Schmerzhaftes Gelenk: Endoprothetik besser als konservatives Vorgehen

10.06.2010 | Medizin

Knieschmerzen werden vor allem durch eine chronische Meniskus-Degeneration verursacht, Hüftschmerzen im Alter vor allem durch Hüftkopf-Nekrosen und Arthrosen. Mittels Hüft-Endoprothetik erreicht man eine bessere Schmerzfreiheit als mit konservativen Mitteln – weswegen die Indikation für einen Eingriff rechtzeitig gestellt werden sollte.
Von Alexandra Bachmayer

Die Annahme, Knieschmerzen wären ausschließlich ein Problem des Alters, ist nicht richtig. „Bereits im Kindes- und Jugendalter treten Beschwerden des Knies auf“, erklärt Univ. Prof. Martin Krismer, Leiter der Orthopädischen Abteilung der Universitätsklinik Innsbruck. Die Osteochondrosis dissecans betrifft vor allem Jugendliche zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr. Es kommt zur Herauslösung eines Knorpelstückes samt darunter liegendem Knochen, wodurch in der Gelenkfläche ein Defekt entsteht.

In der Altersgruppe von 20 bis 60 Jahren ist vor allem eine chronische Meniskus-Degeneration Hauptverursacher der Schmerzen. „Akute Beschwerden treten
nach Sportverletzungen oder in Form von Überlastungssyndromen auf“, berichtet Univ. Prof. Reinhard Windhager, Leiter der Orthopädischen Abteilung am Wiener AKH. Im höheren Lebensalter wiederum dominiert die Arthrose das Ursachenspektrum der Knieschmerzen. Es kommt zum krankhaften Verschleiß des Gelenkknorpels als Folge einer dauerhaften Fehlbelastung des Kniegelenks wie bei X-Beinen oder O-Beinen, in der Folge von Sportunfällen mit nachfolgender Gelenkinstabilität oder natürlicher Alterungsprozesse. Bedeutender Risikofaktor für die Entwicklung einer Arthrose ist Übergewicht.

Verursacher Kniescheibe

Eine Gruppe von Erkrankungen, die vor allem zu vorderen Knieschmerzen führt, betrifft die Kniescheibe. Beim Morbus Osgood-Schlatter, der sich hauptsächlich bei adipösen Kindern nach sportlicher Überlastung findet, kommt es im Bereich der Tibia-Apophyse durch verstärkten Zug des Ligamentum patellae bei muskulärer Dysbalance zu einer aseptischen Knochennekrose. Therapieprinzip ist eine ein- bis zweijährige Sportkarenz mit Muskeltraining. „Bei den 20- bis 40-Jährigen wiederum ist die häufigste Kniescheibenerkrankung die Chondropathia patellae“, erläutert Krismer. Es kommt zu einer Schädigung des Knorpels an der Hinterseite der Kniescheibe, was zu Schmerzen vor allem bei längerer Kniebeugung (wie etwa beim Sitzen im Kino) führt.

„Wichtig für die Diagnose ist eine exakte Anamnese“, sagt Windhager. „Man muss die Dauer, die Intensität sowie den circadianen Charakter der Schmerzen erfragen. Gibt es ein Trauma oder eine Infektion in der Anamnese?“ Ebenfalls unerlässlich ist eine genaue klinische Untersuchung. Diese beinhaltet neben der Inspektion auch die Palpation des Knies und des Kniegelenkspalts. Man achtet auf eine Überwärmung oder Rötung des Gelenks. Geprüft werden die Beweglichkeit, die Bandstabilität, das Vorliegen von Meniskuszeichen, der Bewegungsumfang, der Lauf der Patella sowie das Auftreten eines Verschiebe- oder Anpressschmerzes. Hat man eine Verdachtsdiagnose, plant man dieser entsprechend die weiteren Untersuchungen. Methode der Wahl ist das Knie-Röntgen. Liegt eine Meniskus-Läsion vor, wird ein MRT veranlasst, da in diesem Fall ein Röntgen nicht zielführend ist.

Welche Therapiestrategie man wählt, hängt von der Ursache der Beschwerden ab. „Handelt es sich um Kreuzband-Läsionen, stehen stabilisierende Maßnahmen wie Heilgymnastik, propriozeptives Training und Muskelaufbau im Vordergrund“, erklärt Windhager. Operiert wird erst, wenn diese Behandlungsversuche erfolglos bleiben und bei Sportlern. Knorpelschäden im Bereich des Knies werden ebenfalls zunächst konservativ therapiert. Den Patienten werden cyclische Sportarten wie Radfahren, Langlaufen, Schwimmen und Wandern empfohlen. In einem weiteren Schritt werden Analgetika verordnet. Wie Krismer berichtet, werden in Österreich zur Behandlung von frühen Stadien der Arthrose nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) bevorzugt. In den USA und Großbritannien dagegen ist Paracetamol Standard. Ebenfalls hilfreich können Instillationen von Hyaluronsäure-Präparaten in das Kniegelenk sein. Diese führen zu einer Verbesserung der Knorpelernährung. Die Wirkung ist laut Krismer mit jener der NSAR vergleichbar, hält jedoch länger an.

