Mit Fernsehspots, Inseraten und Input auf Social media startet die Bundeskurie niedergelassene Ärzte eine groß angelegte Kampagne, die eines in den Mittelpunkt stellt: Erster Ansprechpartner in allen Fragen rund um Vorsorge und Gesundheit sind die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.
Agnes M. Mühlgassner
„Es ist eine Leistungsschau der besonderen Art, die niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und Fachärzte erbringen, und die wir mit dieser Kampagne in den Mittelpunkt stellen wollen.“
Johannes Steinhart, ÖÄK-Präsident
Ich ersuche alle Ärztinnen und Ärzte, das Plakat gut sichtbar in der Ordination aufzuhängen.“
Edgar Wutscher, Kurienobmann niedergelassene Ärzte
Diese „Leistungsschau“ der besonderen Art kann sich sehen lassen, sagt ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart im Vorfeld der Kampagne „Meine Gesundheit beginnt bei meiner Ärztin, bei meinem Arzt. Und nirgendwo sonst“. So haben – laut den Daten der Sozialversicherung – im Jahr 2021 mehr als 107 Millionen Kontakte mit Patienten in den Ordinationen von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und niedergelassenen Fachärztinnen stattgefunden. Oder anders ausgedrückt: Österreichs niedergelassene Ärztinnen und Ärzte betreuen in ihren Ordinationen täglich durchschnittlich 400.000 Frauen, Männer und Kinder. Und das ist noch nicht alles: Im Jahr 2021 wurden mehr als eine Million Vorsorge-Untersuchungen erbracht und auch knapp eine Million Leistungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes.
Wieso sich die Bundeskurie dazu entschlossen hat, eine groß angelegte Image-Kampagne durchzuführen, erklärt deren Obmann Edgar Wutscher folgendermaßen: „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich ansehen muss, dass der unglaubliche Einsatz, den Österreichs Ärztinnen und Ärzte jeden Tag aufs Neue erbringen, nicht immer von allen Systempartnern gesehen und wertgeschätzt wird. Deswegen haben wir uns in der Bundes-kurie niedergelassene Ärzte Mitte November dieses Jahres einstimmig dazu entschlossen, darauf hinzuweisen. Wir stellen die Leistungen und die Kompetenz der Ärztinnen und Ärzte nun ins Rampenlicht.“
Die weiteren Schritte: Mit dieser Ausgabe der ÖÄZ erhalten alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ein Wartezimmerplakat, das über die Kampagne informiert. Wutscher ersucht hier die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung: „Ich ersuche alle Ärztinnen und Ärzte, das Wartezimmerplakat gut sichtbar in der Ordination aufzuhängen.“
Die Kampagne selbst hat drei Schwerpunkte: So wird es vor der Sendung „Bundesland heute“ regionalspezifisch gestaltete Spots geben, in denen auf die Leistungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aufmerksam gemacht wird. Eine breit gestreute Inseraten-Kampagne in Tageszeitungen, regionalen und lokalen Zeitungen auf Bundes- und Bezirksebene stellt den zweiten Schwerpunkt dar. Den dritten Fokus bildet Social media: Hier wird mit entsprechenden Aktivitäten auf die Leistungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aufmerksam gemacht.
Zufriedenheit außerordentlich hoch
Die Österreicherinnen und Österreicher sind hoch zufrieden mit der medizinischen Versorgung, wie die aktuell verfügbare Gesundheitsbefragung* der Statistik Austria im Auftrag des Gesundheitsministeriums zeigt. Rund 90 Prozent der Frauen und Männer über 15 Jahren waren mit der Betreuung beim Allgemeinmediziner und beim Facharzt sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden.
In den vergangenen zehn Jahren haben 55,4 Prozent der über 50-Jährigen einen Coloskopie durchführen lassen. Rund die Hälfte aller Frauen ab 15 Jahren hat im vergangenen Jahr einen PAP-Abstrich durchführen lassen: Bei den über 45-Jährigen waren in den vergangenen beiden Jahren vor der Befragung 65,7 Prozent der Frauen bei einer Mammographie; 27,2 Prozent vor mehr als zwei Jahren.
Dass die kontinuierliche Betreuung von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten noch weiter an Bedeutung gewinnen wird, zeichnet sich schon aufgrund der demographischen Entwicklung und der damit einhergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung ab. Demnach geben 2,8 Millionen Menschen (davon 1,5 Millionen Frauen) über 15 Jahren an, eine dauerhafte Krankheit oder ein chronisches Gesundheitsproblem zu haben. Die Betreuung von Menschen mit einer chronischen Krankheit ist eine der zentralen Aufgaben von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. So zählen – laut den Angaben der Sozialversicherung für das Jahr 2021 – Medikamente gegen Bluthochdruck, Psychopharmaka, Statine, Antidiabetika, Antithrombotika, Analgetika, Pharmaka bei obstruktiven Atemwegserkrankungen zu den Gruppen von Pharmaka, die am häufigsten verordnet werden.
