Fructose- und Lactoseintoleranz: Unterschiedliche Mechanismen

25.05.2010 | Medizin

Fructose- und Lactoseintoleranz gehen in den meisten Fällen nicht Hand in Hand, sondern basieren auf unterschiedlichen pathogenetischen Mechanismen. Bei der häufiger vorkommenden Fructoseintoleranz sollten Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Mannit und Xylit gemieden werden, da diese die Fructose-Absorption zusätzlich behindern.
Von Sabine Fisch

Mit einem Patienten, der die Praxis des Allgemeinmediziners wegen ständiger Bauchkrämpfe, Blähungen und Durchfälle aufsucht, sollte nach einer genauen Abklärung der Symptomatik über mögliche Nahrungsmittel-Intoleranzen gesprochen werden. Die wahrscheinlich häufigste Nahrungsmittelunverträglichkeit ist die Fructose-Intoleranz – je nach Studie leiden zehn bis 50 Prozent der Bevölkerung daran. „Die Lactose-Intoleranz dagegen tritt zumindest in unseren Breiten deutlich seltener auf“, gibt Univ. Prof. Reinhart Jarisch, Leiter des Allergieambulatoriums Floridsdorf in Wien an. Beide Nahrungsmittel-Intoleranzen treten bei Frauen übrigens signifikant häufiger auf als bei Männern.

Noch nicht zur Gänze geklärt ist, warum es zu einer Fructose-Intoleranz kommt. Üblicherweise wird der mit der Nahrung aufgenommene Zucker über Glukosetransporter (GLUT5) im Darm resorbiert. „Durch einen Defekt oder eine
verminderte Aktivität des Transportersystems wird die Aufnahme von Fructose verringert und folglich die Konzentration im Darm erhöht“, erläutert Univ. Prof. Harald Vogelsang von der Universitätsklinik für Innere Medizin III am Wiener
AKH. Dies führt zur Verstoffwechslung von Fructose zu Kohlenstoff und Wasserstoff, was einerseits die Symptome erklärt, aber auch bei der H2-Atemtestung genutzt wird. „Allerdings sind die Vorgänge rund um die Entstehung einer Fructose-Intoleranz wesentlich schlechter untersucht als etwa bei der Lactose-Intoleranz“, fügt Vogelsang hinzu. „Diese ist zwar besser untersucht, tritt aber seltener auf als die Fructose-Malabsorption“, berichtet Jarisch. Die beiden Nahrungsmittelintoleranzen gehen übrigens in den meisten Fällen nicht Hand in Hand, sondern basieren auf ganz unterschiedlichen pathogenetischen Mechanismen.

Lactose-Intoleranz ist ein weltweites Phänomen mit unterschiedlicher Prävalenz
in unterschiedlichen Völkern und einem deutlichen Nord-Südgefälle. Etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist lactoseintolerant. In Österreich liegt die Rate – je nach Studie – zwischen 15 und 25 Prozent. Man unterscheidet drei Formen der Lactose-Malabsorption:

  1. erworbener Lactasemangel des Erwachsenen (häufigste Form);
  2. sekundärer Lactasemangel (aufgrund von akuter Gastroenteritis, Zöliakie oder Morbus Crohn);
  3. kongenitaler Lactasemangel (autosomal-rezessiv vererbt; sehr selten).

In Europa kommt am häufigsten der erworbene Lactasemangel vor. Fehlt
Lactase oder wird zu wenig davon produziert, gelangt der Großteil der über die Nahrung aufgenommenen Lactose nicht hydrolisiert ins Colon. „Das Disaccharid wird dabei von anaeroben Bakterien der Dickdarmflora zu kurzkettigen Fettsäuren, Kohlendioxid und Wasserstoff fermentiert“, erläutert Vogelsang. CO2 und andere Gase können ein abdominelles Druckgefühl, Darmkoliken und Flatulenz verursachen. Zusätzlich ziehen die kurzkettigen Fettsäuren Wasser ins Darmlumen, wodurch eine Diarrhoe ausgelöst werden kann. Ebenso wie bei der Fructoseintoleranz wird die Lactose-Malabsorption mittels H2-Atemtest gemessen.

Die Therapie der Fructose-Intoleranz besteht im Wesentlichen darin, den Milchzuckeranteil in der Nahrung auf ein verträgliches Maß zu lindern. Welche Mengen an Lactose vertragen werden, ist individuell verschieden. Bei Fructose-Unverträglichkeit sollte eine fructosearme Diät eingehalten werden. Diskutiert wird die bessere Verträglichkeit von Fructose, wenn diese gemeinsam mit Traubenzucker eingenommen wird. „Allerdings berichten mir Patienten, dass dies keine oder nur eine geringe Änderung der Beschwerden erbracht hat“, weiß Jarisch aus seiner Praxis. Wichtig ist auch, die Aufnahme von Zuckeraustauschstoffen wie Sorbit, Mannit und Xylit zu vermeiden, weil diese die Fructose-Absorption zusätzlich behindern.

Eine rezente, vor der Publikation stehende Studie von Reinhart Jarisch und Kollegen hat an Patienten mit Reizdarm die Wirkung einer lactose- beziehungsweise fructosefreien Diät untersucht. „In die Studie wurden 320 Personen, die die Rome-II-Kriterien erfüllten, aufgenommen“, beschreibt Jarisch (Rome-II-Kriterien siehe Kasten). Die Patienten erhielten randomisiert eine lactose- oder fructosefreie Diät über drei Wochen. Erst dann wurde eine Lactose- und Fructose-Unverträglichkeitstestung mittels H2-Atemtest durchgeführt. Das Testergebnis ergab eine Gruppe von Lactose-Intoleranten, eine Gruppe von Fructose-Intoleranten, eine Gruppe, die auf beide Substanzen reagierte und eine Gruppe, die weder Fructose- noch Lactose-intolerant war. „Erstaunlich war allerdings, dass sich die Symptome bei allen Patienten verbesserten, und zwar egal ob sie die für ihre Nahrungsmittelintoleranz passende Diät erhielten“, so Reinhart Jarisch. „Auch jene, die weder auf Fructose noch auf Lactose positiv getestet wurden, profitierten von der ihnen verordneten Diät.“ Jarisch führt dies auf eine wesentliche psychosomatische Komponente bei Nahrungsmittelunverträglichkeit zurück. Nicht zuletzt könnte auch ein Reizdarmsyndrom hinter den in der Studie erfassten Beschwerden stecken.

Rome II-Kriterien

Im Rahmen des 13. Internationalen Kongresses für Gastroenterologie in Rom wurden 1988 die Rom-Kriterien für das Reizdarmsyndrom erarbeitet und seither regelmäßig überarbeitet. Die drei wichtigsten Kriterien:

Für mindestens drei Tage pro Monat während der vergangenen drei Monate rezidivierende abdominelle Schmerzen oder abdominelles Unwohlsein in Assoziation mit mindestens zwei der folgenden Faktoren:

  • Besserung der Beschwerden nach Defäkation;
  • Beginn der Beschwerden in Assoziation mit einer Änderung der Stuhlfrequenz;
  • Beginn der Beschwerden mit einer Änderung der Stuhlkonsistenz.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2010