Muss dann doch operiert werden, stehen sowohl arthroskopische als auch offene Methoden zur Verfügung. Bei Knorpeldefekten wird durch Anmeißeln des gesunden Knochens direkt unter dem Defekt die Bildung von Ersatzknorpel durch den Austritt von Blut und Stammzellen induziert. Beim Microfracturing wird der Knochen mit einem Meißel eröffnet, bis es zu einer sichtbaren Blutung kommt. Bei der Mosaikplastik wird ein Zylinder aus intaktem Knorpel in den Defekt eingebracht. Indikationen für einen Gelenkersatz sind laut Windhager die Gelenkdestruktion mit Knorpelglatze, eine Knochenmitbeteiligung, therapieresistente Schmerzen, eine Gehstrecke unter einer Stunde sowie eine zunehmende Beweglichkeitseinschränkung des Knies. Immerhin sind mehr als 80 Prozent der Patienten mit einem Gelenkersatz danach komplett beschwerdefrei.

Was sind nun die häufigsten Ursachen für Hüftprobleme? Laut Krismer sind im Kindesalter vor allem die Hüftverrenkung und die Hüftdysplasie verantwortlich. Beim Morbus Perthes handelt es sich um das Absterben des Hüftkopfes. Bei männlichen Jugendlichen um 15 Jahre mit hohem Körpergewicht findet man häufig eine Epiphysiolysis capitis femoris, bei der es im Rahmen eines pubertären Wachstumsschubes zum Abrutschen des Hüftkopfes kommt. Im Alter von 20 bis etwa 50 Jahren macht oft ein Impingement der Hüfte Probleme. Ursachen sind eine zu tiefe oder fehlorientierte Pfanne oder Rotationsfehler am Kopf-Hals-Übergang. Im höheren Alter zählen Hüftkopf-Nekrosen und Arthrosen zu den häufigsten Ursachen von Hüftschmerzen. Hüftkopf-Nekrosen können die Folge einer länger dauernden Kortisontherapie bei Transplantations- und Tumorpatienten sein. Charakteristisch sind plötzlich auftretende Hüftschmerzen bei unauffälligem Röntgen.

Arthrosen: genetisch bedingt

Bei den Arthrosen findet sich eine deutliche genetische Komponente, während ihr Auftreten unabhängig vom Körpergewicht ist. Mit zunehmendem Alter kommt es zum Abbau von gesundem Gelenkknorpel, wodurch die Gleit- und Pufferschicht so weit zerstört wird, dass Knochen auf Knochen reibt, was die Schmerzen verursacht. Die typischen Hüftschmerzen, die sowohl akut als auch chronisch sein können, bestehen in morgendlichen Anlaufschmerzen oder Dauerbeschwerden. Sie gehen einher mit Instabilität, Steifheit und Einschränkung des Bewegungsspielraumes.

Bei der Diagnostik steht wie bei den Knieschmerzen die klinische Untersuchung an erster Stelle. Krismer empfiehlt, das Lebensalter des Patienten zu berücksichtigen und den Schmerz zu lokalisieren, um mögliche Ursachen einzuschränken. In einem nächsten Schritt wird ein Hüftröntgen angefertigt. Je nach vermuteter zugrunde liegender Erkrankung können Hüft-Röntgen und Beckenübersicht durch Spezialaufnahmen ergänzt werden. Steht eine Hüftkopf-Nekrose als Auslöser der Hüftschmerzen im Verdacht, wird zur genaueren Abklärung ein MRT durchgeführt, da sich diese im Frühstadium nur mit dieser Untersuchung nachweisen lässt.

Therapeutisch wählt man zunächst ein konservatives Vorgehen, solange keine massive Zerstörung des Gelenkes vorliegt. Dazu zählen Heilgymnastik, Interferenzstrom und Bewegungstherapie. Reichen diese Maßnahmen allein nicht aus, werden ebenso wie beim Knie Analgetika ergänzt. Sowohl für die Hüfte als auch für das Knie gilt, dass Ruhe schädlich ist. Die Patienten profitieren von lockerer Bewegung. „Ist ein Gelenkersatz notwendig, wird am häufigsten in einem minimal invasiven Eingriff eine Total-Endoprothese eingebracht“, berichtet Windhager aus der Praxis. „Die Haltbarkeit der Hüftprothesen beträgt heute bei 95 Prozent der Patienten zumindest 15 Jahre.“ Der Experte weist auch darauf hin, dass man im fortgeschrittenen Stadium mittels Hüft-Endoprothetik eine bessere Schmerzfreiheit erreicht als mit konservativen Mitteln. Und immerhin fast 95 Prozent der Patienten mit einem Gelenkersatz sind danach wieder komplett beschwerdefrei. Wichtig ist laut Windhager auch noch, dass aufgrund dieser guten Ergebnisse die Indikation für eine Hüftgelenk-Endoprothese rechtzeitig gestellt werden soll.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 11 / 10.06.2010