Ein Negativ-Beispiel dafür, was passiert, wenn der Vertrauensarzt – also der Hausarzt oder Gynäkologe – durch einen Brief ersetzt wird, zeigt das Mammographie-Screening. Im Zuge der Umstellung des opportunistischen Screenings auf das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm gingen die Frequenzen gleich im ersten Monat rapide zurück: Im Burgenland waren es minus 29 Prozent, in Wien minus 21 Prozent, in Salzburg minus 57 Prozent. „Das war damals die Konsequenz, dass man ein funktionierendes Programm, bei dem die Hausärzte und die Gynäkologen zur Mammographie überwiesen haben, auf ein anonymes Einladesystem mittels Brief umgestellt hat“, resümiert Johannes Steinhart. Mehrfach wurde adaptiert – und dennoch lag dreieinhalb Jahre nach der Einführung die Teilnahmerate noch immer bei rund 38 Prozent – und damit meilenweit entfernt von den ursprünglich angestrebten 70 Prozent. Steinhart dazu: „Hier zeigt sich die entscheidende Rolle des Vertrauensarztes“. Die Arzt-Patienten-Beziehung fehle, die nach Ansicht von Steinhart „wichtigste“ Säule – gerade auch in puncto Prävention. Im Zuge der Evaluierung dieses Programms haben zwei Drittel der Frauen angegeben, dass der Vertrauensarzt die wichtigste Informationsquelle in puncto Brustkrebs-Früherkennungsprogramm ist. Die Teilnahmerate konnte übrigens wieder erhöht werden, nachdem seit 2018 wieder Allgemeinmediziner und Gynäkologe zur Mammographie zuweisen können. Die Teilnahmerate lag zuletzt (Stand: September 2022) bei immerhin 58 Prozent.
Aus der Sicht einer Allgemeinmedizinerin
„Die Arbeit, die wir niedergelassene Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner tagtäglich in den Ordinationen erbringen, bleibt vielfach unbedankt. Wobei die Patientinnen und Patienten diejenigen sind, die uns als Ansprechpartner schätzen und auf unsere Meinung vertrauen. Was allerdings vielfach fehlt, ist die Wertschätzung von Seiten der Politik und auch von Seiten der Sozialversicherung, dass wir uns um unsere Patientinnen und Patienten kümmern. Denn es geht nicht nur um die Behandlung der Krankheiten unserer Patientinnen und Patienten, es geht auch um Beziehungsmedizin, um die soziale Komponente bei der Betreuung in den Ordinationen. Das ist das, was die Tätigkeit von uns niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten so besonders macht. Wir haben eine Verpflichtung unseren Patientinnen und Patienten gegenüber. Und für diese Zuwendungsmedizin gibt es nur einen zentralen Ansprechpartner: uns niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.
Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied, stv. Kurienobfrau niedergelassene Ärzte, Ärztekammer Wien
Aus der Sicht eines Facharztes
„Als Psychiater weiß ich ganz besonders um die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten Bescheid, die zu mir in die Ordination kommen. Gerade in der Psychiatrie ist die Arzt-Patienten-Beziehung von zentraler Bedeutung. Das zeigt sich besonders in krisenhaften Zeiten, wenn Menschen krank werden oder krank sind. So gab es beispielsweise unmittelbar nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 einen Rückgang bei der Verschreibung von Psychopharmaka um rund 25 Prozent, weil es große Ängste gab, sich mit SARS-CoV‑2 anzustecken. Nicht nur das: Internationale Untersuchungen zeigen auch, dass rund ein Fünftel der Bevölkerung im zweiten Jahr der Pandemie über Symptome einer Depression berichtete. Das bedeutet im Vergleich zum Jahr davor eine Verdoppelung. Das verdeutlicht meiner Ansicht nach noch mehr, wie wichtig der persönliche Kontakt mit dem Facharzt seines Vertrauens ganz generell ist – und ganz besonders natürlich in meinem Fachgebiet, der Psychiatrie, die noch einmal ganz andere Anforderungen mit sich bringt. Und für diese besonderen Anforderungen stehen wir niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzte als Ansprechpartner immer zur Verfügung!
Prof. Dr. Dietmar Bayer, Kurienobmann niedergelassene Ärzte, Ärztekammer Steiermark
Leistungsbilanz in Zahlen
Im Jahr 2021 gab es mehr als 107 Millionen Patientenkontakte in den Ordinationen von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten (Allgemeinmediziner und Fachärzte).
- Das bedeutet: Es gab rund 400.000 Patientenkontakte pro Tag
- Insgesamt wurden mehr als eine Million Vorsorge-Untersuchungen erbracht
- Knapp eine Million Mutter-Kind-Pass-Leistungen wurden erbracht.
- Jeder Hausarzt/jede Hausärztin behandelte 4.814 Fälle pro Jahr.
- Jede Ordination eines Hausarztes absolvierte durchschnittlich 576 Hausbesuche und Patientenbesuche in Alten- und Pflegeheimen pro Jahr.
- Österreichweit gibt es 37 Primärversorgungseinheiten. Dort arbeiten insgesamt mehr als 100 Allgemeinmediziner zusammen.
Quelle: Statistik ÖÄK, ÖGK
* Gesundheitsbefragung 2019, durchgeführt von der Statistik Austria im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und der Bundesgesundheitsagentur
© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 /25.11.2022