Reisekrankheiten: Ein besonderes Souvenir

25.09.2010 | Medizin

Das Spektrum der Reisekrankheiten hat sich geändert: So hat etwa das Dengue-Fieber die Malaria als Reisefieber zum Teil bereits abgelöst. Und mit einer kutanen Leishmaniose kann man sich mittlerweile auch im südeuropäischen Raum infizieren.
Von Irene Mlekusch

Der Tourismus in tropische und subtropische Regionen ist nach wie vor bei Österreichern beliebt. Aber auch Reisen aus beruflichen Gründen führen zu einem Anstieg der Reise-assoziierten Gesundheitsrisiken. Univ. Prof. Herwig Kollaritsch vom Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität in Wien meint dazu: „Kehrt ein Patient mit hohem Fieber aus der Türkei zurück, so macht es einen gewaltigen Unterschied, ob der Reisende einen Hotelurlaub in Antalya verbracht oder aber seine Familie in Anatolien besucht hat.“ Eine sorgfältige Anamnese ist daher für die weitere Diagnostik unerlässlich. Univ. Prof. Reinhard Würzner vom Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck, empfiehlt, auch bei Patienten mit auffälligen Symptomen, die typischerweise eher selten verreisen, nach einem Auslandsaufenthalt in den vergangenen drei Monaten zu fragen. „Oft geben die Patienten nicht gleich an, dass sie auf Reisen waren oder stellen keinen zeitlichen Zusammenhang mit den Beschwerden her“, erklärt der Experte.

Besteht der Verdacht auf eine Reiseassoziierte Infektionskrankheit, muss zunächst einmal abgeklärt werden, wo sich der Betroffene in den letzten drei Monaten aufgehalten hat. Dabei sollte der Aufenthaltsort möglichst genau erhoben werden, da die Endemiegebiete innerhalb eines Landes sehr scharf abgegrenzt sein können. „Wichtig ist außerdem, ob der Patient schon krank aus dem Urlaub nach Hause gekommen ist beziehungsweise in welchem Zeitraum nach der Rückkehr die Beschwerden aufgetreten sind“, betont Kollaritsch. Da die Inkubationszeiten der verschiedenen Infektionen zum Teil sehr unterschiedlich sind, kann auf diesem Weg im Zusammenhang mit der geographischen Region und den Symptomen die Erkrankung oft schon sehr genau differenziert werden. Als Leitsymptome für Reisekrankheiten nennen die beiden Experten Diarrhoe, Fieber und Hauterscheinungen. Andere eher unspezifische Beschwerden nach einem Auslandsaufenthalt können Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, abdominelle Schmerzen, Arthralgien, Nausea oder auch Ausfluss sein.

Eine gewisse Grauzone stellt der Sexualtourismus dar, deshalb sollten bei Verdacht auf eine sexuell übertragbare Krankheit die Reisegewohnheiten im Hinblick auf ungeschützten Sexualverkehr hinterfragt werden. „Das Verhältnis der unvorhergesehenen Sexualkontakte im Ausland beträgt für Männer versus Frauen mittlerweile zwei zu eins“, sagt Kollaritsch. Er berichtet über eine Zunahme der Gonorrhöe aufgrund der steigenden Resistenz der Bakterien. Bei entsprechender Klinik verschafft der Harnröhrenabstrich meist endgültig Klarheit. Aber auch Infektionen mit Chlamydien, Herpes, HIV, HPV und Hepatitis B können ein zweifelhaftes „Andenken“ bleiben. Kollaritsch nennt außerdem noch die Syphilis, die ebenfalls wieder häufiger auftritt und an ihrem typisch fleckigen Ausschlag meist gut zu erkennen ist.

Zielorgan Haut

Die im Urlaub erworbenen Hauterscheinungen resultieren aus Infektionen, Umweltfaktoren oder in seltenen Fällen Vergiftungen. Insektenstiche und Hautverletzungen durch Meeres- und andere Tiere kommen im Urlaub immer wieder vor. Relativ häufig, aber oft erst spät diagnostiziert, ist das Larva migrans cutanea-Syndrom. Die durch die Wanderung von Hakenwurmlarven entstandenen charakteristischen Hautveränderungen sind von starkem Juckreiz begleitet. Das Barfuß-laufen am Strand oder auf durch Katzen- oder Hundekot verunreinigten Böden kann schon nach wenigen Tagen zu dieser in warmen Klimazonen häufigen Hauterkrankung führen. Die kutane Leishmaniose, die mittlerweile auch im südeuropäischen Raum erworben werden kann, wird durch den Stich von mit Parasiten infizierten Mücken übertragen. Aber auch ein Sonnenbrand kann verheerende Ausmaße annehmen. „Die Leute muten ihrer Haut vor allem in den Tropen Unglaubliches zu“, so Kollaritsch.

