Brandverletzungen: Empfehlungen zur Erstversorgung

10.03.2010 | Medizin

Empfehlungen zur Erstversorgung von Brandverletzungen hat die Österreichische Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin erstellt. Ziel dabei: die Erstellung einer bereichsübergreifenden einheitlichen Vorgangsweise bei der Erstversorgung von Brandverletzten. 

  

Vorgaben:

Veränderungen der Erstversorgungsempfehlungen in Deutschland ließen es sinnvoll erscheinen, diese Erstversorgungsempfehlungen an österreichische Verhältnisse anzupassen und entsprechend publik zu machen. Im Speziellen handelte es sich dabei um:

  • Die neue Dienstanweisung für Feuerwehren aus dem Jahre 2003 von Prof. Sefrin für die BRD. In der BRD nimmt die Feuerwehr auch die Rettungsdienstliche Versorgung wahr.
  • Diese Dienstanweisung führte zu der Formulierung eines einheitlichen Mindeststandards für die Versorgung von Brandverletzten durch den Rettungsdienst 2005. Dieser Mindeststandard wurde von Experten aus der Brandverletztenbehandlung und Mitgliedern der Rettungsorganisationen erstellt und im Hessischen Ärzteblatt publiziert.
  • Eine Publikation aus dem Arbeitskreis „Das schwerbrandverletzte Kind“ betreffend das Notfallmanagement bei der Primärversorgung kindlicher Verbrennungen von Jester, Jester et al.

Vorgangsweise

Aufbauend auf dem formulierten Mindeststandard sowie der Arbeit über die Erstversorgung von Kindern wurden die Punkte diskutiert und die konsensuellen Anpassungen protokolliert. Das überarbeitete Protokoll wurde den Teilnehmern nochmals zur Überarbeitung und Korrektur vorgelegt. Das Konsensuspapier wurde beim 13. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin von Doz. Kamolz präsentiert. Eine weitere Präsentation ist auf der Tagung der deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung 2010 vorgesehen.

Änderungen

Die Empfehlungen zur Kühlung weisen eine deutliche Reduktion der Dauer und der Indikationen dazu auf. Wärmeerhalt wird als wesentliches neues Ziel des Rettungsdienstes formuliert. Bei der Volumsgabe kommt es zu einer Reduktion der empfohlenen Flüssigkeitsmenge. Das relevante Inhalationstrauma wird definiert. Transportempfehlungen werden abgegeben.

Empfehlungen

Kühlung

Die Kühlung der von der Verbrennung betroffenen Region soll mit handwarmem Wasser erfolgen und stellt eine Sofortmaßnahme dar. Die maximale Dauer soll zehn Minuten betragen und ist bei Frösteln bereits früher abzubrechen. Generell soll nur die betroffene Region gekühlt werden, der Patient soll insgesamt warm gehalten werden.

Bereits zwei Minuten nach Unfall und damit bei Eintreffen des Rettungsdienstes ist von der Kühlung kein positiver Effekt mehr zu erwarten. Bei mehreren Minuten zurückliegenden Verbrennungen ist eine Kühlung nicht mehr als sinnvoll zu betrachten. Länger dauernde Kühlmaßnahmen ausgedehnter Hautbereiche sollten wegen der daraus resultierenden Unterkühlung nicht durchgeführt werden!

Bei großflächigen Verbrennungen, das sind solche bei Erwachsenen von mehr als 20 Prozent der Körperoberfläche, bei Kindern von mehr als zehn Prozent der Körperoberfläche und bei Säuglingen von mehr als fünf Prozent verbrannter Körperoberfläche, sollte der Patient nur primär abgelöscht werden. Hier soll keine Kühlung der betroffenen Hautregionen erfolgen.

Versorgung

Die Versorgung des Patienten sollte im vorgewärmten Notarztwagen oder Rettungstransportwagen erfolgen. Die Türen sind dabei geschlossen zu halten und die Temperatur im Fahrzeug ist maximal zu erhöhen! Nasse Kleidung sollte entfernt werden, trockene belassen. Ringe und beengende Schmuckstücke sollen entfernt werden, ein Ganzkörpercheck soll durchgeführt werden.

Volumentherapie

Zur groben Abschätzung des Volumsbedarfes dient die modifizierte Baxter Formel: 
Flüssigkeitsbedarf in den ersten 24 Stunden:
2-(4) ml x kg Körpergewicht x % zumindest zweitgradig verbrannter Körperoberfläche. Davon soll die erste Hälfte in den ersten acht Stunden verabreicht werden.

