Osteoporose-Update: Rasche Stratifizierung des Risikos

25.04.2010 | Medizin

Der FRAX™-Score kann die Knochendichtemessung nicht ersetzen. Vielmehr ermöglicht er eine erste klinische Einschätzung des Risikos und in der Zusammenschau mit der Knochendichtemessung die genaue Planung einer eventuell notwendigen medikamentösen Therapie.
Von Sabine Fisch

Der FRAX™ umfasst zwölf Fragen, die helfen sollen, das Zehnjahres-Risiko für eine Osteoporose-assoziierte Fraktur abzuklären. „Nicht zuletzt bietet dieses leicht zugängliche Instrument eine gute Möglichkeit, bereits beim niedergelassenen Allgemeinmediziner Risikopatienten herauszufiltern und spezialisierten Ambulanzen zuzuweisen“, erläutert Univ. Prof. Heinrich Resch, Vorstand der II. Medizinischen Abteilung am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien. Eine Knochendichtemessung kann zur Ergänzung des Fragebogens durchgeführt werden, ist dafür aber keine Voraussetzung. Kritik am FRAX™ als Screening-Instrument übt dagegen Univ. Prof. Harald Dobnig, Präsident der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Knochens und Mineralstoffwechsels. „Das Sturzrisiko wird im FRAX™ nicht abgefragt. Auch andere klinische Variablen wie etwa die stattgehabte Wirbelkörperfraktur, die für die Einschätzung des weiteren Frakturrisikos wichtig sind, fehlen im FRAX™-Score derzeit noch.“ Verbesserungen des Scores sind geplant.

Entwickelt wurde der FRAX™ nicht nur, um in Ländern, in denen die Knochendichtemessung nicht flächendeckend zur Verfügung steht, eine Möglichkeit der Risikostratifizierung zur Verfügung zu stellen. „Studien der vergangenen Jahre haben uns gezeigt, dass der Knochendichtewert in Abhängigkeit vom Alter unterschiedliche Bedeutungen hat“, erklärt Resch. Er sieht den FRAX™ auch als Möglichkeit, die Aussage der Knochendichtemessung zu optimieren, während die alleinige Knochendichtemessung „nur“ als ein Surrogatparameter gelten kann, der im T-Score ausgedrückt wird.

Obsolet oder ersetzbar wird die Knochendichtemessung dadurch nicht, darin sind sich beide Experten einig. Vielmehr erlaubt der FRAX™ eine erste klinische Einschätzung des Risikos und in der Zusammenschau mit der Knochendichtemessung die genaue Planung einer eventuell notwendigen medikamentösen Behandlung.

Frauen sind – was die Osteoporose betrifft – weiterhin deutlich häufiger betroffen als Männer. Allerdings rechnen Experten mit einer höheren Dunkelziffer bei den Männern. Auffallend ist, dass Männer deutlich häufiger an sekundärer Osteoporose leiden und dann in jüngeren Jahren von der Erkrankung betroffen sind, mit Folgen, die bis hin zur Invalidität reichen. Resch: „Es sind nicht ausschließlich die alten Männer, die sich ihre Knochen brechen. Häufig sind auch Männer zwischen Mitte 40 und Mitte 50 davon betroffen.“ Diese Patientengruppe nimmt zu, nicht nur in Österreich. „Auch im internationalen Gedankenaustausch stellen wir fest, dass diese Gruppe von Männern immer häufiger von Osteoporose betroffen ist“, warnt Resch. Die Ursachen: Bei etwa 50 Prozent dieser Fälle ist keine Ursache für die Knochenstoffwechselerkrankung Osteoporose ermittelbar, die anderen 50 Prozent weisen Grunderkrankungen wie Leber-, Magen- oder Hormonleiden auf. Eine Ermittlung des Risikos bei Männern (auch im höheren Lebensalter) gestaltet sich mitunter allerdings schwierig: „Männer leben meist ungesünder, rauchen mehr, trinken mehr Alkohol und suchen seltener den Arzt auf“, berichtet Dobnig. Außerdem wird die altersbedingte Osteoporose immer noch bagatellisiert, vor allem bei Männern: „Alter – so wird das in der Bevölkerung immer noch gesehen – ist eben mit Frakturen verbunden“, resümiert Dobnig.

Frühzeitig diagnostiziert und nach dem State of the Art behandelt, kann eine Osteoporose allerdings gut eingestellt werden. Als Standardmedikation gelten nach wie vor die Bisphosphonate, die oral oder parenteral in Quartalsinjektion oder Einjahresinfusionen verabreicht werden können. Neu ist allerdings eine Verlängerung der Lebenserwartung etwa unter einer Osteoporose- Therapie mit dem Bisphosphonat Zoledronat bei älteren Menschen nach hüftgelenksnaher Fraktur: „Zwei voneinander unabhängige Studien haben gezeigt, dass Zoledronat in der Therapie der Osteoporose lebensverlängernd wirkt und zwar unabhängig vom Sturz oder Frakturrisiko“, berichtet Resch. Vermutet wird ein positiver Effekt des Medikaments auf das kardiovaskuläre System.

Knochenumsatz verringern

Binnen Jahresfrist wird die Zulassung eines Antikörpers zur Therapie der Osteoporose erwartet: Denosumab2 ist ein Antikörper des RANK-Liganden, der die Wirkung von RANKL auf die Osteoklasten unterbindet und diese dadurch inaktiviert: „Mit einer subkutanen Injektion von Denosumab kann ein erhöhter Knochenumsatz innerhalb von drei Tagen um 80 Prozent reduziert werden“, erklärt Resch das Prinzip des neuen Medikaments. Die Wirkung hält über fünf bis sechs Monate an, dann verflacht sich die Kurve, der Knochenumsatz nimmt wieder zu. Das Medikament wird alle sechs Monate verabreicht und hat bisher, so Resch, keinerlei Nebenwirkungen gezeigt. Der Zulassungsprozess ist derzeit allerdings verlangsamt, „es wurden weitere Sicherheitsdaten für Denosumab angefordert“, ergänzt Dobnig.

Dem niedergelassenen Allgemeinmediziner kommt – abseits der Risikostratifizierung – eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Osteoporose- Therapie zu. „Vor allem dann, wenn unter der Standardtherapie mit Bisphosphonaten weitere Frakturen auftreten, sollte der betreuende Allgemeinmediziner den Patienten an ein spezialisiertes Zentrum überweisen, um eine Neueinstellung, etwa auf Parathormon zu ermöglichen“, sagt Dobnig abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2010