Die Frage nach einem Stich beziehungsweise Biss durch Insekten oder Spinnentiere ist unter Umständen auch beim Leitsymptom Fieber aufschlussreich. „Mücken übertragen eine ganze Reihe von Infektionserkrankungen“, sagt Würzner. Dazu zählen etwa Malaria, Dengue-Fieber, Toskana- oder Pappataci-Fieber und die Japan-Enzephalitis. Kollaritsch fordert auf, bei jedem Status febrilis innerhalb von drei Wochen nach der Rückkehr aus dem Ausland an eine „exotische Erkrankung“ zu denken. Hier gilt es, vor allem die Impf-Anamnese zu erheben. „Manchmal verwechseln die Patienten die Impfungen oder haben keine Aufzeichnungen darüber“, berichtet Kollaritsch aus der Praxis. Beide Experten empfehlen deshalb bei Reisen in Malariagebiete und wenn der Patient im Anschluss daran Fieber hat, eine entsprechende Diagnostik zu veranlassen – auch wenn der Patient angibt, eine Malariaprophylaxe durchgeführt zu haben. „Gerade bei Malaria ist rechtzeitiges Handeln wichtig“, weiß Würzner. Obwohl insgesamt das Malariarisiko im Vergleich zu den Jahren davor deutlich zurückgegangen ist, sollte man trotz allem an diese typischen Reiseerkrankungen denken. Denn mit dem Rückgang der Malariafälle nehmen die Mängel bei der Malariaprophylaxe der Reisenden zu.

Hämorrhagisches Fieber

Weist der Patient mit Fieber zusätzlich ein hämorrhagisches Bild mit Leber- und Nierenfunktionsstörungen auf, so ist an ein hämorrhagisches Fieber zu denken. „Das Dengue-Fieber hat die Malaria als Reisefieber zum Teil bereits abgelöst“, stellt Kollaritsch fest und verweist auf den starken Anstieg von Dengue-Fieber-Fällen in Brasilien und Fernost. Weitere virale Fiebererkrankungen, die bei Reisenden eine Rolle spielen können, sind das Krim-Kongo-Fieber mit Fallberichten aus Kosovo, Türkei und Russland, sowie das Chikungunya-Fieber aus Indien und Indonesien. Bei grippalen Symptomen nach einem Aufenthalt in Mexiko oder den USA verschafft sich Würzner durch einen Rachenabstrich Sicherheit, ob es sich dabei um die Mexikanische Grippe handelt. „Im Zuge der Diskussionen um die neue Grippe können die Patienten darauf hingewiesen werden, dass die heimische Influenza auch eine nicht zu vernachlässigende Sterblichkeitsrate aufweist“, merkt Würzner an und möchte so die Aufmerksamkeit wieder mehr auf die jährliche Grippeimpfung richten.

Am häufigsten kehren Urlauber aber mit Durchfall in die Heimat zurück. Diverse Studien geben als Risiko, an einer Reisediarrhoe zu erkranken, in Abhängigkeit vom Aufenthaltsort zwischen zehn und 40 Prozent an – bezogen auf eine Aufenthaltsdauer von zwei Wochen. Beide Experten verweisen darauf, dass der überwiegende Anteil der Reisedurchfälle bakteriell und selbstlimitierend ist. Obwohl sich der Erreger zum Zeitpunkt der Untersuchung meist nicht mehr identifizieren lässt, empfiehlt Würzner bei fortdauernder Diarrhoe eine eingehende Stuhluntersuchung. Kollaritsch zieht eine mikrobiologische Abklärung vor allem bei Durchfällen vor, die mit Fieber und Tenesmen einhergehen und so auf ein eher enteroinvasives Geschehen hinweisen. „Zehn bis 13 Prozent der Tropenreisenden entwickeln in weiterer Folge einen Reizdarm“, weiß Kollaritsch. Bei anhaltenden Diarrhoen, die nach einem längeren Aufenthalt auf dem indischen Kontinent oder nach Westafrika auftreten, sollte auch an eine Giardia-Infektion gedacht werden. Die Bilharziose gilt dagegen als eher seltenere Reise-assoziierte Erkrankung, die durch den Kontakt mit verseuchtem Süßwasser übertragen wird. Die Diagnostik ist bei Wurmerkrankungen allerdings insofern problematisch, da die meisten Helminthosen eine Präpatenzzeit von sechs bis zwölf Wochen aufweisen. In diesem Zeitraum sind die Wurmeier im Stuhl noch nicht nachweisbar. Jede Durchfallerkrankung kann ihre Ursache auch in Toxinen haben, die mit dem Essen – speziell Fisch und Schalentiere – aufgenommen werden.

Risikofaktoren der Reise-Diarrhoe

  • Destination (Hochrisikogebiete: zum Beispiel Mittlerer Osten, Nordafrika)
  • Jahreszeit (signifikant nur in subtropischen Destinationen)
  • Reisestil (Badeurlauber < geführte Rundreise < Individualtourismus)
  • Unterbringung (Standardhotels < Luxushotels < einfache Quartiere)
  • Herkunftsland des Reisenden
  • Alter des Reisenden
  • Anzahl der Diätfehler
  • Aufenthaltsdauer im Gastland

Quelle: H. Kollaritsch, Impfratgeber 2009/Dr. Peter Müller Verlag

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2010