Lym­phom und Mye­lom: Gezielt therapieren

10.09.2010 | Medizin


Die Immun­sup­pres­sion ist einer der Gründe, wieso die Inzi­denz von Lym­pho­men in den letz­ten Jah­ren zuge­nom­men hat. Das Mye­lom wie­derum tritt meist in höhe­rem Lebens­al­ter auf und wird wegen des Erst­sym­ptoms Kno­chen­schmer­zen oft ver­kannt.

Von Sabine Fisch

Rund 350 Men­schen erkran­ken in Öster­reich jedes Jahr neu an einem Mye­lom. Bei den Lym­pho­men wer­den jähr­lich zwi­schen 1.200 und 1.500 Neu­erkran­kun­gen dia­gnos­ti­ziert. Und wäh­rend Mye­lome vor­wie­gend beim älte­ren Pati­en­ten über 65 Jah­ren auf­tre­ten, fin­det sich beim Lym­phom ein gehäuf­tes Auf­tre­ten um das 30. sowie um das 60. Lebens­jahr. Über die Ent­ste­hung der bei­den Erkran­kun­gen ist immer noch nur recht wenig bekannt: „Die Lym­phom-Inzi­denz hat in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten stark zuge­nom­men“, berich­tet Univ. Doz. Eber­hard Gun­si­lius von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin V, Häma­to­lo­gie und Onko­lo­gie an der Medi­zi­ni­schen Uni­ver­si­tät Inns­bruck. Als eine der Ursa­chen wird die ver­mehrte Anzahl von immun­sup­p­ri­mier­ten Pati­en­ten gese­hen. „Alle Mecha­nis­men, die zu einer Immun­sup­pres­sion füh­ren, kön­nen das Auf­tre­ten von Lym­pho­men begüns­ti­gen“, ergänzt Univ. Prof. Johan­nes Drach von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin I am AKH Wien. Auch Umwelt­fak­to­ren könn­ten Aus­lö­ser für ein Lym­phom sein.

Für die Mye­lom-Ent­ste­hung wer­den sowohl gene­ti­sche Prä­dis­po­si­tio­nen als auch die mono­klon­ale Gam­mo­pa­thie unkla­rer Signi­fi­kanz (MGUS) ver­ant­wort­lich gemacht. „In etwa einem Pro­zent pro Jahr kommt es bei Pati­en­ten, die eine MGUS auf­wei­sen, zur Ent­wick­lung eines Mye­loms, wobei durch spe­zi­elle Risi­ko­pa­ra­me­ter ein gerin­ges, inter­me­diä­res oder hohes Pro­gres­si­ons­ri­siko defi­niert wer­den kann“, erläu­tert Eber­hard Gun­si­lius.

Die ers­ten Sym­ptome eines Lym­phoms sind fast immer geschwol­lene Lymph­kno­ten. Diese Schwel­lun­gen kön­nen axil­lär, im Hals- oder Inguinal­be­reich auf­tre­ten. Die Schwel­lun­gen sind nicht schmerz­haft und gehen inner­halb von drei Wochen nicht zurück. Zusätz­lich kommt es häu­fig zu All­ge­mein­sym­pto­men wie Nacht­schweiß, Fie­ber­schü­ben und unge­woll­tem Gewichts­ver­lust. „Die­ser Pati­ent soll unver­züg­lich an ein häma­to­lo­gisch-onko­lo­gi­sches Zen­trum über­wie­sen wer­den“, hält Johan­nes Drach fest. Lym­phome kön­nen in indo­len­ter und aggres­si­ver Form auf­tre­ten.

Beim Mye­lom sind es die Kno­chen­schmer­zen, die als Erst­sym­ptom impo­nie­ren. Da die Erkran­kung meist in höhe­rem Lebens­al­ter auf­tritt, wird die­ses Sym­ptom nicht sel­ten ver­kannt, die Pati­en­ten an Rheu­ma­to­lo­gen und Ortho­pä­den über­wie­sen, was wert­volle Behand­lungs­zeit kos­tet. „Beim älte­ren Pati­en­ten mit Kno­chen­schmer­zen, die über sechs Wochen anhal­ten, sollte der behan­delnde All­ge­mein­me­di­zi­ner immer eine Serum­elek­tro­pho­rese durch­füh­ren“, mahnt Drach. „Zei­gen sich dabei Auf­fäl­lig­kei­ten, soll der Pati­ent an ein hämato-onko­lo­gi­sches Zen­trum zur wei­te­ren Dia­gno­se­ab­klä­rung über­wie­sen wer­den.“ Die Serum­elek­tro­pho­rese ermög­licht den Nach­weis von bestimm­ten Para­pro­te­inen, die die Ver­dachts­dia­gnose Mye­lom erhärtet.

