Hyper­to­nie in der Schwan­ger­schaft: Risiko steigt mit dem Alter

25.02.2010 | Medizin

Zwi­schen fünf und zehn Pro­zent liegt die Inzi­denz für eine Gesta­ti­ons­hy­per­to­nie in Öster­reich; die Inzi­denz ist beson­ders nach dem 40. Lebens­jahr hoch. Wegen der mög­li­chen Wachs­tums­re­tar­die­rung des Kin­des kom­men nur bestimmte Anti­hy­per­ten­siva zum Einsatz. 

Bei Frauen, die eine Hyper­to­nie ent­wi­ckeln, kommt es ab der Mitte der Schwan­ger­schaft zu einem unphy­sio­lo­gi­schen Anstieg des peri­phe­ren Wider­stan­des. Geht die Gesta­ti­ons­hy­per­to­nie in eine Prä­ek­lamp­sie über, wird dies von einer wei­te­ren Zunahme des peri­phe­ren Wider­stan­des und der Abnahme der Pla­zen­ta­durch­blu­tung beglei­tet. „Der Trig­ger für die Ent­wick­lung der Prä­ek­lamp­sie ist nicht bekannt“, sagt Univ. Prof. Alex­an­der Rosen­kranz von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin IV Inns­bruck. „Man geht davon aus, dass sowohl mate­r­nale als auch plazentare/​fetale Fak­to­ren eine Rolle spielen.“ 

Abnor­mi­tä­ten in der Ent­wick­lung der pla­zen­ta­ren Gefäße kön­nen schon früh in der Schwan­ger­schaft zu einer rela­ti­ven pla­zen­ta­ren Min­der­per­fu­sion füh­ren, wel­che dann zur Aus­schüt­tung von anti­an­gio­ge­ne­ti­schen Fak­to­ren in die müt­ter­li­che Zir­ku­la­tion füh­ren. Dies ver­än­dert die mate­r­nale sys­te­mi­sche endo­the­liale Funk­tion, wel­che für die Hyper­to­nie und wei­tere Mani­fes­ta­tio­nen der Prä­ek­lamp­sie ver­ant­wort­lich gemacht wer­den. „Die mole­ku­lare Basis für die pla­zen­tare Dys­re­gu­la­tion bleibt aber unbe­kannt, und die Rolle der anti­an­gio­ne­ti­schen Fak­to­ren in der frü­hen Ent­wick­lung der Pla­zenta ist der­zeit Gegen­stand von Unter­su­chun­gen“, erläu­tert Rosen­kranz: „Eine kau­sale The­ra­pie der Prä­ek­lamp­sie ist nach wie vor nicht mög­lich.“ Ein­zig die Been­di­gung der Schwan­ger­schaft führt zu einer Bes­se­rung. Steigt der Blut­druck ab der 20. Schwan­ger­schafts­wo­che auf Werte über 140/​90 mmHg, spricht man von einer Schwan­ger­schafts-Hyper­to­nie. Von 1.000 Schwan­ger­schaf­ten han­delt es sich jedoch bei drei bis fünf davon um eine essen­ti­elle Hyper­to­nie; sie tritt ver­mehrt bei Erst­ge­bä­ren­den auf. „Eine Blut­druck­stei­ge­rung auf und über 160/​100, wobei der dia­sto­li­sche Wert wich­ti­ger ist, muss zumin­dest eng­ma­schig kon­trol­liert und unter bestimm­ten Umstän­den auch medi­ka­men­tös the­ra­piert wer­den“, sagt Rosen­kranz. Zwi­schen dem 18. und 29. Lebens­jahr lei­den 0,6 Pro­zent aller Schwan­ge­ren an einer Hyper­to­nie, zwi­schen dem 30. und 39. Lebens­jahr sind es 4,6 Pro­zent und nach dem 40. Lebens­jahr 12,7 Pro­zent. Um eine Schwan­ger­schafts-Hyper­to­nie fest­zu­stel­len, hat sich vor allem die Anlei­tung zur Selbst­mes­sung als sinn­voll erwie­sen. „Schwan­gere lei­den oft unter dem Phä­no­men des ‚Weiß­kit­tel­blut­drucks‘“, so Rosen­kranz. Es ist daher sinn­voll, neben der regel­mä­ßi­gen Kon­trolle beim Arzt auch zu Hause unter kon­trol­lier­ten Bedin­gun­gen selbst zu mes­sen. Steigt der Blut­druck wei­ter an und wer­den Werte bis 160/​100 mmHg und dar­über erreicht, sind wei­tere Unter­su­chun­gen not­wen­dig. Bil­den sich Ödeme bei der Mut­ter und liegt auf­grund der Was­ser­an­samm­lung eine Gewichts­zu­nahme von mehr als einem Kilo­gramm pro Woche vor, sind the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men ein­zu­lei­ten. Strenge Bett­ruhe wird heute aller­dings nicht mehr ver­ord­net. „Häu­fige Pau­sen unter­tags, aus­rei­chend Schlaf und Stress­ver­mei­dung ste­hen im Vor­der­grund“, sagt Alex­an­der Rosen­kranz. „Die Sei­ten­lage för­dert aller­dings den utero­pla­zen­ta­ren Blut­fluss und sollte daher in den Ruhe­pha­sen ein­ge­hal­ten werden.“ 

