren Karl Donabauer (Obmann der SV der Bauern), Gottfried Winkler (Obmann der VAEB) in Begleitung mit Kurt Völkl sowie Martin Gleitsmann (SVA der gewerblichen Wirtschaft). Für den musikalischen Rahmen sorgte das Flötenquartett der Camerata Medica Wien unter der Leitung von Martin Donner.

In seiner Eröffnungsrede betonte Gesundheitsminister Alois Stöger den besonderen Stellenwert der ÖÄK und auch des Ärztekammertags. „Die ÖÄK ermöglicht es den Ärztinnen und Ärzten bei all ihrer Heterogenität, geschlossen in der Öffentlichkeit aufzutreten, die Stimme zu erheben und in Diskurs zu treten und Gewicht zu verleihen“. Schon vor einem Jahr, so erzählte Stöger, hätte er seinen ersten Auftritt als Gesundheitsminister bei der Vollversammlung der ÖÄK wahrgenommen – es sei ein Signal der besonderen Wertschätzung für die Ärzte gewesen. „An dieser Wertschätzung hat sich nichts geändert.“ Besonders erfreut zeigt er sich darüber, dass „die Sozialpartner geschlossen anwesend sind, weil durch die gemeinsame Arbeit der Sozialpartner das Gesundheitssystem weiterentwickelt werden kann“.  

Im weiteren Verlauf der Rede hob Stöger die besondere Leistung des „exzellenten Gesundheitswesens“ hervor; werden in diesem Sektor doch 10,4 Prozent der Wirtschaftsleistung erarbeitet. Er betonte des Weiteren, dass es „nicht um die Ökonomisierung des Gesundheitswesens gehe, sondern darum, das Gesundheitswesen weiter zu entwickeln, aber dass wir ressourcenschonend vorgehen“. Dabei betonte er die Einbindung der Selbstverwaltung: im Austausch mit anderen Interessensgruppen die Politik mitgestalten.

Zwei zentrale Aspekte nannte Aspekte nannte Stöger für die Zukunft: einerseits gute Versorgungsstrukturen zu haben und andererseits mit dem Geld auszukommen. Und die Gesundheitspolitik sei umso besser, je besser der Dialog zwischen den Partnern funktioniere. Als Beispiel für ein „hohes Engagement der Ärzte“ für suffiziente Strukturen im Gesundheitswesen nannte er das in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband geschnürte Kassenpaket. Im fairen Umgang miteinander und in der guten Zusammenarbeit sieht der Minister den Schlüssel für ein erfolgreiches Gesundheitssystem. Und weiter: „Ein Gesundheitssystem, das eine solidarische Finanzierung hat, braucht die Selbstverwaltung.“

In Vertretung des Bundespräsidenten verlieh Minister Stöger anschließend ÖÄK-Präsident Walter Dorner das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. „Der Herr Bundespräsident würdigt damit die herausragende berufliche Leistung und auch das hohe Ansehen, das Sie in der österreichischen Öffentlichkeit genießen“. Dies zeichne sich durch Handschlagqualität wie auch durch Menschlichkeit aus. Es sei darüber hinaus auch ein Akt der persönlichen Wertschätzung, wie der Minister erklärte; es unterstreiche die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen der Ärztekammer und dem Gesundheitsministerium.

In einem kurzen Rückblick ließ Stöger den Werdegang von Walter Dorner Revue passieren: geboren in Neunkirchen (Niederösterreich), verbrachte er seine Kindheit im Burgenland; Matura in Mattersburg (Burgenland). Nach dem Turnus und der Facharztausbildung für Chirurgie am Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien Facharzt für Chirurgie im Heeresspital in Wien Stammersdorf, dessen stellvertretender Kommandant und ärztlicher Leiter Dorner war. Darüber hinaus war er Kommandant des Heeresspitals und der Van-Swieten-Kaserne. Seine standespolitische Aktivität begann 1981 mit der Wahl in die Wiener Vollversammlung. Seit 1999 ist er Präsident der Wiener Ärztekammer, seit 2007 Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Dorner ist ein Standesvertreter und Gesundheitspolitiker, der nachdrücklich die Interessen der Ärzte in Österreich vertritt. Vor allem gibt es über sämtliche Überlegungen hinaus eine Konstante: die Interessen und Bedürfnisse von kranken Menschen in den Mittelpunkt zu stellen“, so Stöger abschließend, der Dorner seinen „Dank für das große Engagement im Dienst am Menschen“ aussprach mit dem persönlichen Wunsch für eine weitere gute Zusammenarbeit. Walter Dorner bedankte sich für diese Auszeichnung, die er jedoch „nicht persönlich für sich in Anspruch nimmt, sondern für die österreichischen Ärzte, die Tag für Tag landauf, landab aufopfernd ihren Dienst versehen“. Er sehe die Ehrung als Verdienst und Anerkennung der Regierung, des Bundespräsidenten.

