Grazer Impftag: Evidenz schaffen

10.09.2010 | Medizin

Neben aktuellen Impf-Updates zu HPV, Hepatitis B, Rotaviren, Meningokokken und Pneumokokken wird die Prozessanalyse der Vorgangsweise rund um die Neue Grippe eines der Hauptthemen am diesjährigen Grazer Impftag am 16. Oktober sein.
Von Birgit Oswald

Impfexperten, Vertreter der steirischen Ärztekammer und Apothekerkammer, das Grüne Kreuz, der Arbeitskreis für Prävention, die Landessanitätsdirektion Steiermark, die Medizinische Universität Graz und die steirische Gebietskrankenkasse haben sich im Zuge des Grazer Impftages, der am 16. Oktober 2010 stattfindet, zu einer Plattform zusammengeschlossen, um über die neuesten Entwicklungen auf dem Impfsektor zu informieren.

Ein besonderes Augenmerk wird auf das Vorgehen rund um die „Neue Grippe“ gelegt. Dabei wird es vor allem darum gehen, die Geschehnisse zu analysieren, um für zukünftige Anlässe optimal vorbereitet zu sein. „Neben aktuellen Impfthemen wird die Influenza Hauptthema des Impftages sein. Wir werden gemeinsam mit Vertretern des Gesundheitsministeriums die vergangenen Prozesse besprechen und aufarbeiten. Es geht darum, Vertrauen und maximale Evidenz zu schaffen“, sagt Univ. Prof. Werner Zenz, Leiter der Forschungseinheit Infektiologie und Vakzinologie an der Medizinischen Universität Graz und wissenschaftlicher Leiter des Impftages. Woran es liegt, dass die Durchimpfungsrate sehr niedrig ist und die Menschen nicht mehr von der Sinnhaftigkeit der Impfung überzeugt werden konnten, wird ebenfalls am Impftag diskutiert werden. „Es war eine völlig neuartige Situation: Man konnte erstmals die Verbreitung eines neuen Virus auf dem ganzen Erdball beobachten. Es war das erste Mal, dass die Industrie in so kurzer Zeit einen Impfstoff hergestellt hat.“ Es sei aber auch darüber zu diskutieren, ob es von Seiten der WHO gerechtfertigt war, die maximale Pandemiewarnstufe auszurufen, „ohne dabei den Schweregrad der Erkrankung zu berücksichtigen“, betonte der Experte. Es gehe aber auch nicht darum, jemandem den schwarzen Peter zuzuschieben, sondern darum, die Prozesse zu klären, so Zenz.

Ein weiteres Thema dieser Informationsveranstaltung werden Rotaviren und die dagegen gerichteten Impfstoffe sein. Ende März 2010 waren Spuren des porcinen Circovirus PCV-1 in den Rotavirus-Impfstoffen aufgetaucht, einer wurde vorübergehend vom Markt genommen. Wie diese Viren in die Impfstoffe gelangen konnten, ist unklar; sie lösen aber weder Infektionen noch Nebenwirkungen aus. „Der Impfstoff wirkt sehr gut, das kann ich aus der täglichen Praxis bestätigen. Das Virus scheint apathogen zu sein, das werden wir unter anderem am Impftag analysieren“, sagt Zenz.

Die 2009 in der Steiermark ausgebrochene Meningokokken-Epidemie ist Anlass, um am Grazer Impftag über eine flächendeckende Impfung im betroffenen Gebiet zu sprechen. „Im Vorjahr gab es allein in der Steiermark 15 Meningokokken C-Erkrankungen. Dabei steht zur Vorbeugung ein sehr gut verträglicher Impfstoff zur Verfügung“, erklärt Zenz. Ebenso werden die von Pneumokokken ausgelösten Meningitis-Fälle in Österreich thematisiert werden und „die Tatsache, dass Österreich eines der letzten Länder in Europa ist, wo diese Impfung nicht von der öffentlichen Hand bezahlt wird.“

Auch die viel umstrittene HPV-Impfung und die Gründe für die schlechte Akzeptanz der Zervixkarzinom-Prävention werden am Impftag zur Sprache kommen. „Einerseits ist der obskure Todesfall, der keinen Zusammenhang mit der HPV-Impfung hatte, andererseits der hohe Preis schuld daran, dass die HPV-Durchimpfungsrate viel zu niedrig ist. Durch ein bezahltes Impfkonzept könnte der Preis gesenkt werden“, sagt Zenz. Bezüglich der immer wieder auftauchenden Kritik am Impfstoff zeigt sich der Impfexperte verärgert: „Es gibt immer noch sehr viele einflussreiche kritische Stimmen hierzulande. Die HPV-Impfung ist aber definitiv vom Impfausschuss empfohlen, die Umsetzung ist eine politische Sache“, sagt der Experte.

Als Konkurrenzveranstaltung zum Österreichischen Impftag in Salzburg ist der Grazer Impftag allerdings nicht zu verstehen. „Den Grazer Impftag gab es immer schon, wir haben nur eine andere Plattform gefunden. Wir sind eine Ergänzung zum Österreichischen Impftag“, betont Zenz.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2010