Erstgradige Verbrennungsareale werden nicht berücksichtigt! Die Formel dient der Erstabschätzung. Es sollte immer mit geringen Volumina begonnen werden und das Volumen dem klinischen Bedarf angepasst werden. In den ersten Stunden soll Ringer-Lactat verabreicht werden, auf kolloidale Lösungen kann in der Regel verzichtet werden.

Kinder

Bei Säuglingen und Kleinkindern sollen 10 ml/kg KG als Bolus und 10 ml/kg KG/h verabreicht werden, es soll ebenfalls Ringer-Lactat verabreicht werden.

Infusionslösung:

Die Gabe von Kochsalz erscheint wegen des hohen Natriumgehaltes und die von Ringerlösungen wegen des hohen Chloridanteiles ungünstiger zu sein. Eine zu hohe Volumszufuhr stellt in den weiteren Behandlungsphasen ein deutliches Problem dar.

Volumentherapie sollte dort durchgeführt werden, wo ein Verbrennungsschock zu erwarten ist. Dies ist der Fall bei Erwachsenen mit einem Verbrennungsausmaß von mehr als 20 Prozent, bei Schulkindern von mehr als zehn Prozent und bei Kleinkindern von mehr als fünf Prozent.

Volumstherapie bei Verbrennung und Polytrauma

Hier soll eine Flüssigkeitstherapie wie beim Polytrauma üblich durchgeführt werden. Es gibt keine Beschränkungen hinsichtlich HAES oder HyperHAES. Zielgrößen sind eine Herzfrequenz von unter 120 Schlägen und ein mittlerer arterieller Druck von mehr als 60 bis 80 mmHG.

Lokaltherapie und Wundversorgung

Die Wunde sollte mit sterilen oder zumindest sauberen Tüchern abgedeckt  werden. Beispiel: Verbandtücher, Metalline, OP-Abdecktücher, Spezialsysteme wie Burn Pack®, Waterje®, BurnShield®. Danach den ganzen Patienten warm einpacken! Sollte dieser bereits ausgekühlt sein, muss die Erwärmung durchgeführt werden. Wärmeschutzfolien führen nicht zu einer Erwärmung, sondern verzögern lediglich den weiteren Abfall der Körpertemperatur.  

Wärmeerhalt

Wärmeerhalt ist eine der zentralen Aufgaben des Rettungsdienstes. Im Rettungstransportwagen die Türen geschlossen halten, Heizung aufdrehen, bis das Personal es nicht mehr aushält, Entkleidung erst hier, kein „Walk around“ während der Patientenversorgung. (Türen bleiben zu!) Infusionen vorwärmen; „Einpacken“ des Patienten.

Analgesie, Sedierung

Empfohlen: Ketanest, Midazolam, Fentanyl
Dosierungen:
Ketanest:
Erwachsene: i.v. 0,5-1 mg/kg KG = analgetisch 1mg/Kg KG = hypnotisch
Kinder: rectal/oral 1-2 mg/kg KG
Midazolam:
Erwachsene: i.v. 0,15 mg/kg KG
Kinder: rectal 0,5 mg/kg KG
Höchstdosis: 15 mg!!
Fentanyl:
Erwachsene: i.v. initial 0,1-0,2 mg

Inhalationstrauma

Der Verdacht darauf besteht immer bei einem Brand in geschlossenen Räumen. Hier ist die Anamnese besonders wichtig: Wann hat Was und Wo gebrannt? Endgültige Diagnose oder Ausschluss nur in der Klinik. Therapie: grundsätzlich symptomatisch, Sauerstoff, Betamimetika – keine Kortikoide! Symptome für ein relevantes Inhalationstrauma: Husten, Heiserkeit, Dyspnoe, Hypoxämie. Falls das fehlt ist ein Inhalationstrauma „nicht relevant“. Intubationsindikation: Dyspnoe, Hypoxie.

