Zystische Mammaläsionen: Sonographie als Leitlinie

25.09.2010 | Medizin

Beinahe jede zweite Frau weist zystische Brustläsionen auf: vor allem zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr sowie perimenopausal. Das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen orientiert sich am Ergebnis der Mammasonographie.
Von Irene Mlekusch

Zystische Läsionen der weiblichen Brustdrüse zählen zu den nicht proliferativen Brustläsionen, gehen aus terminalen duktulolobulären Einheiten hervor und sind flüssigkeitsgefüllt. Mammazysten zählen zu den benignen Brusterkrankungen und tragen, falls sie keine proliferativen Anteile aufweisen, kein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Mammakarzinoms. Dennoch sollte jede Zyste sorgfältig abgeklärt werden. Univ. Prof. Michael Stierer vom Multidisziplinären Brustzentrum im Hanusch Krankenhaus in Wien merkt an, dass nahezu die Hälfte aller Frauen zystische Brustläsionen aufweisen, die aber nicht immer symptomatisch sind. Über die Ätiologie der Brustzysten ist wenig bekannt. „Viele Frauen spüren zystische Läsionen prämenstruell stärker als sonst“, sagt Univ. Prof. Susanne Taucher von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Innsbruck. „Besonders prämenstruell kann es zu einer Vergrößerung von Zysten kommen, die dann auch unangenehm oder sogar schmerzhaft sein können.“

Rein klinisch lässt sich eine Zyste nur schwer von anderen Läsionen der weiblichen Brust unterscheiden. Taucher weist darauf hin, dass Mammazysten häufig nicht solitär und auch immer wieder beidseits anzutreffen sind. Zysten treten vorwiegend bei Frauen zwischen 30 und 50 Jahren sowie perimenopausal auf. „Viele Zysten werden im Rahmen der breast cancer awareness bei Routinekontrollen entdeckt“, erklärt Stierer. Taucher ergänzt: „Dabei ist in der Mammographie ein solider Herd nicht zu unterscheiden von einer zystischen Läsion. Der Ultraschall ist die Methode der Wahl.“ Erst durch die Sonographie lässt sich eine Einteilung treffen: Man unterscheidet simple, komplizierte und komplexe Zysten. Eine weitere Kategorie stellen die Konglomerate gebündelter Mikrozysten dar.

„Einfache Zysten können beobachtet werden, außer die Patientin wünscht ausdrücklich eine Entfernung der Zyste“, beschreibt Taucher. Da es keine konservative Therapie im Sinn einer Medikation gibt, empfiehlt Taucher ihren Patientinnen gut sitzende BH‘s oder auch einen straffen Sport-BH zu tragen, da diese Stütze oft als angenehm empfunden wird. Bei leichten entzündlichen Reaktionen können lokaltherapeutische Maßnahmen wie zum Beispiel Topfenumschläge hilfreich sein. Manchmal kann die sonographische Beurteilung einer Mammazyste erschwert sein, weil diese entweder zu tief liegt oder zu klein ist. Das weitere Vorgehen muss hier individuell unter Ansicht der übrigen Befunde in Absprache mit der Patientin beschlossen werden. Stierer gibt zu bedenken, dass zu wenige Guidelines vorhanden sind. Er empfiehlt seinen Patientinnen bei simplen, asymptomatischen Zysten der Kategorie BI-RADS II weitere Kontrollen im Rahmen der üblichen Routinevorsorge. Jegliche Befundänderung, Schmerzen oder Wachstumstendenzen sollten aber eine Ultraschallkontrolle zur Folge haben. Ist die Zyste im Tastbefund prall gespannt und schmerzhaft, rät Stierer zu einer Feinnadelaspiration, die meist rasch zu einer Entlastung führt. „Die Aspiration kann bei Beschwerden mehrmals durchgeführt werden. Füllt sich die Zyste immer wieder, sollte eine chirurgische Sanierung überlegt werden“, so der Experte. Ist der Zysteninhalt blutig, muss das Aspirat zytologisch untersucht werden.