Dia­gnos­tik am Zentrum

Liegt der Ver­dacht auf ein Lym­phom nahe, wird am häma­to­lo­gi­schen Zen­trum zunächst ein befal­le­ner Lymph­kno­ten biop­siert oder gleich zur Gänze ent­nom­men. Das Gewebe wird einer his­to­lo­gi­schen und mole­ku­lar­bio­lo­gi­schen Unter­su­chung unter­zo­gen; eine CT und allen­falls eine PET fol­gen. Es gibt rund 30 Typen von Lym­pho­men; erst nach Sta­ging und Gra­ding kann die jeweils indi­vi­du­ell ange­passte The­ra­pie geplant werden.

Beim mul­ti­plen Mye­lom wird zuerst fest­ge­stellt, wie hoch der Para­pro­tein-Spie­gel im Blut ist. Ein Ske­lett­rönt­gen und ein Com­pu­ter­to­mo­gramm geben Auf­schluss über den Befall der Kno­chen. „Das CT der Wir­bel­säule zeigt uns die Osteoly­sen in den Kno­chen“, erklärt Eber­hard Gun­si­lius. Um fest­zu­stel­len, wie stark die Kno­chen bereits befal­len sind, wird eine Kno­chen­mark­punk­tion durchgeführt.

The­ra­pie

Zur Behand­lung des mali­gnen Lym­phoms wird eine Kom­bi­na­tion aus Che­mo­the­ra­pie plus mono­klon­a­lem Anti­kör­per Ritu­xi­mab gewählt. Die Behand­lung ist mitt­ler­weile welt­weit die Stan­dard­the­ra­pie. „Wenn irgend mög­lich, soll­ten die Pati­en­ten in Stu­dien behan­delt wer­den“, zeigt sich Gun­si­lius über­zeugt. „Ein Teil der Pati­en­ten wird sicher­lich über­be­han­delt. Im Rah­men von Stu­dien wird der­zeit unter­sucht, inwie­weit die The­ra­pie für diese Pati­en­ten ver­kürzt wer­den kann.“ Der­zeit beträgt die Dauer der Behand­lung unge­fähr ein hal­bes Jahr, und die Erfolgs­ra­ten sind durch­aus erfreu­lich: „Bis zu 50 Pro­zent aller Pati­en­ten kön­nen wir mitt­ler­weile hei­len“, sagt Drach. Aller­dings hängt die Hei­lungs­rate sehr stark vom Sub­typ der Erkran­kung ab: „Erwischt man das Lym­phom in einem frü­hen Sta­dium, kann die Hei­lungs­rate bis zu 90 Pro­zent gehen. Ist das Lym­phom dage­gen weit fort­ge­schrit­ten und sehr aggres­siv, liegt die Hei­lungs­rate nur bei 30 Pro­zent“, ergänzt Gun­si­lius.

Das mul­ti­ple Mye­lom dage­gen ist zwar unheil­bar, aber mitt­ler­weile gut behan­del­bar. „Die meis­ten Mye­lome wer­den der Stan­dard­ri­si­ko­gruppe zuge­ord­net, das sind 75 Pro­zent der Fälle“, sagt Gun­si­lius. 25 Pro­zent der Pati­en­ten wer­den auf­grund von zyto­ge­ne­ti­schen Ver­än­de­run­gen in den Tumor­zel­len in die „Hoch­ri­si­ko­ka­te­go­rie“ ein­ge­ord­net.

Bis vor weni­gen Jah­ren galt die klas­si­sche zyto­sta­ti­sche The­ra­pie gefolgt von einer auto­lo­gen Stamm­zell­trans­plan­ta­tion als State of the Art bei der Behand­lung. Mitt­ler­weile wird die che­mo­the­ra­pie aller­dings immer häu­fi­ger von einer The­ra­pie mit neuen Sub­stan­zen ver­drängt. So erhal­ten viele Pati­en­ten bei­spiels­weise den Pro­te­a­som-Inhi­bi­tor Bor­te­zo­mib. Gun­si­lius wei­ter: „Auch Tha­li­do­mid und sein Deri­vat Lenal­ido­mid haben sich als wirk­same Behand­lungs­mög­lich­keit erwie­sen.“ Diese The­ra­pien sind gut ver­träg­lich und wer­den vor allem bei älte­ren Pati­en­ten ein­ge­setzt: „Jün­gere Pati­en­ten erhal­ten eine Kom­bi­na­tion die­ser neuen Sub­stan­zen und die Stamm­zell­trans­plan­ta­tion“, ergänzt Drach.Das mitt­lere Über­le­ben beim Mye­lom liegt inzwi­schen bei mehr als sechs Jah­ren bei jün­ge­ren und immer­hin noch vier bis fünf Jah­ren bei älte­ren Patienten.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2010