Intubationskriterien

Allgemein:
Bei drohender oder bestehender Ateminsuffizienz. Daran ist zu denken bei:
• drittgradiger Gesichtsverbrennung;
• wenn mehr als 50 Prozent der Körperoberfläche verbrannt sind;
• bei einer drittgradigen zirkulären Rumpfverbrennung;

Indikationen für primären Transport in eine Verbrennungsklinik
Allgemeine Regel: so bald als möglich!
• Bei 20 Prozent verbrannter Körperoberfläche bei Erwachsenen;
• bei zehn Prozent verbrannter Körperoberfläche bei Kindern;
• bei fünf Prozent verbrannter Körperoberfläche bei Säuglingen;
• Inhalationstrauma;
• Operationsbedürftige Verbrennungen;
• Gesicht, Hals, Hand, Fuß, Genitalien, Große Gelenke, Damm;
• Elektrotrauma (Starkstrom).

Indikationen für vorerst aufgeschobenen Transport in die Verbrennungsklinik:

Die spezielle Versorgung von Verbrennungswunden ist oft nicht so zeitkritisch, so dass auch eine Sekundärversorgung sinnvoll sein kann! Beispiele: Nachts, instabiler Patient, Anfahrt > 45 Minuten; unsichere Atemwege; andere Verletzungen im Vordergrund (Polytrauma); widrige Transportbedingungen; Groß-Schadensfall.

Sonderfall Kinder

Auf Grund der geringeren Hautdicke und der verhältnismäßig größeren Körperoberfläche in Relation zum Gewicht ist die Problematik der Auskühlung größer und das Auftreten eines relevanten Ödems wahrscheinlicher als beim Erwachsenen. Daher muss man bei Gesichtsverbrennungen immer an die Möglichkeit des Erfordernisses einer Intubation denken. Höchste Sorgfalt ist für den Schutz vor Wärmeverlust aufzuwenden (steriles Tuch, Decke, Rettungsdecke etc.)

Rettungswagen aufwärmen!
• Immer Sauerstoffgabe!
• Kein iV-Zugang bei < zehn Prozent Körperoberfläche, wenn das nächste Krankenhaus innerhalb von 30 Minuten erreicht werden kann!
• An transossären Zugang denken!
• Analgesie mit Ketalar rectal;
• Gesichtsverbrennungen (nicht Verbrühungen) erfordern häufiger Intubation wegen erhöhter Gefahr der Schwellung!
• Verlegung in ein Zentrum für brandverletzte Kinder!

Sekundärtransport von Brandverletzten
Notwendige Informationen für spezialisierte Klinik:
• Anamnese; Was, Wer, Wo
• Diagnose und Begleitverletzungen
• Vorerkrankungen und Lebensgewohnheiten
• Größe und Gewicht
• Grafische Darstellung der Verbrennungsverletzung (Verbrennungsmännchen)
• Verletzungsanzeige erstattet?
• Abstriche?
• Tetanusimpfung
• Bisherige Behandlung
• Einfuhr/Ausfuhr
• Medikamente
• Katecholamine
• Antibiotika

Versorgung durch das erstbehandelnde Krankenhaus vor Verlegung:

Keine spezifische Wundbehandlung bei Akutverlegung oder geplanter Transferierung innerhalb der ersten zwölf Stunden; Reinigung der Wunde, Fettgazeverband, Lavasorb, lockeres Anwickeln der Bandagen; Escharotomie und Fasziotomie falls notwendig; warm halten beziehungsweise Erwärmen des Patienten.

Literatur bei den Verfassern

Erstellt wurden die Empfehlungen von Mag. Jörg Asanger, Notfallsanitäter Betriebsfeuerwehr Chemiepark Linz; Dr. Jörg Breitwieser, Landes-Frauen und Kinderklinik Linz; Dr. Adi Deixler, UKH Linz/ Brandverletztenbehandlung; Dr. Herbert Haller, UKH Linz/Brandverletztenbehandlung; Markus Haase, Arbeiter-Samariterbund; Andreas Heinz M.Sc., MBA; Univ. Doz. Dr. Lars-Peter Kamolz M.Sc., AKH Wien; Univ. Prof. Dr. Stephan Kapral, UKH Linz/Leiter der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin; Univ. Doz. Dr. Albert Kröpfl, UKH Linz; Univ. Prof. Dr. Marija Trop, LKH Graz; Dr. Friedrich Weyer, Landeskrankenhaus St. Pölten; Dr. Andreas Ziegler M.Sc., MBA, Wiener Rettung

Korrespondenzadresse:
Univ. Doz. Dr. Lars-Peter Kamolz, Universitätsklinik für Chirurgie/Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, AKH Wien,
Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien;
Tel. 01/40 400/5616;
E-Mail: lars-peter.kamolz@meduniwien.ac.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2010