Malignitätsausschluss

Einfache Zysten sind nicht malignomverdächtig. Auch bei den komplizierten Zysten, die in der Sonographie Lage-inkonstante Binnenechos aufweisen, liegt die Malignitätswahrscheinlichkeit bei unter zwei Prozent. Hämatome, Fettnekrosen oder Galactocelen können sonographisch als komplizierte Zysten imponieren. Anders sieht es bei den sogenannten komplexen Zysten, die einen soliden Anteil aufweisen, aus. Diese Zysten sind in der Struktur sehr unterschiedlich und können abgesehen von den intrazystischen soliden Anteilen außerdem dicke Wände oder Septen aufweisen. Beide Experten raten zum Ausschluss der Malignität zu einer operativen Abklärung, da eine Biopsie aufgrund der Kleinheit des soliden Anteils meist nicht möglich ist. „Ist allerdings eine ultraschallgezielte Punktion möglich, muss die Entscheidung Biopsie oder operative Entfernung individuell getroffen werden“, sagt Stierer. Vor allem bei kleineren Zysten ist es angebracht, die Läsion während der Punktion mit einem Clip zu versehen, um eine eventuell spätere Exstirpation zu erleichtern. Die Mammographie liefert bei komplexen Zysten mitunter wichtige Zusatzinformationen in Bezug auf Mikroverkalkungen, Charakterisierung und weitere suspekte Läsionen.

Das Ergebnis der zytologischen oder histologischen Untersuchung kann auf benigne Läsionen wie Fibroadenome und die Gruppe der „fibrocystic changes“ hinweisen, die nicht mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko in Zusammenhang stehen. Ein minimal erhöhtes Risiko ist gegeben, wenn die Untersuchung der Zyste ein intraduktales oder intrazystisches Papillom ergeben hat; rund zehn bis 15 Prozent der Papillome (vor allem atypische Papillome) können entarten. Hoch-Risiko-Läsionen wie lobuläre Neoplasien im Sinne eines lobulären Carcinoma in situ sind ebenfalls mit dem Auftreten komplexer Mammazysten vergesellschaftet. „Jeder Befunddiskrepanz zwischen den pathologischen Ergebnissen und der bildgebenden Diagnostik sollte unverzüglich nachgegangen werden und gegebenenfalls zu einer neuerlichen Punktion oder Biopsie führen“, betont Stierer.


Nomenklatur zystischer Brustläsionen in der Sonographie

BI-RADS II

Simple Zyste

Definition:
– Echoleer, glatt begrenzt, rund/oval, dorsale Schallverstärkung
Procedere:
– Gutartiger Befund
– Kontrolle im Rahmen der Routinevorsorge
– Lediglich wenn symptomatisch: FNA

BI-RADS III

Komplizierte Zyste

Definition:
– Binnenechos durch intrazystischen, echoarmen Debris – „eiweißreiche“ oder „eingeblutete“ Zyste
– Inhalt lageinkonstant ohne Sonopalpation
– Keine dicke Wand (< 3 mm), keine dicken Septen, keine soliden Anteile
Procedere:
– Sonographische Verlaufskontrolle in sechs Monaten
– Symptomatisch oder Größenzunahme: FNA

Konglomerat gebündelter Mikrozysten

Definition:
– Mehrere blande, echofreie Foci
– Aneinandergelagert
Procedere:
– Sonographische Verlaufskontrolle in sechs Monaten
– Symptomatisch oder Größenzunahme: FNA

BI-RADS IV/V

Komplexe Zyste

Definition:
– Dickwandig (>3 mm), dicke Septen (>3 mm), intrazystische solide Anteile
Subkategorie:
Typ 1: dicke Wand, dicke Septen oder beides
Typ 2: ein oder mehrere kleine, intrazystische
solide Anteile
Typ 3: zystische Anteile mehr als 50 Prozent
Typ 4: solide Anteile mehr als 50 Prozent
Procedere:
US-gezielte Stanzbiopsie der soliden Anteile, wenn technisch möglich oder primär offene PE nach Drahthakenmarkierung

FNA …..Feinnadelaspiration
PE …..Probeexcision

Helbich T, Gruber R. Ultraschall in der Mammadiagnostik:
Up-date zur Nomenklatur der zystischen Brustläsionen. OERG News 4/2009.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2010