Schlag­an­fall­ri­siko senken 

Bei Wer­ten über 160/​110 mmHg ist eine medi­ka­men­töse Sen­kung des Blut­drucks nötig, um das erhöhte Schlag­an­fall­ri­siko der Schwan­ge­ren zu redu­zie­ren. Aller­dings sind dabei meh­rere Fak­to­ren zu beden­ken. „Die medi­ka­men­töse Sen­kung des Blut­drucks beein­flusst den Ver­lauf der Prä­ek­lamp­sie nicht, weil der pri­märe patho­ge­ne­ti­sche Fak­tor damit nicht beein­flusst wird“, weiß Alex­an­der Rosen­kranz. Außer­dem bestehe die Gefahr, dass es durch eine ent­spre­chende Blut­druck­sen­kung zu einer Wachs­tums­ver­zö­ge­rung des Fötus kommt. Außer­dem sind alle Anti­hy­per­ten­siva pla­zen­ta­gän­gig. Bei der Behand­lung ist nicht Norm­o­ten­sion das Ziel der Behand­lung. Zwar ist einer Meta-Ana­lyse zufolge eine frühe Behand­lung der Schwan­ger­schaft sinn­voll, aber in ers­ter Linie ist ein Blut­druck von 150/​90 mmHg anzu­stre­ben, um die Hyper­zir­ku­la­tion bei der Mut­ter auf­recht zu erhal­ten und damit beim Kind mög­lichst keine Wachs­tums­ver­zö­ge­rung eintritt. 

„Es gibt keine Daten aus gro­ßen ran­do­mi­sier­ten Stu­dien, auf deren Basis ein Medi­ka­ment gegen­über einem ande­ren in der Schwan­ger­schaft der Vor­zug zu geben ist“, hält Rosen­kranz fest. ACE-Hem­mer und AT1-Rezep­tor­blo­cker sol­len wegen des Risi­kos für kar­dio­vas­ku­läre und renale Neben­wir­kun­gen sowie ZNS­Miss­bil­dun­gen des Fötus nicht ver­ord­net wer­den. Mit­tel der ers­ten Wahl sind _​‑Methyldopa oder Labe­ta­lol. Kann der Blut­druck damit nicht aus­rei­chend gesenkt wer­den, ist eine Kom­bi­na­tion mit dem lang­wirk­sa­men Kal­zium-Kanal­blo­cker Nife­di­pin mög­lich. Auch der Beta­blo­cker Meto­pro­lol kann als dritte Wahl zum Ein­satz kom­men. Aller­dings senkt diese Sub­stanz die utero­pla­zen­tare Durch­blu­tung mehr als zum Bei­spiel Labe­ta­lol. In Öster­reich ist kein Medi­ka­ment aus­drück­lich als Anti­hy­per­ten­si­vum in der Schwan­ger­schaft zuge­las­sen. „Die The­ra­pie muss daher immer nach Abwä­gung von Nut­zen und Risiko gewählt wer­den und sollte daher in der Hand des Spe­zia­lis­ten lie­gen“, sagt Rosen­kranz abschlie­ßend. SF 

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2010