KA-AZG verschärft Versorgungssituation: Niedergelassene präsentieren Krisenpaket

10.02.2015 | Politik

Durch die Umsetzung des KA-AZG wird die Versorgungssituation im niedergelassenen Bereich verschärft, sagt der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart, und fordert die Umsetzung eines Krisenpakets: die Schaffung von 1.300 neuen Kassenplanstellen, einen sofortigen Bürokratie-Stopp sowie die Aufhebung sämtlicher Deckelungen. Von Agnes M. Mühlgassner

Ein Rechenmodell veranschaulicht, wie groß die Patientenströme tatsächlich sind, wenn es aufgrund der Umsetzung des KA-AZG in den Spitälern konsekutiv zu einer 20-prozentigen Reduktion der Leistungen kommt. So werden in Österreich jährlich rund 17,2 Millionen Ambulanzfälle verzeichnet. Wenn nur zehn Prozent davon – wie dies auch im Zuge der Gesundheitsreform mit der geplanten Entlastung des stationären Bereichs vorgesehen ist – von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten übernommen werden sollen, sieht der zuständige Kurienobmann in der ÖÄK, Johannes Steinhart, schwarz. Gibt es doch in Österreich seit dem Jahr 2000 um 900 Kassenplanstellen weniger. „1,7 Millio-nen Patienten mehr in den Ordinationen von niedergelassenen Ärzten – das ist in einer Mangelsituation nicht bewältigbar, so der Kurienobmann. Dass die niedergelassenen Ärzte „gerne“ Leistungen aus den Spitälern übernehmen würden, habe man schon vor zwei Jahren versichert – und auch gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass mit der EU-konformen Umsetzung des KA-AZG enorme Herausforderungen zu bewältigen sein würden. „Unsere Prognosen diesbezüglich haben sich leider bewahrheitet“, sagt Steinhart.

Zusätzliche Faktoren

Denn obwohl man mehrfach in der vergangenen Legislaturperiode darauf hingewiesen habe, habe es keine Reaktion von Seiten der Gesundheitspolitik gegeben. Mit dem Ergebnis, dass man nun auf den absehbaren Patientenansturm im niedergelassenen Bereich „leider“ nicht vorbereitet sei. Doch das sei nicht das einzige Problem, mit dem der niedergelassene Bereich konfrontiert ist. Mehrere Faktoren tragen hier zu einer weiteren Verschärfung der Situation bei:

  • Pensionierungswelle
    Mehr als die Hälfte der niedergelassenen Ärzte ist über 55 Jahre alt; sie gehen in den nächsten zehn Jahren in Pension. Ganz besonders „dramatisch“ (Steinhart) ist die Situation bei den Allgemeinmedizinern.
  • Nachwuchsmangel
    Mehr als ein Drittel der Medizin-Absolventen lassen sich in Österreich nicht in einer Ärzteliste eintragen. „Wir bekommen einfach zu wenige junge Kollegen ins System“, so Steinhart.
  • Lehrpraxis
    Bei diesem laut dem Kurienobmann „ganz entscheidenden“ Part für die Vorbereitung auf eine Tätigkeit im niedergelassenen nBereich „schaffen wir noch immer keine suffiziente Finanzierung“.
  • Rahmenbedingungen
    Hier gebe es den „größten Nachholbedarf“, wie Steinhart betont: Neben der Entlastung von bürokratischen Tätigkeiten sei dringend eine adäquate Entlohnung der Allgemeinmediziner notwendig.

Ein Krisenpaket muss geschnürt werden – die wichtigsten Eckpunkte dafür sind laut Steinhart folgende:

  • Mindestens 1.300 zusätzliche Kassenvertrags-Stellen
  • Sofortige Aufhebung sämtlichern Deckelungen
  • Sofortige Aussetzung der zeitraubenden Bürokratie

Aussagen, wonach für das Gesundheitssystem keine zusätzlichen finanziellen Mittel vorhanden seien, könne er – Steinhart – nach der Rechnungshofskritik am Vermögensmanagement von ausgewählten Kranken- und Unfallversicherungsträgern nicht nachvollziehen. Demnach verfügen SVA, oberösterreichische GKK und AUVA über 3,8 Milliarden Euro. „Das ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Steinhart, besonders angesichts der Tatsache, dass er sich etwa beim Ausbau der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung im niedergelassenen Bereich mit 100.000 Euro „herumschlagen“ müsse, wie er sagt. Deswegen sein Appell: „Die Gesundheitspolitik muss nun den Sozialversicherungen Vorgaben machen, wie diese angehäuften Finanzmittel zum Wohl der Patienten eingesetzt werden sollen.“

Rechnungshofkritik an Finanzgebarung der Krankenkassen

In seinem am 18. Dezember 2014 veröffentlichten Bericht übt der Rechnungshof harsche Kritik an der Finanzgebarung von AUVA, oberösterreichischer GKK und SVA.

Konkret wiesen die Sozialversicherungsträger im Jahr 2012 ein Finanzvermögen von insgesamt 3,688 Milliarden Euro auf. Laut Rechnungshof waren „der Zweck und die anzustrebende Höhe der Reserven der Sozialversicherung nicht klar definiert, weshalb auch wichtige Rahmenbedingungen für die Veranlagung (zum Beispiel Laufzeiten) unklar blieben“. Kritisiert wird auch, dass zur Art der Veranlagung eine gesetzliche Klarstellung fehlt, dass neben der Erzielung von Zinsen auch die Sicherheit der Veranlagung wesentlich ist. Die Prüfer stellten außerdem fest, dass AUVA, OÖGKK und SVA zu Beginn des Prüfungszeitraums unzulässige Veranlagungsinstrumente eingesetzt hatten – wie etwa Produkte, bei denen die Rückzahlung der Nominale nicht gesichert war, teilweise wurden Fonds eingesetzt, bei denen ein aktiver Einsatz von Derivaten nicht ausgeschlossen war. Zu diesbezüglichen Verlusten war es etwa 2008 bei der SVA gekommen (3,33 Millionen Euro), bei der AUVA in der Höhe von 27,09 Millionen Euro. Keinen finanziellen Schaden gab es bei der OÖGKK. Weiters heißt es im Bericht des Rechnungshofs: „Die Prozesse zur Vermögensveranlagung waren in vielen Bereichen verbesserungsbedürftig.“ Konkret werden genannt: eine genauere Definition und Einhaltung der Entscheidungsbefugnisse, organisatorische Trennung von Vermögensveranlagung und Risikobeurteilung, Festlegung von Veranlagungsstrategien und deren Überwachung durch die Geschäftsführung, genauere rechtliche Prüfung der maßgeblichen Verträge, Definition der erforderlichen Qualifikationen, professionelles Risikomanagement und Sicherstellung einer ausreichenden Kontrolldichte. „Da aussagekräftige Berichtssysteme fehlten, verfügte der Bund im Rahmen der Aufsicht nichtüber einen Überblick über Umfang, Art, Rechtmäßigkeit und Erfolg beziehungsweise Risiken der Veranlagung der Sozialversicherungsträger“, konstatieren die Prüfer abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2015