Im weiteren Verlauf seiner Rede befasste sich Dorner mit der Entstehungsgeschichte der ÖÄK nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis zum Geltungsbeginn des neuen österreichischen Ärztegesetzes am 1. Mai 1949 war die Reichs-Ärzteordnung in Kraft. Jedoch gab es schon nach dem Zweiten Weltkrieg provisorische Ärztekammern. Das „Bundesgesetz über die Ausübung des ärztliches Berufes und die Standesvertretung der Ärzte“ – kurz Ärztegesetz – wurde am 30. März 1949 beschlossen und besteht aus drei Abschnitten: der ärztlichen Berufsordnung, den Bestimmungen über die Errichtung und Führung der ärztlichen Standesvertretung, also der Ärztekammern, sowie den Bestimmungen für die in Ausbildung stehenden Ärzte. Noch im Mai 1949, also nur kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des Ärztegesetzes, fand in Wien die „Erste Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer“ statt.

Mit diesem Ärztegesetz wurde die Basis wurde die Freiberuflichkeit der Ärzte geschaffen. Dorner dazu: „Ich betone das deswegen, weil die Freiberuflichkeit heute noch genauso wichtig ist wie damals. Gerade in einer sich wandelnden Zeit muss es gewisse Konstanten geben, die auch gegenüber den politischen Wechselfällen Bestand haben können“. Die Österreichische Ärztekammer habe immer den Konsens in den Vorgrund gestellt: den Konsens mit der Politik, mit den Sozialpartnern, mit allen Berufsgruppen und Interessenvertretungen; dabei stehe jedoch immer die Obsorge um das Wohl der Patienten im Mittelpunkt. „In einer Sozialpartnerschaft sind Befindlichkeiten von beiden Seiten natürlich auch immer gegeben – vergleichbar einer Ehe; auch in einer guten Ehe sind Spannungen möglich. Auf Sozialpartnerebene jedenfalls konnten diese Differenzen immer friedlich gelöst werden“, so das Resümee des ÖÄK-Präsidenten.

Die Österreichische Ärztekammer werde in Zukunft besonders darauf achten, dass die medizinische Forschung, die Patientenversorgung, aber auch die Standespolitik weiterhin auf einem hohen Niveau betrieben werden. Und er versicherte, dass die österreichischen Ärztinnen und Ärzte auch in den nächsten 60 Jahren in diesen Bereichen eine wichtige Rolle spielen und hier aktiv gestaltend eingreifen werden – sei es nun auf nationaler oder internationaler Ebene. Dorner: „Wir sind ein freier Beruf – und das wollen wir auch in Zukunft bleiben. Wir sind verantwortungsvoll genug, um unsere Kontrollmechanismen auch weiterhin entsprechend wahrnehmen zu können“. Der ÖÄK-Präsident sprach all jenen den Dank aus, die dazu beigetragen haben, dass man auf die mittlerweile 60-jährige Erfolgsgeschichte der Österreichischen Ärztekammer zurückblicken könne. „ Wir sind ein unverzichtbarer und notwendiger Rechts- und Funktionsträger im und für das Gesundheitswesen in Österreich. Der Stolz und die Freude über das in dieser Zeit Geleistete und Erreichte sollen uns Ansporn und Triebfeder für die Zukunft sein“, so Dorner abschließend.    

Minister nimmt an Bundeskurie Niedergelassene teil

Im Vorfeld des 120. Ärztekammertages besuchte erstmals ein Gesundheitsminister eine Sitzung der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. Thema Nr. 1 dabei: die Ärzte-GmbHs. Bekanntlich waren sie im „Kassenpaket“ zwischen ÖÄK und Hauptverband vereinbart; fanden sich jedoch im Gesetzestext dann nicht wieder. Was Alois Stöger in der Bundeskurie dazu sagte? „Ich stehe dazu, was Sie mit dem Hauptverband vereinbart haben, dass es eine Ärzte-GmbH zu geben hat. … Bei allem Handeln muss ein Nutzen für den Patienten vorhanden sein. Die Zusammenarbeitsform von Ärzten braucht es einfach. Eine komplexere Medizin muss auch im niedergelassenen Bereich versorgungswirksam sein. Das will ich.“

