Aids-Konferenz: Leitlinie zum Auftakt

15.07.2010 | Medizin

Rechtzeitig vor dem Beginn der 18. Internationalen Aids-Konferenz in Wien am 18. Juli veröffentlicht die Österreichische Aids-Gesellschaft eine neue „Deutsch-Österreichische Leitlinie zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion“ – mit der Empfehlung, die antiretrovirale Therapie früh zu beginnen.

Die Empfehlungen für den besten Therapiezeitpunkt wurden an die seit vergangenem Herbst geltenden internationalen Leitlinien angepasst. Dabei spielt vor allem die Zahl der CD4-positiven Zellen im Blut eine Rolle. „Man empfiehlt früher zu behandeln. Es gibt auch zum Teil neue Medikamente“, berichtet Brigitte Schmied, Präsidentin der Österreichischen Aids-Gesellschaft. Ein Behandlungsbeginn wird demnach bei weniger als 350 CD4-positiven Zellen pro Milliliter Blut empfohlen. Somit wurde der bisherige Therapiebeginn bei oft weniger als 200 CD4-positiven Zellen revidiert. Auch wenn der Status des Immunsystems besser ist – also bei 351 bis 450 CD4-positiven Zellen – gilt es als vertretbar, eine Behandlung zu beginnen. Laut einer umfangreichen US-amerikanischen Beobachtungsstudie zieht ein Therapiebeginn bei mehr als 500 CD4-positiven Zellen eine Verringerung der Sterblichkeit der Betroffenen nach sich; eindeutige Empfehlungen für eine solche Vorgangsweise sind aber nicht zu erkennen. Zusätzlich zu den allgemeinen Empfehlungen betont Schmied den individuellen Aspekt der Therapie: „Das sind Leitlinien. In der Realität trifft man als Behandler mit dem Patienten jeweils eine individuelle Entscheidung.“

Generell hat sich die Prognose von HIV-infizierten Patienten durch die antiretrovirale Therapie erheblich verbessert. Nur eine starke Unterdrückung der Zahl der HI-Viren im Blut – auf nur noch 20 bis 50 pro Milliliter Blut – kann eine Resistenzentwicklung und folglich ein Versagen der Therapie verhindern.

Im Hinblick auf medikamentöse Therapien empfehlen die Experten auf jeden Fall eine Kombination aus zwei Polymerase-Hemmern einer Wirkstoffklasse und einem Protease-Inhibitor oder einem Integrase-Hemmer. Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von drei Polymerase-Hemmern aus zwei Wirkstoffklassen. Da allein in Deutschland bei rund zehn Prozent der Patienten vor der ersten Behandlung resistente HIV-Varianten auftreten, müssen vor Therapiebeginn Resistenzen ausgeschlossen werden. Hierzu ist auch die Therapietreue zu beachten: Laut Experten ist das Risiko für die Resistenzentwicklung umso größer, je häufiger die Behandlung unterbrochen wird.

Bei der Behandlung selbst sind Fix-Kombinationen zuverlässig. Die Zusammenfassung mehrerer Wirkstoffe in eine Kapsel oder Tablette erleichtern die Einnahme. Wegen des weltweiten Anstiegs der zu behandelnden Patienten werden auch ökonomische Faktoren in der Therapie immer wichtiger. Der generelle Zugang zu den spezifischen Arzneien ist noch nicht gewährleistet. Rund vier Millionen Menschen mit HIV erhalten derzeit eine Therapie; zusätzlich müssten noch zehn bis elf Millionen HIV-Betroffene medikamentös versorgt werden.

Spritzenaustausch verhindert Infektionen

Hinsichtlich der Ansteckungsgefahr durch Drogenkonsum hat sich der Spritzenaustausch für Opiatabhängige in Drogenersatzprogrammen als bestes Mittel erwiesen, um Infektionen zu verhindern. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in Österreich immer weniger Allgemeinmediziner bereit sind, Drogensubstitutions-Patienten in ihrer Ordination zu betreuen. Ursache des Versorgungsengpasses ist eine komplizierte Regelung auf Bundesebene. Zwar wurde mit Ende 2009 die Verordnung novelliert; zu diesem Zeitpunkt hatten sich allerdings bereits viele Ärzte aus der Betreuung zurückgezogen.

Neben dem medizinischen Informationsaustausch bietet die Aids-Konferenz aber auch ein vielfältiges Rahmenprogramm, dass das Konferenzmotto „Rights here, Right now“ untermalen wird. Im frei zugänglichen „Global Village“ rund um das Messezentrum in Wien-Leopoldstadt bieten Künstler und NGOs einen aktiven Zugang zum Thema HIV/AIDS.
BO

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2010