Er, Stöger, wolle eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs, es gehe aber auch um eine höhere Akzeptanz des niedergelassenen Bereichs ebenso auch um den konkreten Patientennutzen wie etwa die Öffnungszeiten. Woran es – jetzt – noch scheitert? Stöger: „Wir brauchen noch mehr Klarstellungen: wie wollen wir die Ärzte-GmbHs ausgestalten?“. Aber: „Der Prozess wird zügig fortgesetzt, wir wollen ein Ergebnis haben“. Sein Ziel formulierte er wie folgt: Anfang 2010 eine Regierungsvorlage zu haben und ein Signal zu setzen, dass im niedergelassenen Bereich die Versorgungswirksamkeit gestärkt werden soll.

Jedoch äußerten die Verteter der Bundeskurie ihre Bedenken, wie etwa die Stellungnahme von Kurienobmann Günther Wawrowsky zeigt: „Wir sind davon ausgegangen, dass die Ärzte-GmbHs im Gesamtpaket waren. Ich fürchte, dass andere Interessensgruppen ihren Verhinderungsbeitrag bringen werden“.

Ehrenzeichen für Erwin Rasinger

Im Rahmen der Vollversammlung erhielt Gesundheitssprecher Erwin Rasinger (V) das Große Goldene Ehrenzeichen der ÖÄK.

Schon während des Medizin-Studiums, das Erwin Rasinger 1978 beendete, war er Studentenvertreter; in der Folge dann auch Turnusärztevertreter und Kammerrat der Wiener Ärztekammer. Seit 1982 ist er Allgemeinmediziner, seit 1995 Präsidialreferent. Auf ÖÄK-Ebene war er mehr als sechs Jahre Umwelt-Referent. 1991 wurde Erwin Rasinger in den Wiener Gemeinderat gewählt, seit 1994 ist er Abgeordneter zum Nationalrat und Gesundheitssprecher der ÖVP. In dieser Zeit erlebte er an der Spitze des Gesundheitsressorts Christa Krammer, Eleonore Hostasch, Elisabeth Sickl, Herbert Haupt, Maria Rauch-Kallat, Andrea Kdolsky und aktuell Alois Stöger.

„Ein Arzt als Politiker, ein Politiker als Arzt“ – wie Walter Dorner in seiner Laudatio philosophierte. Erwin Rasinger werde über die Parteigrenzen hinweg als Gesundheitssprecher der bürgerlichen Partei respektiert und er schaffe die Quadratur des Kreises: Trotz Ordination und Parlament immer up to date zu sein was die internationale Entwicklung in Gesundheitspolitik und Medizin betrifft. Der fanatische Leser und begeisterte Hobbysportler habe bei der Ausübung seiner politischer Funktion nie vergessen, dass er Arzt ist. „Er versucht mit Herz und Verstand innerhalb der Politik die Sichtweise der Ärzteschaft darzulegen – was sicherlich nicht immer einfach ist“, meinte Dorner und „für diesen Mut und diesen Einsatz möchten wir Dir heute danken“.

„Diese Ehrung zeigt mir, dass meine Tätigkeit immer wieder positiv gesehen wird“, erklärte Rasinger im Anschluss an die Verleihung. „Ich sehe meine Rolle im Parlament als die des Arztes in der Politik“ – der er insgesamt „sehr wenig ärztlichen Sachverstand“ attestiert.

Im Vergleich zur Wirtschaftskammer sei die Ärztekammer doch eine kleine Kammer, etwa im Verhältnis 1:10. Und die Vertretungsmöglichkeit von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer werde manchmal brutal wahrgenommen, so Rasinger, der sich in einer „doppelten Sandwich-Funktion“ sieht: als Ärztefunktionär und Politiker.

Eine klare Absage erteilte er der Ver-Ökonomisierung der Medizin. „Wir müssen den Arzt davor schützen, dass eine Behandung nach dem State of the Art heißt: das ist ein teurer, unökonomischer Arzt“, so Rasinger. „Wir müssen den Mut haben, nicht von allen geliebt zu werden“. Es gibt jährlich 100 Millionen Patientenkontakte, 16 Millionen in den Ambulanzen und 2,5 Millionen stationäre Aufenthalte – „Die machen uns Ärzte zu einer moralischen Macht“, zeigte sich Rasinger überzeugt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2010